Nasser Brückenhasser
Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 9
Der Fischotter ist Wildtier des Jahres 2021
Er ist ein Meisterschwimmer, Pelzträger, Brückenhasser und vom Aussterben bedroht: Der Fischotter (lutra lutra) ist Wildtier des Jahres 2021. Die niedlichen Marder leben sowohl im Wasser als auch an Land, weshalb sie naturnahe Gebiete mit ruhigen Flüssen, Bächen und Seen sowie ausreichenden Versteckmöglichkeiten an den Ufern bevorzugen. Auch die Gewässerqualität und ein üppiger Fischbestand entscheiden über die Wahl des Lebensraums mit. Die immer kleiner werdenden Lebensräume sorgen jedoch dafür, dass der Fischotter eine bedrohte Art bleibt.
Geschickte Schwimmer
In naturnahen, wasserreichen und wenig zerschnittenen Gebieten finden Fischotter die besten Lebensbedingungen. In Deutschland sind die Tiere daher hauptsächlich in östlichen Regionen wie dem Spreewald und der Mecklenburgischen Seenplatte anzutreffen. Es gibt sogar gute Nachrichten: Die Bestände erholen sich langsam, nachdem Fischotter jahrhundertelang als Schädlinge bekämpft und gejagt wurden – wegen ihrer kostbaren Pelze. Anders als die meisten Meeressäuger haben Otter nämlich keine wärmende Fettschicht, sondern ein extrem dichtes Fell, das sie vor dem Auskühlen schützt. Zum Vergleich: Menschen besitzen auf einem Quadratzentimeter Kopfhaut durchschnittlich 200 Haare, bei Fischottern können es auf der gleichen Fläche bis zu 70.000 sein.
Fischotter sind äußerst geschickte Schwimmer und Taucher. Bis zu sieben Minuten können die Marder unter Wasser verbringen. Dank der Schwimmhäute an ihren Pfoten können sie sich auch im Wasser ziemlich schnell fortbewegen und sind gute Jäger. Bei der Jagd liegen die Sinnesorgane knapp über der Wasseroberfläche, was eine gezielte und effektive Jagd möglich macht. Die ist für die Otter äußerst wichtig, weil sie aufgrund ihres Stoffwechsels einen besonders hohen Energiebedarf haben. Täglich nehmen sie zwischen 15 und 25 Prozent ihres Körpergewichts an Nahrung zu sich. Bei Nahrungsknappheit kann es sogar vorkommen, dass männliche Otter fremde Jungtiere als „Geiseln“ nehmen und sie nur im Tausch gegen Nahrung wieder freilassen. Anders als bei den Lebensräumen sind die Tiere bei ihrem Speiseplan wenig wählerisch und fressen alles, was sie fangen können. Neben Fischen sind das zum Beispiel auch Kleinsäuger und Amphibien.
Erzfeind Straße
Obwohl sich die Bestände langsam zu erholen scheinen, steht der Fischotter nach wie vor als bedrohte Tierart auf der Roten Liste. Da er in Deutschland keine natürlichen Fressfeinde hat, ist neben wasserbaulichen Maßnahmen der Straßenverkehr die größte Gefahr. Aus bisher ungeklärten Gründen vermeiden Fischotter es grundsätzlich, unter Brücken hindurchzuschwimmen, und wählen stattdessen den Umweg über die Straße, die ihnen in vielen Fällen zum Verhängnis wird. Deshalb sind aktive Schutzmaßnahmen nötig. Neben dem Schutz und der Renaturierung von Gewässern zählt dazu auch eine ottergerechte Gestaltung von Brücken.
Lenja Vogt
Weitere Informationen: www.bund.net
Und täglich grüßt die Dänische Eintagsfliege
Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 23
Das Insekt des Jahres 2021 blickt auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück
Zwischen Mai und September sieht man sie am Ufer von Bächen, Flüssen und Seen durch die Luft schwirren. Nur zwei bis vier Tage ist die Dänische Eintagsfliege unterwegs, dann hat sie ihre Aufgabe erfüllt und sich fortgepflanzt und stirbt. Doch wer nun mitleidsvoll auf das eigenartige Insekt blickt, unterschätzt es gewaltig.
Eintagsfliegen und ihre Vorfahren waren bereits vor etwa 355 Millionen Jahren im Unterkarbon unterwegs – also noch vor den Dinosauriern. Im Vergleich dazu sind wir Menschen ein Fliegenschiss in der Erdgeschichte. Die ältesten Funde von Homo sapiens sind mickrige 315.000 Jahre alt. Erst vor etwas mehr als tausend Jahren kamen dann einige Menschen auf die Idee, das Königreich Dänemark zu gründen. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Namensgebung der Dänischen Eintagsfliege (Ephemera danica)! Offiziell getauft wurde sie aber erst im Jahr 1764. Danach hat es noch mal 257 Jahre gedauert, bis die Dänische Eintagsfliege endlich mit dem Titel „Insekt des Jahres“ geehrt wird. Das fliegende Relikt scheint zum Glück geduldig zu sein.
Paarung ohne Dinner
Ein bis drei Jahre lebt es als Larve am Grund von Gewässern in einer selbstgebauten Röhre, frisst organisches Material und atmet über Kiemen am Hinterteil. Man könnte sagen: typisch Jugendliche! Doch während die meisten Insekten sich ganze vier- bis achtmal häuten, bevor sie erwachsen sind, legt sich die Dänische Eintagsfliege nicht weniger als 20- bis 30-mal eine neue Haut zu. Bei ihrer vorletzten Häutung setzt sie auf einen Spezialeffekt: Zwischen der alten und der neuen Haut bildet sich eine Luftschicht. Die sorgt für Auftrieb und die Larve schwebt zur Wasseroberfläche. Die Haut platzt auf und die flugfähige Sub-Imago startet ihren ersten Ausflug an Land. Doch irgendwas ist faul im Staate Dänemark … richtig, die Entwicklung der Dänischen Eintagsfliege ist immer noch nicht abgeschlossen – so viel zum Thema Geduld. An einem geschützten Plätzchen häutet sie sich ein letztes Mal und ist nun eine Imago, ein fortpflanzungsfähiges ausgewachsenes Insekt.
Der Nachteil der ganzen Umbaumaßnahmen: Die Mundwerkzeuge sind wegrationalisiert worden und der Darm umfunktioniert, was eine Nahrungsaufnahme unmöglich macht. Die Paarung muss also ohne vorheriges Dinner stattfinden. Die Kopulation passiert ganz sportlich im Flug. Das Weibchen fliegt dann im Zickzack-Kurs über dem Gewässer, in das es immer wieder mit dem Hinterleib eintaucht, um die Eier portionsweise abzulegen. Und dann beginnt der ganze Zyklus zum abermillionsten Mal von Neuem.
Sarah Buron
Weitere Informationen: www.dgaae.de