„… denn sie wissen nicht, was sie tun“

Rettet den GendarmenmarktErnstes und Kurioses zum Bürgerforum und zur Abstimmung am 25.01.2011

Umgestaltung des Gendarmenmarktes: Kugelahorne weg –  ja oder nein

Der Gendarmenmarkt soll saniert werden. Finanziert wird aus Mitteln der EU und co-finanziert vom Land Berlin. Der beauftragte Landschaftsarchitekt Rehwaldt hat vier Umgestaltungsvarianten für 1/3 des Platzes rund um den Französischen Dom vorgelegt. Dieser wird jedoch durch 150 Kugelahorne in seiner Prachtentfaltung eingeschränkt. Und deshalb, aber nicht nur deshalb, sollten sie weg.

War das, was am Abend des 25. Januar 2011 im Konzerthaus auf dem Gendarmenmarkt stattfand wirklich und wahrhaftig eine Bürgerbeteiligung? Ich kann es nicht glauben. Wie oft habe ich schon mein Kürzel unter Listen gesetzt, mir meine Beine auf Demos in den Bauch gestanden und meine Stimme in Urnen begraben. Und was kam dabei raus: Noch mehr Werbung im Briefkasten, Atomkraft als „Brückentechnologie“ und Westerwelle als Verteidigungsspaßmacher.

Im Ahorn-Fall sollte ich abstimmen und zwar ganz direkt, zusammen mit mindestens 499 anderen Menschen. Einfache Mehrheit genügte und es gab vier verschieden farbige Stimmkarten für je eine der vorgestellten Gestaltungsvarianten von Rehwaldt. Die Farbe, die am Häufigsten im Töpfchen gelandet ist, hat gewonnen und damit die entsprechende Variante. Einfach, praktisch, gut. Aber wie kam es zu dieser Aktion überhaupt?

Besorgte Bürger aus den Reihen der Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes gaben vor gut einem Jahr zu erkennen, dass sie evtl. noch ein bis zwei Wörtchen mitreden wollten, was die Umgestaltung ihres Vereinszeckes anging – wenigstens was den Baumbestand auf dem Platz betraf. Offensichtlich haben Regula – ihres Zeichen Stadtbaudirektorin und vollständig benannt Regula Lüscher – und Ephraim Gothe – seines Zeichens Baustadtrat von Mitte und oberster Regulator seiner Verwaltung – schon mal was von der Wutbürgerei gehört.

Und um den Gendarmenmarkt 21 und sich selber vor der neuen Volkskrankheit zu schützen, hat man sich zu dieser drastischen Maßnahme hinreißen lassen.

Die besorgten Bürger waren also nicht wirklich damit einverstanden, dass man 150 Kugelahorne dem ästhetischen (Miss-) Empfinden von Architekt, Senat & Co. überlässt und killt. Die Bäume sind bis dato 30 Jahre tapfer vor sich hin gewachsen bzw. gestanden, dabei zu 99% kerngesund geblieben (lt. BUND) und sie könnten – wenn man sie denn lässt –noch mindestens 30 Jahre so weiter machen. Gut, sie sind ein bisschen zu niedrig und ein bisschen zu dicht und überhaupt ein bisschen zu kugelig für den feinen Platz. Aber nun dürfen sie bleiben, da wo sie sind und im Wesentlichen so wie sie sind, trotz ihrer kleinen Makel. Dem  Abstimmungsverfahren sei Dank!

Wenn man von Ephraim G. nicht schon so manches Aalglatte gehört hätte, was ihn bislang nicht unbedingt als Sympathieträger der Bürgerbewegten erscheinen ließ, müsste man ihn durchaus loben. Dafür das seine Verwaltung so etwas tut, obwohl sie nicht muss. Aber wie schon erwähnt, der Wutbürger ist im Kommen und da ist vielleicht auch ein Ephraim G. ein bisschen vorsichtiger, was eine evtl. despotenhaftere Durchsetzung des evtl. einen oder anderen Prestigeobjektes betrifft.  Auch Regula L.,  die Amtsdame mit Schweizer Akzent oder sagt man Dialekt oder Dünkel – man weiß es nicht … also Regula L. jedenfalls, hat mehrfach betont, dass der somit kundgetane Bürgerwille auch umgesetzt wird. Die Senatsbauverwaltung steht dazu, egal welche von den vier Umgestaltungsvarianten die meisten Bürgerstimmen bekommt, mit oder ohne Ahorne.

Bleibt noch zu fragen: Ging es „nur“ um 150 Ahornbäume oder gab es da noch andere, subtilere Anliegen seitens der Befürworter des Kettensägenmassakers? Vielleicht konnte man ähnliche Untertöne hören, wie beim dringenden Palast-der-Republik-Abrisswunsch und dem massiven Wiederaufbauwillen für ein Stadtschloss seitens unserer bundesrepublikanischen Herrscherriege? Man weiß es nicht …

Immerhin ließ nur eine der vier vorgestellten Gestaltungsvarianten – Variante D – die Ahörner weitestgehend unangetastet. Varianten A, B und C stellten mehr oder weniger dar, wie toll doch der in exklusiver Lage gelegene Stadtplatz aussähe und vor allem noch viel praktischer touristisch/gewerblich nutzbar wäre, wenn es nicht diese störenden Ostbäume gäbe. Die Ossis haben vor 30 Jahren das wunderbare historische Bauensemble mit unnötigem Grünzeugs verschandelt und stur wie Ossis und einige ewig gestrige Wessis, Müslifresser, Baumschützer u. ä. sind, bleiben sie ihrem schlechten Geschmack und der Baumhudelei treu.

Ach ja, dann wäre da noch die Sache mit der Barrierefreiheit. So oft, wie ich dieses Wort am Abend des 25. Januar gehört habe, vernahm ich es vorher noch nie. Und selbstverständlich bin ich dafür, dass Barrierefreiheit auf dem Gendarmenmarkt gegeben ist, so wie die restliche Die-Ahorne-Dürfen-Bleiben-Fraktion. Aber leider wurde der Begriff von den Ahorngegnern so massiv ins Feld geführt, als wären diese Bäume ausschließlich dafür verantwortlich, dass Behinderte nicht bzw. wörtlich: „nur unter Spießrutenlaufen“ auf den Platz kämen. Das Fazit könnte sich so anhören: Ahornbäume in Berlin sind Behindertenbarrieren und Alleebäume in Brandenburg sind Schuld an den Raserunfällen.

Bemerkenswert fand ich, dass der Mann, der die drei dort ansässigen Kirchengemeinden und die Evangelische Akademie zu Berlin vertrat, Herr Douvigneau offensichtlich nicht so viel mit der Bewahrung der Schöpfung am Hut hatte, wie man vermuten könnte. Er setzte sich vehement und mit sprachlicher Dramaturgie für die Beseitigung der „Bäumchen“ ein, wie er sie nannte. Was in seinem Sprachgebrauch wohl weniger die uns so behagliche Verniedlichung als eher die Unbedeutendheit der Bäume ausdrücken sollte. Da fragt man sich doch: was ist da schief gelaufen in der Kindheit. Man weiß es nicht …

Und was sagt Frau Ada Withake-Scholz, Vertreterin der Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes, die den Platz schon seit 15 Jahren begleiten, bewachen und ihn wohl auch irgendwie in seiner nicht ganz perfekten Ausfertigung lieb gewonnen haben? Sie meinte doch tatsächlich, wenn sich sehr große Menschen unter dem Blätterdach der Kugeln mal etwas bücken müssten, dann sei das eben so eine Art Verneigung vor der Schöpfung und das hätte diese doch ab und zu mal verdient! Ich hoffe Herr Douvigneau hat sich das in sein Notizbuch oder hinter die Ohren geschrieben, damit er das nicht wieder vergisst, dass mit der Schöpfung und dem lieben Gott und so… Frau W-S war übrigens Manns bzw. hier Fraus genug, sich nicht an den Anfang der Rednerliste platzieren zu lassen, wie das die Frau mit dem Autonamen – ihres Zeichens Moderatorin des Abends – gerne wollte,  sondern sie hat sich freiwillig hinten angestellt. Clever, Clever Frau Withake-Scholz!

So weit so gut für die kleinen Ahornbäume. Apropos bücken. Herr Laduch – Technischer Direktor des Konzerthauses war bereits 1983 zu gegen, als die Ahörner gepflanzt wurden. Und Herr Laduch erinnerte sich, dass statt der bestellten 2,70 m Durchgangshöhe nur Bäume mit 1,80 m geliefert wurden! Ja, so war das damals! In der DDR musste man wirklich mit allem rechnen, vor allem mit dem, was man nicht bestellt hatte.

Ich möchte noch mal kurz auf den Vertreter der IHK, Herrn Brinkmann schwenken. Manchmal sagt es einer anders als man denkt. Herr Brinkmann ließ sich in seinen Statements nicht vor den Senatskarren spannen und er blies auch nicht so wirklich in das Abholzungshorn. Ihm liegen keine Informationen vor, dass die Busunternehmen, die am Gendarmenmarkt halten, Probleme mit den niedrig gewachsenen Ahornbäumen haben – wie wohl vom Senat gerne postuliert.

Last but not least im Namen der Kugelahorne: Dank an Christian Hönig vom BUND. Der betonte, dass es sich bei den Bäumen um lebende Wesen (!) handelt, die sich nicht einfach wie Mobiliar von einem Architekten hin und her oder raus entwerfen ließen. Und da hat er Recht!

P.S. der Wahrheitsgehalt dieser Zeilen entspricht übrigens dem Gesundheitszustand der Kugelahorne – siehe Seite 1.

Kerstin Schmidt


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