Aus DER RABE RALF Dezember 2024/Januar 2025, Seite 6
Wie Umweltschutz Kulturen verbindet – ein Workshop im Interkulturellen Garten Lichtenberg
Ein warmer Spätsommernachmittag im Interkulturellen Garten Lichtenberg. Die Kinder rennen zwischen den Pflanzen umher, einige arbeiten in ihren Parzellen, die Küche ist voll und der Holzofen brennt kräftig. Nach und nach versammeln sich Familien aus verschiedenen Teilen der Welt um einen großen Tisch mit einer langen, bunten Tischdecke inmitten des Gartens. Eine Gruppe iranischer Frauen verteilt Āsch, eine typische Suppe aus dem Iran, und neugierig nähern wir uns alle, um neue Geschmäcker und Gerüche zu entdecken. Während ich auf meinem Platz warte, steigt der Duft der hausgemachten Suppe in meine Nase und erinnert mich an mein Zuhause und die Familienfeiern in Kolumbien, meinem Herkunftsland. Sasha aus der Ukraine bietet mir Wareniki an. Mein Gaumen erkennt sie als köstliche „ukrainische Empanadas“ mit Kartoffeln und Pilzen. „Gefüllte Teigtaschen – vielleicht ist das etwas, das uns als Menschheit vereint“, sage ich zu Sasha.
Naturerfahrung plus Müllvermeidung
Anlass des interkulturellen Treffens ist die Nachhaltigkeitswoche in Berlin, in der verschiedene soziale Initiativen und Einrichtungen nachhaltige Praktiken und den interkulturellen Wissensaustausch fördern. Es gibt diverse Veranstaltungen – von Müllsammelaktionen über Flohmärkte bis zu Bastelworkshops mit recycelbaren Materialien, bei denen alles Mögliche hergestellt wird: Buchumschläge aus Plastiktüten, natürliche Seifen und vieles mehr.
An diesem Tag bietet der Verein Compango einen Workshop zum Herstellen von Bienenwachstüchern an. Das sind wiederverwendbare Stofftücher, die mit Bienenwachs imprägniert werden, um Lebensmittel zu konservieren. Der Workshop ist Teil des Projekts „Nature welcomes Zero Waste“, das von der Stiftung Naturschutz Berlin aus Mitteln des Förderfonds der Abfallberatung finanziert wird und darauf abzielt, das Thema Mülltrennung und Recycling bei ukrainischen Migrant:innen in Berlin positiv zu besetzen. Dazu werden Ausflüge in die Natur organisiert, in die Aufräumaktionen und abfallwirtschaftliche Themen integriert werden. Indem Naturerfahrung mit Abfallvermeidung und Ressourcenschonung verbunden wird, sollen die Teilnehmenden motiviert werden, sich für einen nachhaltigen Lebensstil in ihrem Umfeld einzusetzen.
Auf dem Grill
„Für uns bei Compango ist es entscheidend, Nachhaltigkeit und Umweltschutz ganzheitlich zu betrachten und dabei immer den sozialen Kontext im Blick zu haben“, erklärt mir Rudi Piwko, der Leiter des Vereins. „Man kann das eine nicht vom anderen trennen.“
„Die Herstellung der Bienenwachstücher ist relativ einfach, jeder kann das zu Hause machen“, sagt Volodimir, der Workshopleiter, während wir die benötigten Materialien und Utensilien auf dem Arbeitstisch vorbereiten: Stoffreste – idealerweise aus Baumwolle –, Bienenwachs, Backpapier, Scheren und einen Kontaktgrill.
Volodimir zeigt uns, wie es geht. Zuerst wird ein Stoffrest auf die gewünschte Größe und Form zugeschnitten. Dann werden einige Perlen Bienenwachs bei niedriger Temperatur auf der Grillplatte auf Backpapier geschmolzen. Der Stoffrest wird auf die Grillplatte gelegt und mit weiteren Wachsperlen von oben imprägniert. Eine weitere Schicht Backpapier wird aufgelegt und mit dem oberen Teil des Grills erhitzt. Wenn man keinen solchen Grill hat, kann dies auch mit einem Blech und einem Bügeleisen gemacht werden. Schließlich wird das Bienenwachstuch von der Grillplatte genommen und an der Luft getrocknet.
Weniger Einwegplastik
Beim Workshop sind alle begeistert und wollen jetzt ihr eigenes Bienenwachstuch herstellen. Sogar einige Kinder wagen sich an kreative Designs in Form von Sternen oder Herzen, dekoriert mit Zeichnungen.
„Wie kann ich das Bienenwachstuch verwenden?“, fragt Nadiia. „Man kann fast alle Arten von Lebensmitteln damit aufbewahren – Obst, Nüsse, Käse, Sandwiches, Gebäck oder Snacks – und sogar Behälter damit abdecken“, erklärt Volodimir. „Allein mit der Wärme deiner Hände kannst du es in die gewünschte Form bringen und mit einem Gummiband oder einer Schnur befestigen.“ So bleibe das Essen frisch, ohne Einwegplastik verwenden zu müssen.
Er gibt noch ein paar wichtige Tipps für die Verwendung. Es sollten keine warmen Lebensmittel in das Bienenwachstuch eingewickelt werden, da das Wachs schmelzen kann. Das Tuch sollte nur mit kaltem Wasser und einer milden Seife abgewaschen werden, um zu vermeiden, dass das Wachs abblättert. Wenn das Bienenwachs abgenutzt ist, kann das Tuch erneut mit Wachs imprägniert werden, um es weiterhin zu verwenden.
Was uns als Menschen vereint
Nachdem ich mein eigenes Bienenwachstuch hergestellt und einige Anekdoten über unsere Erfahrungen als Migrant:innen in Berlin ausgetauscht habe, wird mir klar: Vielleicht ist es mehr als nur gefüllte Teigtaschen, was uns als Menschen vereint. Es ist auch unser Einfallsreichtum und unsere Kreativität, Lösungen zu finden. So war der Nachmittag mit Compango am Ende nicht nur ein Workshop über Bienenwachstücher, sondern auch ein interkultureller Raum, in dem alle Arten von Wissen geteilt wurden: kulinarische Kenntnisse, künstlerische Kreativität und nachhaltige Praktiken zum Schutz der Umwelt.
David Rojas
Der Autor ist Hospitant bei der Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Naturschutz Berlin.
Weitere Informationen: www.compango.org