Passend zum Thema fahre ich mit dem Fahrrad zum Gasometer nach Schöneberg. Auf dem Parkplatz sehe ich große, schelle, übermotorisierte und teure Autos. Die zweite Befremdlichkeit erwartet mich im Inneren der tollen Location. Die Hauptsponsoren der Konferenz sind die GASAG und Vattenfall. Dennoch habe ich die feste Absicht, mich auf diese Veranstaltung einzulassen und nichts schwarz zu malen.
Berlin als „Modellhauptstadt“
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eröffnet und wird als der Mann hingestellt, der „ den Lichtschalter im Rathaus ausschaltet“. Wie die ganze Veranstaltung legt Wowereit seinen Schwerpunkt auf die E-Mobilität in der Stadt. Er möchte Berlin zur „Modellhauptstadt des Klimaschutzes“ machen und zum „Schaufenster für Zukunftsmobilität“ ausbauen. „Berlin will keine autofreie Stadt, sondern eine saubere Stadt sein“, so der Bürgermeister. Dadurch, dass er auch die Produktion in Berlin ansiedeln will und Testflächen wie in Tempelhof auch in Tegel zur Verfügung stellen will, möchte er den Industriestandort stärken.
Der CO2-Ausstoß solle „massiv“ reduziert werden. Vorhaben sind unter anderem auch bis 2030 die Einheiten der Wohnungsgenossenschaften zu 100 Prozent mit Strom aus regenerativen Energien zu versorgen. In Tempelhof solle die Geothermie ausgebaut werden und Wowereit wagt einen schönen Satz: „Für den Senat ist nicht erst seit Fukushima klar, dass die Atomkraft keine Brücke, sondern eine Gefahr ist.“
Die erneuerbaren Energien seien „Brücke“ und „Zukunft“ zugleich: nette Worte. Zudem sei der „Fachkräftebereich extrem wichtig. Die Rede ist von „Investitionen in Ausbildung von Fachkräften“. Er wolle in diesem Jahr persönlich „Klinken putzen gehen“. Zuletzt kündigt Wowereit „100.000 E-Fahrzeuge bis 2020“ an.
Industrie- und unternehmensnah
Der nächste Redner ist Michael Vassiliadis von der Industriegesellschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Er kritisiert letztendlich die Logik des Weges, ein Ziel auch zu erreichen. Er empfiehlt Bilder wie green und black beziehungsweise new und old economy zu vermeiden. Diese Einteilung löse Blockaden aus. Zudem könne man das nicht einteilen, da beispielsweise die Komplexität der Wertschöpfungsketten dies oft nicht zulasse. Vassiliadis stellt klar, dass ein „Energiewechsel nicht Realität“ werde, „wenn er auf dem Parteitag beschlossen wird“. Es werde nicht billig und das „Land muss das in der gesamten volkswirtschaftlichen Breite bezahlen“. Mich freut folgender Satz: „Wir müssen Fiktionen und Zielkonflikte anerkennen“. Das denke ich mir auch manchmal. Man kann schlicht nicht alles berechnen, „szenarieren“ und auch nicht im Vorhinein lösen. Man muss handeln! Auch Vassiliadis betont die besondere Relevanz von Fachkräften. Hierbei sei auch eine „steuerliche Forschungsförderung“ vorstell- und umsetzbar.
Allgemein ist Konsens, dass die Industrie und die Unternehmen stärker in den Klimaschutz eingreifen müssen. Dabei fällt der Moderatorin und einigen im Publikum allerdings auch auf, dass der Bürger häufig vergessen wird. Der Regierende nennt das „Partnerschaft mit der Wirtschaft“.
Prof. Dr. Frank Straube (TU) ist berechtigterweise der Meinung, dass die E-Mobilität „hyped, dabei ist es als Marathon zu betrachten“, denn es müsse die „Anwendungsreife“ erreicht werden. Seine Instrumente sind dabei, die stärkere Vernetzung der Universitäten, die Erhöhung der „Planungssicherheit“, für die Unternehmen und die Aufstockung der Studienplätze im Bereich der E-Mobilität. Berlin sei „ein optimales Testfeld“ und müsse „in die Welt“ gehen.
Mit großem Applaus wird der Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer begrüßt, der nun die Mobilitätsstrategie der Bundesregierung vorstellt. Zuvor übergibt Wowereit ihm noch die zusammengetragenen Ergebnisse für E-Mobilität in Berlin in Form einer Mappe. Mit dem Satz „Verkehr und Mobilität sind kein sinnloser Luxus“ hat Ramsauer sicherlich nicht Unrecht. Ansonsten passt sein Vortrag allerdings nicht so gut in die vorherige Diskussion um Mobilität in Berlin, da er über ein „hohes Transportaufkommen“, die Klärung der „Energiebasis der Mobilität“ und vier Thesen, die es zu beachten gelte, spricht: „Bedürfnisse der Bürger (keine Umerziehung), Sicherheit vor Geschwindigkeit, klare Prioritäten in der Verkehrspolitik und Innovationspolitik im Sinne der Umwelt und des Klimaschutzes“. Er wolle einen fairen Wettbewerb der Verkehrsträger schaffen und aus „Betroffenen Beteiligte machen“.
Mobilitätsdiversität
Wichtig sei, dass die „E-Mobilität nicht zur Stigmatisierung der Verbrennungsmotoren“ führe. Wie die übrigen Teilnehmer ist er der Meinung, dass der deutsche Auto-Fuhrpark insgesamt breiter werde, das heißt mehr Antriebssysteme und Kraftstoffe.
Eine Million E-Autos bis 2020 bedeuten einen Anteil von zwei Prozent am Markt. Wenn man den Verbrauch der Verbrennungsmotoren reduziere, sei kurzfristig mehr möglich. Klimaschutz sei wichtig, aber Wirtschaftlichkeit und die Gesellschaft dürften nicht auf der Strecke bleiben, so der Bundesverkehrsminister.
Alle weiteren Diskussionen und Podien der Konferenz noch darzustellen, würde den Rahmen sprengen. Deshalb nur noch einige interessante Zitate und Denkanstöße:
– Bis 2050 darf jedes Auto nur noch 20 g/km verbrauchen (Prof. Dr. Wietschel)
– „Es besteht Forschungsbedarf (…) Berlin ist prädestiniert“ durch Kompetenzzentrum in Tempelhof (Gernot Lobenberg)
– „Wartungskosten sind niedriger“ (bei E-Autos) (Letztgenannter)
– Wertschöpfung in der IT-Branche: App auf Smartphone soll Flexibilität und Abrechnung im Bereich der modernen Mobilität möglich machen
– Es gibt eine „Nationale Plattform der E-Mobilität“ (NPE)
– Es gibt ein „NE-Metall-Problem“ (Norbert Quinkert)
– „BMW und Daimler verschieben sich bereits“ (in Richtung E-Mobilität) (Prof. Dr. Knie)
– Der Senat entscheidet nichts: Investoren müssen durch Förderung und gutes Personal angelockt werden
– Unterscheidung in Nah- und Fernverkehr ist zentral
– „Kulturelle Barrieren müssen abgebaut werden“ (Norbert Quinkert)
– „Die Wünsche an die Politik sind zu groß“: Unternehmen müssen den Rahmen der Politik ausfüllen.
– „Der Mensch ist Teil der Gleichung“ (Hans Hermann Junge)
– BVG sieht keine Konkurrenz mit Car-Sharing und ähnlichem, sondern kann sich langfristig ein „Kombiticket“ oder sogar eine „Flatrate“ vorstellen (Dr. Nikutta)
Felix Eick