Bundesrepublik liefert Armutszeugnis in der Flugroutendiskussion ab
Die EU-Kommission hat sich in den letzten Monaten mit der EU-Beschwerde der Berliner Naturschutzverbände GRÜNE LIGA, NABU und des Bürgervereins Friedrichshagen beschäftigt. Die Anfang Oktober abgegebene Stellungnahme der Bundesregierung bestätigt die Annahme der Beschwerdeführer, dass bei der Flugroutendiskussion EU-Recht gebeugt wird. Seit gestern hält die Kommission nun die Entgegnung der Verbände in den Händen.
Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt
Die Stellungnahme der Bundesregierung zeigt, dass weder bei Durchführung des Planfeststellungsverfahrens für den Flughafen BER noch bei der späteren Festsetzung der An- und Abflugverfahren und damit zu keinem Zeitpunkt, eine Prüfung der jetzt tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen auf die in der Beschwerde genannten FFH- und Vogelschutzgebiete im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde.
Auch will die Regierung weiterhin ein solches Verfahren nicht nachholen, was gegen geltendes EU-Recht verstößt.
Alte Pläne über den Haufen geworfen
Nach der damaligen Prognose sollte insbesondere der Müggelsee nicht durch Überflüge betroffen werden. Abflugverfahren, die diese Region und angrenzenden Gebiete betreffen, waren nicht Bestandteil einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Legt man aber nun die neuen Routen zu Grunde, wird für dieses Gebiet eine Lärmbelastung von deutlich mehr als 50 Db(A) erwartet. Neben dem Fluglärm wurden aber auch Überflug und Vogelschlag sowie die Beeinträchtigung von Gewässern bzw. Trinkwasserschutzgebieten zu keinem Zeitpunkt betrachtet.
Dieses Vorgehen empfinden die Naturschutzverbände als skandalös. „Wenn eine Planung mit einem damit verbundenen Prüfverfahren zu 100 Prozent über den Haufen geworfen wird und alle alten Ergebnisse und Erkenntnisse nicht mehr gültig sind, kann es nicht sein, dass
man bei der Regierung meint, eine neuerliche Prüfung umgehen zu können“, ärgert sich Anja Sorges, Geschäftsführerin des NABU Berlin und Stefan Richter, Geschäftsführer der GRÜNEN LIGA Berlin sekundiert: „Die Routen und ihre Auswirkungen sind nach dem Prinzip der
größtmöglichen Lärmminimierung für alle Betroffenen zu ermitteln. Es kann nicht sein, dass Partikularinteressen über die Gesundheit von Mensch und Natur gestellt werden.“
Erneute Einlassung der Beschwerdeführer
Die EU-Kommission hat nun um eine Kommentierung der Stellungnahme der Bundesregierung gebeten, die pünktlich zum Abgabetermin in Brüssel vorlag.
Die beiden Berliner Naturschutzverbände und der Bürgerverein Friedrichshagen bleiben dabei: „Im Rahmen der Beschwerdebegründung wurde ausführlich vorgetragen, dass die Verfahrensweise von Bund, Berlin und Brandenburg der Rechtsprechung des EuGH widerspricht“, erläutert Rechtsanwältin Franziska Heß die Position der Beschwerdeführer.
Die Initiatoren fordern die Kommission daher auf, zu diesem Rechtsbruch Stellung zu nehmen und den Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung von Unionsrecht durch die Bundesrepublik Deutschland anzurufen.