Aus DER RABE RALF Dezember 2024/Januar 2025, Seite 16
Harich, Bahro, Havemann: Was bleibt von den drei prominentesten Ökosozialisten der DDR?
Wolfgang Harich, Rudolf Bahro und Robert Havemann gehörten zu den bekanntesten Regimekritikern der DDR. Heute sind sie weitgehend in Vergessenheit geraten. Dabei haben alle drei radikal-ökologische Ansichten vertreten. Aber haben sie uns über 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus noch etwas zu sagen? Der Rabe Ralf sprach mit dem Politikwissenschaftler Alexander Amberger über systemtreue Dissidenten, linke Wachstumskritik und repressive Utopien.
Der Rabe Ralf: Herr Amberger, in Ihrer Dissertation vergleichen Sie die wichtigsten Werke von Wolfgang Harich, Rudolf Bahro und Robert Havemann. Sie zeigen, dass alle drei Bücher als Reaktionen auf den 1972 erschienenen Club-of-Rome-Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ zu verstehen sind. Der Bericht war im Westen sehr wichtig für die Ökobewegung. Wie wurde er in der DDR rezipiert?
Alexander Amberger: Als Problem des imperialistischen Westens. Der Bericht ist in der DDR nicht erschienen, und die SED wollte auch keine Diskussion darüber. Es gab nur ein paar ablehnende Veröffentlichungen dazu. Darin hieß es, dass der Westen sich gerade in der größten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs befinde, während es in den sozialistischen Staaten hohe Wachstumsraten gebe. Der imperialistische Klassenfeind versuche nun, mittels Wachstumskritik den Sozialismus beim „Überholen ohne einzuholen“ auszubremsen.
Die SED meinte: Der Kapitalismus könne durch seinen inneren Zwang zum Wachstum tatsächlich die Probleme nicht lösen, die der „Club of Rome“ aufgezeigt hat. Der Sozialismus sei dazu jedoch in der Lage, müsse aber zunächst den globalen Klassenkampf gewinnen. Dazu sei weiteres Wachstum unabdingbar. Wenn der Sozialismus ökonomisch gesiegt haben wird, dann werde er für ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur sorgen können und Rücksicht auf die Umwelt nehmen – aber erst dann. Bis dahin sollte weiter der „Tonnenideologie“ gefolgt werden, also dem größtmöglichen quantitativen Wachstum. Exemplarisch ist diese Argumentation vor allem nachzulesen in dem Buch „Das Gleichgewicht der Null“ des führenden DDR-Ökonomen Jürgen Kuczynski. Doch es gab auch linken Widerspruch gehen diese SED-Propaganda. Darüber habe ich geforscht.
Bahro, Harich und Havemann ist eine radikale Wachstumskritik gemeinsam. Ihr Ziel war eine ökosozialistische Postwachstumsgesellschaft. Die DDR war aber genauso wachstumsfixiert wie die BRD. Auch das Volk sehnte sich nach den westlichen Konsumgütern. Kämpften die drei von Anfang an auf verlorenem Posten?
Ihnen war schon klar, dass die Bevölkerung und die Staatsführung sich materiell am Westen orientierten. Sie meinten aber, dass die DDR-Wirtschaft generell nicht in der Lage sei, mit dem Westen mitzuhalten. Das kapitalistische Modell lehnten die drei als überzeugte Kommunisten ohnehin ab. Es sei zwar ökonomisch überlegen, aber eben auch tödlich für das Überleben der Menschheit.
Deshalb plädierten sie dafür, in der DDR nicht mehr dem Westen nachzulaufen, sondern eine wirklich sozialistische und ökologische Gesellschaftsalternative aufzubauen. Im Unterschied zu heute bestand hierfür eine gute Grundbedingung: Das Privateigentum an den Produktionsmitteln war abgeschafft. Der Staat als Eigentümer hätte nun diese Gestaltungsmacht dazu nutzen sollen, einen ökologischen Sozialismus aufzubauen.
Sie schreiben, dass alle drei Bücher eine utopische Grundierung haben. Utopien hatten es aber im „real existierenden Sozialismus“ nicht gerade leicht. Sogar Ernst Bloch, der wichtigste marxistische Utopiendenker, hielt es in der DDR nicht lange aus. Warum?
Utopie bedeutet auf Deutsch in etwa „Nicht-Ort“. Eine Utopie analysiert kritisch die Gegenwart und zeigt eine Alternative dazu auf. Diese kann ein Schreckensbild sein, eine Dystopie. Oder sie kann eine bessere Gesellschaft zeichnen, eine Utopie. Wird nun dieses positive Gesellschaftsbild in die Realität umgesetzt, so besteht die akute Gefahr, dass der Antrieb dahinter, der utopische Impuls, zur Ideologie gerinnt. Das hat der Soziologe Karl Mannheim schon vor einem Jahrhundert beschrieben.
Meines Erachtens ist im Realsozialismus genau das passiert: Im Jahrzehnt nach der Russischen Revolution 1917 wurde aus der sozialistischen Utopie die marxistisch-leninistische Ideologie, die zur Legitimierung der Parteienherrschaft diente. Das war nun wiederum ein Zustand, der mittels neuer Utopien kritisch analysiert und mit Alternativen versehen werden musste, um den revolutionären Impuls zu bewahren. Ernst Bloch gehörte in den frühen 1950er Jahren zu jenen, die dem „Schmalspur-Marxismus“ der SED, wie er es nannte, den fehlenden Willen zur Weiterentwicklung der kommunistischen Utopie vorhielten. Dafür wurde er 1957 wissenschaftlich abgesägt und kehrte schließlich 1961 von einer Westreise nicht mehr in die DDR zurück.
Bei „Utopie“ denken viele an eine Art Schlaraffenland, in dem einem die (veganen) Brathähnchen von allein in den Mund fliegen. Harich fordert in seinem Buch „Kommunismus ohne Wachstum?“ von 1975 jedoch eine „Ökodiktatur nach dem Muster des Realsozialismus“. Der fast zehn Jahre eingekerkerte Dissident begrüßte die Unfreiheit. Für ihn kann nur eine allmächtige, undemokratische Regierung den weltvernichtenden Wachstumskurs aufhalten. Was soll daran utopisch sein?
Der Schlüssel liegt in unterschiedlichen Begriffen dessen, was „Freiheit“ sein kann. Harich war kein Anhänger des bürgerlich-liberalen Freiheitsbegriffs. Ihm ging es, so paradox das klingen mag, bei seinem streng etatistischen Gesellschaftsentwurf darum, so viele Freiheiten wie möglich und für alle Menschen langfristig zu erhalten, also die Freiheit von Hunger, die Freiheit von Umweltverschmutzung und so weiter – und das weltweit. Dazu sei eine radikale und globale Gleichheit nötig. Heutige Forderungen nach „Klimagerechtigkeit“ gehen in eine ähnliche Richtung. Hierzu müsste der Norden ökonomisch abrüsten, der Süden aber nicht die Industrialisierung nachholen. Vielmehr müssten Waren per genauer Bedarfserfassung dann zentral zugeteilt werden. Damit würden Ressourcen effektiv genutzt, Handelswege optimiert, Abfall vermieden. Das sind wichtige Fragen, die noch heute diskutiert werden.
Auf der anderen Seite übergeht Harich völlig das Risiko, dass die zukünftige ökologische Weltregierung zu einer diktatorischen und privilegierten Machtelite werden könnte. Und stellenweise kann man durchaus den Kopf schütteln, etwa bei dem Vorschlag, Menschen den Konsumtrieb in Umerziehungslagern abzutrainieren.
Havemanns 1980 erschienenen Roman „Morgen“ ordnen Sie dagegen den „anarchistischen Utopien“ zu. Hier stirbt der Staat ab und die Menschen führen ein selbstbestimmtes und hedonistisches Leben. Also das genaue Gegenteil von Harichs Vision?
Havemann beschimpft in dem Buch Harich und dessen Entwurf. Die beiden konnten sich auch persönlich nicht leiden. Beim Naturwissenschaftler Havemann liegt ein großer Technikoptimismus vor. Die Zukunftsgesellschaft ist anarcho-kommunistisch, die Menschen leben in Kommunen, sind frei von Konsumdenken, es gibt kein Geld mehr und keinen Staat, man reist ohne Autos, widmet die viele freie Zeit Bildung, Muße und freier Liebe. Das Ganze funktioniert auf Basis einer vollautomatisierten Wirtschaft. Diese ist auch am Bedarf orientiert, vermeidet Überproduktion und Luxus, findet unterirdisch und zu 99 Prozent automatisiert statt. Es wären also nur wenige technische Fachleute nötig, um den Laden am Laufen zu halten.
Havemann übergeht dabei das Risiko, dass sich diese kleine technische Elite über den Rest erheben könnte. Und er hat auch Ideen, über die man heute nur lachen kann. So würde zum Beispiel das Abwasser der unterirdischen Anlagen ins Meer geleitet, um dieses zu erwärmen. Technikoptimismus und Geo-Engineering standen nicht nur bei Havemann und Bloch hoch im Kurs, sie waren bis in die 1980er Jahre hinein Bestandteil kommunistischer Zukunftserwartung.
Bahro steht irgendwo dazwischen. Er fordert eine radikale Abkehr von der hierarchischen, unterdrückenden Gesellschaftsstruktur. Die Menschen sollen sich freiwillig von ihrem ressourcenverschwendenen Konsumverhalten abkehren. Das Bewusstsein bestimmt das Sein? Das klingt doch eigentlich nach bürgerlicher Verzichtsethik.
Bei Bahro spielt die menschliche Emanzipation eine zentrale Rolle. Er hat viel über das Dilemma nachgedacht, dass eine realisierte Utopie einen neuen Menschen braucht, also einen Menschen, der nicht mehr egoistisch, zerstörerisch, habsüchtig, neidisch ist, sondern solidarisch und auf eine höhere Stufe der Zivilisation gehoben. Nur ist solch ein Menschentypus zugleich die Bedingung für das Funktionieren einer neuen Gesellschaft. Das ist wie mit dem Huhn und dem Ei.
Bahro fragte sich, wie dieses Dilemma gelöst werden kann. Seine Idee war, diejenigen unter den Menschen, die am ehesten dem neuen Menschentypus entsprechen, als neue Machtelite einzusetzen, damit sie den Rest der Bevölkerung durch ihr Charisma und das Vorleben eines besseren Verhaltens zum Mitmachen bewegen können und zudem die politischen Weichen für den historischen Fortschritt stellen. Er warf der SED-Führung vor, durch ihren privilegierten Lebenswandel, die strengen Hierarchien in Gesellschaft und Partei sowie die Bürokratie den Sozialismus gar nicht mehr weiterentwickeln zu wollen. Bahro war zumindest zu der Zeit noch fest verankert im marxistisch-leninistischen Glauben an die historische Entwicklung hin zum Kommunismus.
Sie sagen, dass Bahro, Harich und Havemann alles andere als Freunde waren. Können Sie die persönlichen Beziehungen der Autoren zueinander skizzieren?
Die sind so kompliziert, dass hier definitiv der Platz nicht reicht. Harich kam 1964 aus dem Zuchthaus und wollte keine Opposition mehr machen, in der Haft wurde er gebrochen und diszipliniert. Havemann wurde 1964/65 zum Oppositionellen und wollte Kontakt zu Harich aufnehmen. Der hat das brüsk zurückgewiesen.
Danach wurde Havemann zum „Staatsfeind Nummer eins“ und plädierte für demokratischen Sozialismus. Harich hingegen hielt sich streng an die politischen Regeln und kritisierte fortan massiv auf legalen Wegen die SED-Politik, er schrieb also Eingaben und lange Briefe an Politiker (es waren fast nur Männer) und konfrontierte sie mit ökologischen Problemen.
Bahro kam erst später dazu, er wurde erst bekannt durch sein Buch „Die Alternative: Zur Kritik des real existierenden Sozialismus“. Nach dessen Erscheinen 1977 wurde er sofort verhaftet und 1979 in den Westen abgeschoben. Dort traf er bei den entstehenden „Grünen“ ein paarmal Harich, der zu der Zeit für zwei Jahre im Westen lebte. Enge Kontakte gab es jedenfalls nicht. Man redete mehr über- als miteinander. Natürlich auch, weil die Staatssicherheit jegliche Treffen verhindert hätte.
Die drei Kommunisten und SED-Kritiker wollten einen „anderen Sozialismus“ aber keinen „Nicht-Sozialismus“. Obwohl alle drei inhaftiert, drangsaliert und isoliert wurden, hielten sie der DDR bis zum Schluss die Treue. Haben ihre Werke mit dem Zusammenbruch des Systems also auch ihren Bezugspunkt verloren?
Das betrifft ja viele DDR-Intellektuelle und KünstlerInnen. Man schaue nur auf den Großteil derer, die nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 die DDR verlassen haben. Die meisten kamen im Westen nicht auf die Füße, es sei denn, sie spielten weiterhin die DDR-Karte. Biermann selbst ist da ein gutes Beispiel. Bahro wollte hingegen im Westen nicht den DDR-Dissidenten spielen und verlor sich in den Tiefen spiritueller Öko-Kommunen der achtziger Jahre.
Was ihre Werke betrifft: Klar, den ganzen Bezug zur DDR und zum Kalten Krieg, der ist natürlich anachronistisch. Abgesehen davon, dass heutige und zukünftige Linke diese kritischen marxistischen Texte lesen sollten, um keiner Verklärung der DDR zu erliegen. Was die ökologischen Fragen betrifft, so sind viele der damaligen Probleme nach wie vor ungelöst oder haben sich verschlimmert. Mit der Klimakrise ist ein riesiges Problem hinzugekommen. Also ja, ökologische Utopien und öko-sozialistische Alternativen sind sogar noch viel nötiger als damals.
Bahro hat sich in späteren Jahren esoterischen Ideen zugewandt. Auch mit seiner ironischen Forderung nach einem „grünen Adolf“ hat er sich unter Linken nicht gerade Freunde gemacht. Heute hat der Rechtsintellektuelle Erik Lehnert, ein Kollege von Götz Kubitschek, als Bahros Stiefsohn die Rechte am Werk. Ist Bahros Spätwerk daher mit Vorsicht zu genießen?
Wenn Elon Musk sich die Rechte am Werk von Karl Marx kaufen würde, bliebe der Inhalt ja der gleiche und würde nicht plötzlich rechts werden. Entscheidend ist nicht die Frage, wem die Rechte am Werk gehören, entscheidend ist der Inhalt.
Ich kann mit dem späten Bahro nur wenig anfangen. In der DDR war der Marxismus für ihn eine Art Ersatzreligion. Nach der Ausweisung in die BRD wandte er sich davon ab und suchte nach spirituellen „Gottheiten“. In seinem Buch „Die Logik der Rettung“ beschreibt er diese Form der Erlösung der Menschheit umfassend. Das Muster blieb witzigerweise ähnlich: Eine kleine Elite von geistig und intellektuell „Erweckten“ sollte die Gesellschaft führen, nun allerdings in eine öko-kommunitaristische Zukunft, und dabei den neuen Menschen erziehen – um sich nach Vollendung des Werkes selbst abzuschaffen.
Nachdenkenswert finde ich allerdings seinen Ansatz, dass mit der Überwindung von Kapitalismus und Industrialismus allein die ökologischen Probleme nicht gelöst wären. Patriarchat, Kriege, Eroberungen, Plünderungen, Naturzerstörung und so weiter sind schließlich viel älter als der Kapitalismus und gehören in Bahros Augen zum menschlichen Wesen. Ihn beschäftigte die Frage, ob und wie diese Jahrtausende alten Ursachen überwunden werden könnten.
In einer seiner letzten Schriften hat Bahro seine Hoffnungen auf Sahra Wagenknecht gesetzt, die damals noch Mitglied der „Kommunistischen Plattform“ der PDS war. Heute hat Wagenknecht das BSW gegründet und mit Ökologie und Klimaschutz immer noch nicht viel am Hut. Hat Bahro sich auch hier getäuscht?
Nicht nur Bahro, auch Harich hat für Wagenknecht plädiert und in ihr eine Hoffnungsträgerin gesehen. Sie stand innerparteilich in Opposition zu den „Realos“, wollte die PDS als reine Oppositionspartei etablieren und relativierte dabei stalinistisches Unrecht. Das machte sie nicht nur für Bahro und Harich interessant. Beide sahen in ihr eine so verheißungsvolle Hoffnungsträgerin, dass sie ihr jeweils politische Entwürfe widmeten. Vermutlich haben sie in ihr auch die Gralshüterin eines modernen Leninismus vermutet.
Schaut man auf die Gegenwart, so hat das Gespür der beiden Intellektuellen diesbezüglich nicht völlig versagt: Zwar hat sich Wagenknecht vom Kommunismus losgesagt und nur wenig für ökologische Fragen übrig. Sie ordnet sie der Ökonomie und kleinbürgerlichen Wohlstandsversprechen unter, vertritt mittlerweile einen ordoliberalen Industriekapitalismus. Das ist das Gegenteil dessen, was Bahro, Harich und Havemann forderten. Immerhin hat sie mit dem BSW aber eine Organisation geschaffen, die Lenins „demokratischen Zentralismus“ ins 21. Jahrhundert holt: Es gibt eine Führungsperson mit Personenkult an der Spitze, darum gruppiert sich ein elitärer Führungszirkel, der an ZK und Politbüro erinnert, innerparteiliche Demokratie funktioniert von oben nach unten, und Mitglied darf nur werden, wer persönlich dazu passt und eine Kandidaturzeit übersteht. Das entspricht zumindest Bahros und Harichs Verständnis von politischer Elitepartei, allerdings ideologisch entkernt.
Bahro und Havemann hatten zeitweise den Linke-Politiker Gregor Gysi als Anwalt. Bis heute halten sich Gerüchte, dass Gysi seine Mandanten für die Stasi ausspioniert habe. Der Politiker ist mehrfach rechtlich gegen diese Behauptung vorgegangen. Sie kennen die Akten. Ist an den Gerüchten was dran?
Dazu kann und will ich mich nicht in juristischen Details äußern, die unterschiedlichen Sichtweisen finden sich in vielen Interviews mit den beteiligten Akteuren. Die Söhne von Havemann und Bahro haben nach 1990 jedenfalls Gysi in Schutz genommen, während er von Teilen der ehemaligen DDR-Bürgerrechtsbewegung beschimpft wurde und wird. Harich hingegen hatte kein gutes Verhältnis zu Gysi. Er war der Meinung, dass Gysi in der PDS gegen ihn intrigiere und verhindern wolle, dass er dort zu Wort kommt. Das war auch ein Grund für Harich, Wagenknecht zu unterstützen.
Sie sagen, Bahro, Havemann und Harich seien anachronistisch und hochaktuell zugleich. Anachronistisch, weil „der historische Entstehungskontext wenig mit der Gegenwart gemein hat“. Aktuell seien sie wegen ihrer Wachstumskritik und der Entwicklung von Postwachstumsmodellen. Tatsächlich lässt sich etwa Harichs „Öko-Leninismus“ bei dem Ökologen und Aktivisten Andreas Malm wiederfinden. Im letzten Bestseller von Ulrike Herrmann findet man Forderungen, die vielleicht eine Art Light-Version dieser Thesen sind. Lohnt es sich also, die Bücher der drei heute zu lesen?
Ideengeschichtlich sind die Bücher interessant. Vieles, was heute im Bereich Postwachstum vorgeschlagen wird, gab es bereits in den 1970ern, auch bei zahlreichen anderen Autoren. Bahros „Alternative“ liest sich definitiv am zähesten und ist wohl auch am wenigsten für uns heute interessant, es sei denn, man interessiert sich für zeitgenössische Kritik am Realsozialismus. Harichs Buch besteht aus langen Interviews, die der westdeutsche Sozialdemokrat Freimut Duve mit ihm geführt hat. Es liest sich recht kurzweilig, weil beide die Konfrontation nicht scheuen und durch diesen Dialog viele Probleme auf den Punkt bringen, die heute durchaus noch relevant sind. Havemann hingegen war kein großer Literat. Er war aber Humanist, und etwas mehr Humanismus kann uns heutzutage sicherlich gut tun.
Nehmen wir einmal an, dass der Bundespräsident bei seiner Neujahrsansprache aus einem der drei Bücher vorlesen würde. Welches sollte er wählen? Haben Sie vielleicht ein passendes Zitat parat?
Ich möchte korrigieren: Der Bundespräsident ist für die Weihnachtsansprache zuständig, Neujahr macht der Kanzler. Wenn er noch eine minimale Chance auf Wiederwahl haben will, würde ich ihm vom Zitieren kommunistischer Ökoliteratur dringend abraten.
Vielen Dank!
Interview: Johann Thun
Weitere Informationen: alexander-amberger.de