Pressemitteilung 48/2010

Logo des WasservolksbegehrensEinladung zur Pressekonferenz – Bilanz des Volksbegehrens

Berlin, 8. November 2010

Von der taz-Veröffentlichung zur Veröffentlichung durch den Senat – offen gelegt, abgelegt, reingelegt?

Am Mittwoch, d. 10. November, hat der Regierende Bürgermeister Wowereit im Roten Rathaus bekannt gegeben, dass unter Hinzuziehung des Finanzsenators Nußbaum gemeinsam mit den privaten Gesellschaftern die Vereinbarung getroffen werden konnte, „dass der Konsortialvertrag zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe von 1999… mit sämtlichen Anlagen und späteren Änderungsvereinbarungen im Internet veröffentlicht wird. Das heißt, ab heute kann jeder im Internet die kompletten Unterlagen anschauen. Dies ist auch eindeutig mehr als das in der taz-Veröffentlichung war. Es hat einen Umfang von über 700 Seiten… Das sind – wie gesagt – sämtliche Unterlagen, auch alle Änderungsvereinbarungen. Bei der taz-Veröffentlichung ging es nur bis zur 5. Änderungsvereinbarung. Es gab auch eine 6., die auch veröffentlicht wird. Das heißt, die Unterlagen, die den Konsortialvertrag ausmachen mit den Anlagen werden veröffentlicht. Wir freuen uns darüber, dass damit diese Transparenz geschaffen wird, all die wesentlichen Inhalte dieses Vertrages sind sowieso hinlänglich diskutiert worden, vor allem natürlich die Fragen der Kapitalverzinsung und der vertraglichen Inhalte – die werden damit nicht berührt – auch deutlich zu machen, es ist hier die Veröffentlichung, kein veränderter Vertrag, sondern es ist die Transparenz, die gefordert wurde, auch im Volksbegehren zur Veröffentlichung der Konsortialverträge… Die materielle Forderung des Volksbegehrens ist damit erfüllt…”, so der regierende Bürgermeister.

Doch sind die materiellen Forderungen des Volksbegehrens wirklich erfüllt? Und wenn diese Frage bejaht werden kann, warum weigert sich dann die Politik so hartnäckig, den Gesetzestext des Volksbegehrens zu übernehmen und umzusetzen?

Wer sich mit dem Gesetzestext des Volksbegehrens beschäftigt hat, der kennt die materiellen Forderungen: Diese beschränken sich nicht auf die Veröffentlichung des Konsortialvertrages, sondern umfassen auch die Veröffentlichung von „Beschlüssen und Nebenabreden“. Was auf den ersten Blick wie eine juristische Spitzfindigkeit anmutet, ist auf einen Hinweis aus der Ministerialverwaltung zurückzuführen. Als die Initiatoren des Volksbegehrens den Gesetzestext
öffentlich zur Diskussion stellten, gab es den Hinweis, nicht nur die Offenlegung von Verträgen zu fordern, sondern auch Beschlüsse und Nebenabreden einzubeziehen. Die Weigerung, den Gesetzestext zu übernehmen, wird mit der Behauptung begründet, die Klausel zur Unwirksamkeit von Verträgen, die nicht veröffentlicht werden, sei rechtlich nicht haltbar. Hierzu ist folgendes anzumerken:
Diese Argumentation lässt Zweifel an der politischen Offenlegung aufkommen,denn: Wenn jetzt doch alles offen gelegt wird, dann würde die Unwirksamkeitsklausel  nicht zur Anwendung kommen – schließlich ist doch alles offen gelegt, oder? Und der Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen nur „rechtssichere“ Gesetze  auf den Weg bringen dürfen, täuscht! Und der Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen nur „rechtssichere“ Gesetze auf den Weg bringen dürfen, täuscht! An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt,  dass in der Vergangenheit das Abgeordnetenhaus in Zusammenarbeit mit dem Senat oft Gesetze auf den Weg gebracht hat, die vor dem Verfassungsgericht landen und in Teilen einer rechtlichen Überprüfung nichtstandhalten! Es sei in diesem Zusammenhang an das Ladenschlussgesetz erinnert, oder an das Teilprivatisierungsgesetz  von 1999. Im Fall einer Übernahme des Volksbegehrens durch unsere Volksvertreter wäre „schlimmstenfalls“ zu befürchten, dass die „Unwirksamkeitsklausel“ des  Paragrafen 4 beanstandet wird und eine Teilnichtigkeit des Volksgesetzes die Folge wäre. Abgesehen davon, sollten sich sowohl Vertreter der Regierung (Exekutive) wie des Abgeordnetenhauses (Legislative) an das Modell der Gewaltenteilung erinnern und die juristische Beurteilung den Gerichten (Judikative) überlassen.

Warum wir auf der Unwirksamkeitsklausel (§ 4 unseres Gesetzes) bestehen müssen: In § 4 wird geregelt, dass die Verträge, wenn sie innerhalb einer Frist von einem Jahr nicht veröffentlicht werden, unwirksam werden. Ohne eine Sanktion besteht die Gefahr, dass unser Gesetz zur Offenlegung von Verträgen, Beschlüssen und Nebenabreden ins Leere laufen würde, weil die „Vertragspartner“ nichts zu befürchten hätten, wenn sie das Gesetz nicht befolgen. Über andere, möglicherweise rechtssichere Formen der Sanktionen können wir gerne diskutieren – doch das erfordert ein Gesprächsangebot, welches uns bisher nicht unterbreitet worden ist.

Wer die Weigerung an der gesetzlichen Umsetzung des Volksbegehrens verstehen will, muss wissen, dass das Volksbegehren eine wichtige, offene, äußerst bedeutsame Rechtsfrage berührt, die durch höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland noch nicht abschließend geklärt ist: Können sich Konzerne, die sich an einem öffentlichen Monopol der Daseinsvorsorge beteiligen, überhaupt auf ihre Grundrechte und insbesondere auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen? Eine abschließende Antwort durch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Verfassungsgerichts steht noch aus und könnte durch unser Volksgesetz beantwortet werden.
Und wir sind äußerst zuversichtlich, dass die Gerichte – falls gegen unser Gesetz geklagt werden sollte – diese Frage in unserem Sinne entschieden werden könnte. Daher haben alle Berlinerinnen und Berliner, die für das Volksgesetz stimmen, die Möglichkeit, zur endgültigen Klärung dieser systemrelevanten Frage beizutragen! Warum der Senat diese Frage aussitzen will? Höchstwahrscheinlich, weil Betriebs- undGeschäftsgeheimnisse, ummantelt mit Geheimverträgen, zum „Geschäftsmodell“ von allen so genannten „Öffentlich-Privaten-Partnerschaften“ gehören.

Thomas Rudek
Sprecher des Wasser-Volksbegehrens zur gesetzlichen Offenlegung von Verträgen,
Beschlüssen und Nebenabreden
www.berliner-wassertisch.net

Tel. 030 / 261 33 89


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