Aus DER RABE RALF Dezember 2024/Januar 2025, Seiten 2, 8/9, 25
Für Wessis nicht einfach
Bundesumweltministerin würdigt revolutionäre Ökologinnen und Ökologen der DDR
Wenn das Bundesumweltministerium heute feststellt: „Die massive Umweltzerstörung in der DDR war einer der Auslöser für die friedliche Revolution im Jahr 1989“, dann hat das sicherlich auch etwas damit zu tun, dass die aktuelle Ministerin Steffi Lemke selbst aus der ostdeutschen Umweltbewegung kommt. Sie war es auch, die zusammen mit Leif Miller, dem Vorsitzenden der Grünen Liga Berlin, Anfang November in ihr Ministerium einlud, um die damaligen Aktiven ausgiebig zu würdigen.
Da etliche von ihnen selbst gekommen waren, geriet der Abend zu einer Art Ost-Öko-Familientreffen. Als Wessi hatte man es hier nicht leicht, denn die verdienstvolle Schwedter Naturschützerin Rotraut Gille stellte gleich zu Anfang mit Blick auf die eigene Partei fest: „Ostgrüne verstehen was von Naturschutz, Westgrüne nicht.“ Anschließend holte sie zu einem Rundumschlag über die zu dem Zeitpunkt noch intakte Ampelregierung aus. Die Ministerin, die nur zwei Stühle weiter saß, wurde von Gilles Fundamentalkritik ausdrücklich ausgenommen, was sie mit ironischem Aufatmen quittierte.
Anschließend durfte Michael Succow wieder einmal schildern, wie er es als Vizeminister mit seinen Freunden geschafft hatte, kurz vor der Machtübernahme der BRD sein Nationalparkprogramm durchzusetzen und damit zu verhindern, „dass die DDR ausgeraubt wurde“. Stolze 12 Prozent der DDR-Fläche wurden dabei zum Großschutzgebiet.
Klaus Schlüter, 1990 Minister ohne Parteibuch und Geschäftsbereich und langjähriger Vorsitzender der Grünen Liga, erläuterte, dass es drei Säulen der DDR-Umweltbewegung gab: die „klassischen“ Naturschützer, kirchliche Gruppen und die staatlich geduldete Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU). In der Wende kam es allerdings bald zum Schisma: Die einen gingen in die Parteien, vor allem die Grüne Partei, die anderen wollten weiter Basisarbeit machen und gründeten die Grüne Liga. Schlüter würdigte zwar alle Erfolge, bedauerte aber, dass viele hoffnungsvolle Vorhaben aufgegeben werden mussten, etwa der Verfassungsentwurf des Runden Tisches (in dem Naturschutz eine große Rolle spielt) oder auch die Einsetzung von Brechts Kinderhymne „Anmut sparet nicht noch Mühe“ als gemeinsame Nationalhymne.
Daraufhin merkte die Umweltministerin an, dass es zwar mit dem Grundgesetz nun eine gemeinsame Verfassung gebe, „die wertvolle Arbeit der Verfassungskommission aber tatsächlich verschüttet wurde“. Sie konnte, da kein „Bild“-Reporter anwesend war, auch offen zugeben: „Ich habe am 3. Oktober die Nationalhymne nicht mitgesungen, weil wir da noch was aufzuarbeiten haben.“
Wie gesagt: Für Wessis war der Abend nicht einfach. Aber das muss ja auch nicht immer sein.
Johann Thun
Seen unter Stress
Berliner Kleingewässer waren eines der Themen auf der Seenfachtagung 2024
Am 14. November fand in der Villa Elisabeth in Berlin-Mitte die bundesweite Seenfachtagung 2024 statt, veranstaltet von der Stiftung Living Rivers und der Grünen Liga Berlin gemeinsam mit dem Global Nature Fund, dem NABU-Seenfachausschuss, dem Netzwerk Lebendige Seen und dem Wassernetz Berlin.
728 Seen in Deutschland sind nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie „berichtspflichtig“. Davon erreicht nur jeder vierte den geforderten guten ökologischen Zustand. Für die meisten Seen mit einer Größe unter 50 Hektar, die nicht unter die EU-Richtlinie fallen, findet kein vergleichbares Monitoring statt.
Klimawandel erschwert Sanierung
Zu den wesentlichen Einflussfaktoren für die Seenqualität zählen die Nährstoffbelastung vor allem aus der Landwirtschaft, der Uferverbau und der Eintrag von Umweltgiften. Die trockenen Jahre ab 2018 haben die Seen zusätzlich unter Stress gesetzt und der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Anforderungen an erfolgreiche Seensanierungen steigen, denn bei akutem Wassermangel und höheren Seentemperaturen verstärken sich die Tendenzen zur Eutrophierung.
Im Rahmen der UN-Klimakonferenzen wurde im Jahr 2023 eine „Freshwater Challenge“ ausgerufen, eine Süßwasser-Initiative mit dem Ziel, die Gewässer-Biodiversität besser zu schützen. Auch in den strategischen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, den sogenannten SDGs, ist der Schutz der Süßwasserlebensräume verankert, sowohl im Ziel 6 zum Schutz des Wassers als auch im Ziel 15 zu Landökosystemen, unter die auch Feuchtgebiete, Seen und Flüsse gezählt werden.
Berliner Seen brauchen Wasser
Auch in Berlin ist der Einfluss von Temperatur und Verdunstung auf die Seen deutlich spürbar. Der Wasserstand im Groß Glienicker See bei Kladow ist seit 1970 um etwa 2,40 Meter abgesunken. Der Trend hat sich in den vergangenen acht Jahren sogar noch beschleunigt, auf fast 13 Zentimeter jährliches Absinken. Dem fallen vor allem die Flachwasserzonen im Uferbereich zum Opfer. Der Groß Glienicker See liegt im Einflussbereich von Brunnengalerien der Berliner Wasserbetriebe, und die Entnahmen zur Gartenbewässerung steigen in Trockenjahren deutlich an. Ein Brunnenkataster zur Erfassung der privaten Entnahmen gibt es in Berlin allerdings nicht.
Der Weiße See in dem nach ihm benannten Stadtteil weist augenscheinlich einen ausgeglichenen Wasserhaushalt auf. Allerdings werden hier jährlich etwa 50.000 Kubikmeter gereinigtes Grundwasser zugeführt, während der Grundwasserstand im weiteren Einzugsgebiet, zu dem auch der Obersee, der Orankesee und einige Teiche gehören, sinkt. Hier gibt es erste Überlegungen, das Regenwasser aus der Kanalisation fernzuhalten und zur Grundwasseranreicherung zu nutzen.
Rund 44 Prozent der Berliner Kleingewässer leiden deutlich unter den Folgen der Trockenheit. Mit Hilfe der Regenwasseragentur und mit extra für den Schutz der Kleingewässer bereitgestellten Mitteln soll hier Abhilfe geschaffen werden.
Fraßschäden durch gebietsfremde Arten
Beim Naturschutztauchen in vielen Seen fallen immer wieder auch die Fraß- und Wühlschäden auf, die Karpfen und andere Fische aus künstlichem Besatz an der Unterwasservegetation anrichten. Auch übermäßiges Anfüttern trägt zum Nährstoffeintrag bei. Aus Niedersachsen wird zudem von Fraßschäden durch Nutrias am Dümmer berichtet. Mobile Steinkörbe können hier zur Wiederherstellung der Schilfbestände eingesetzt werden.
Michael Bender
Der Autor leitet das Berliner Büro der Stiftung Living Rivers und die Bundeskontaktstelle Wasser der Grünen Liga. Weitere Informationen: www.living-rivers.eu und www.grueneliga.de/wasser
Dominostein gefällig?
Mit „Summ sala blüh“-Domino und -Kartenspiel die Berliner Stadtnatur ins (Klassen-)Zimmer holen
Im Winter die Berliner Stadtnatur entdecken? Ja, das geht: gemütlich im muckelig warmen Wohnzimmer bei einer heißen Schokolade oder einem Tee zu einem leckeren Dominostein oder Zimtstern könnt ihr mit „Summ sala blüh – das Domino“ und dem gleichnamigen Kartenspiel fünf verschiedene Lebensräume, 12 Pflanzen und 14 Krabbeltiere zu einem bunten Spaziergang durch Berlin zusammenlegen. Was verbindet den Grunewald mit den Karower Teichen? Wer sprießt am Straßenrand am Alex, zwischen Autos, Menschen und Hochhäusern? Ist da ein Zebra oder ein Tiger ins Netz gegangen? Spielt das Domino und geht auf Großstadtsafari, um die ökologischen Zusammenhänge der Stadtnatur zu erleben. Spielerisch wird deutlich, warum grüne Wege und Trittsteinbiotope unbezahlbar sind für ein grünes und lebendiges Berlin.
Wenn der Winter dann vorbei ist und es wieder summt und brummt, könnt ihr mit uns auch draußen wieder auf Entdeckungstour gehen. Wir bieten Führungen für alle in verschiedene Lebensräume an. Die ersten Termine werden im März bekannt gegeben.
Jetzt den Klassenausflug planen
Sie sind Lehrkraft? Dann ist jetzt die beste Zeit, ans nächste Schulhalbjahr zu denken. Wie wäre es mit einer Entdeckungstour in den Grunewald oder um die Schule? Sprechen Sie uns an und planen Sie Ihren Ausflug mit der Schulklasse. Bei den Entdeckungstouren werden wir sicher auch die eine oder andere faszinierende Pflanze und ein paar Krabbeltiere aufspüren. Wer dann eifrig Fotos macht, kann direkt bei unserem Foto-Wettbewerb mitmachen und tolle Preise gewinnen – mehr dazu in Kürze.
Übrigens können Schulklassen in Berlin ab dem Frühjahr auch eine große Version des Dominos ausleihen, zusammen mit dem Kartenspiel und der Handreichung mit Ideen und Anregungen für einen Projekttag bei uns und bei anderen Stellen in Berlin. So lässt sich die Berliner Stadtnatur auch ins Klassenzimmer holen.
Das Domino, das Kartenspiel und demnächst auch die begleitende Handreichung können auf der Projektwebseite heruntergeladen werden. Bastelt euer eigenes Domino, legt es einem lieben Menschen unter den Baum und spielt gemeinsam.
Lena Assmann, Anke Küttner
Das Projekt Summ sala blüh wird gefördert von der Senatsumweltverwaltung. Weitere Informationen und Kontakt: stadtgruen@grueneliga-berlin.de, www.summsalablueh.de
Du brauchst Hilfe beim Anlegen eines Trittsteinbiotops? Komm in die Online-Sprechstunde jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat von 17 bis 18 Uhr via Zoom.
Adventsökomarkt am Kollwitzplatz
Wer noch kein Geschenk hat oder einfach nur angenehm bummeln möchte, ist hier richtig
Wer sich in der stressigen Vorweihnachtszeit einen entschleunigten Weihnachtsbummel wünscht, ist genau richtig auf dem Adventsökomarkt am Kollwitzplatz, der an allen vier Sonntagen vor Weihnachten auf der Wörther Straße zwischen Knaack- und Kollwitzstraße stattfindet.
Dort gibt es wie jedes Jahr ein vielfältiges Angebot und Programm. Wer Geschenkideen sucht und gerne kleine Manufakturen und hiesige Künstler*innen unterstützen möchte, wird bestimmt fündig. Die filigranen und mit Liebe hergestellten Unikate auf der Tiffanyglas-Werkstatt von Walter Franz sind hier genauso zu nennen wie die handgefilzten Figuren und der Weihnachtsbaumschmuck von Madame Zorro. Auch die Honig- und Bienenwachsspezialitäten von Nils Olaf Dube vom Stadtgut Blankenfelde oder die Dattel- und Nussmusvarianten von Yusuf Durhat sind köstliche Geschenkideen.
Für Familien und Engagierte
Es gibt aber auch Keramik, Feinkost, nachhaltige Papeterie, Spiele, Kosmetik, Kerzen und so einige Dinge mehr, die Freude machen und trübe Tage heller werden lassen. Wer zum Jahresende lieber Projekte und gemeinnützige Initiativen unterstützen möchte, kann sich an Infoständen beraten lassen. Für das leibliche Wohl sorgt eine Vielfalt bekannter und neuer Bio-Gastronomie mit herzhaften wie süßen Snacks oder Heißgetränken mit und ohne Alkohol.
An den ersten drei Sonntagen schaut der Reiterhof Kosa mit seinen Ponys vorbei und Kinder können staunen, streicheln und eine Runde reiten. Am Stand der Grünen Liga Berlin gibt es ein buntes Programm aus Weihnachtsgeschichten lesen, Adventsliedern singen, Basteln und Kinderschminken.
Projekte stellen sich vor
An jedem Adventssonntag wird ein anderes Projekt der Grünen Liga Berlin vorgestellt. Den Anfang macht die Infokampagne „Märkte mögen – Mehrweg lieben“. Hier kann man Mehrweg zum Anfassen erleben. Es gibt eine Tassen- und Taschentauschstation, Zielgenauigkeit kann beim „Einwegwerfen“ getestet werden und eine befreundete Upcycling-Initiative liefert nachhaltige Geschenkideen.
Am 8. Dezember stellt sich „Summ sala blüh!“ vor und es darf gespielt werden. Das Team des Umweltbildungsprojekts zeigt mithilfe von Riesendomino und Kartenspiel, wie artenreich die Stadtnatur vor der Haustür ist. Hier können Kinder wie auch Erwachsene bestimmt noch einiges lernen.
Am dritten Advent flattert der Rabe Ralf vorbei und zeigt sich kurz vor Weihnachten noch mal im alten Gefieder. Um 14 Uhr macht Kochbuchautorin Luise Unser Lust auf „Wilde Wurzeln“, um 15 Uhr wird den Kindern Katrin Wähners Geschichte „Theos Traum vom Fliegen“ vorgelesen und um 16 Uhr stellt Björn Kuhligk seine „Berlin-Beschimpfung“ vor (siehe S. 23). Die Redaktion gewährt Einblicke in das Entstehen der Umweltzeitung und die Besuchenden können die Köpfe dahinter kennenlernen.
Übrigens: Als Beitrag zur Abfallvermeidung bieten unsere Bio-Gastronom*innen ihre Speisen und Getränke ausschließlich in Mehrweggeschirr an. Vor Ort kann dieses an unserem Spülmobil, das seine Premiere feiert, direkt gereinigt werden.
Susanne Dittmar
Adventsökomarkt am Kollwitzplatz, 1., 8., 15. und 22. Dezember, 12-19 Uhr, Wörther Str. 34-39, Prenzlauer Berg. Weitere Informationen und aktuelles Programm: www.grueneliga-berlin.de/adventsoekomarkt
Eine lockere Mischung
Der Ökomarkt am Kollwitzplatz und seine unverfälschte Klientel
Ein Donnerstagmorgen am Kollwitzplatz. Heller Sonnenschein lässt das herumliegende Herbstlaub in bunten Farben leuchten. In die Nase steigt der betörende Geruch frisch gerösteter Kaffeebohnen, der von einem possierlichen Wägelchen ausgeht. Nur wenige Meter entfernt zieht ein Odor von deftig geräuchertem Fisch auf, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft.
Wir sind auf dem Ökomarkt der Grünen Liga Berlin. Um uns herum lustwandeln interessierte Besucher, durchstöbern die angebotenen Waren an den Ständen, plaudern, tratschen und schaukeln ihre Babys. Ein über die Szene schweifender Blick verrät uns, wer hier so alles zusammenkommt: herb anmutende Ökofreaks, modebewusste Jugendliche in kleinen Grüppchen, naturverbundene Anwohner, angelockte Touristen, ausgelassene Familien, bedächtige Senioren, Rollstuhlfahrer, eifrige Politaktivisten und elegante Damen, manche mit Wauwau an der Leine.
Gestillte Sehnsüchte
Sie alle suchen etwas, das selten geworden ist in einer auf Hochtouren rotierenden Welt: eine Atempause, ein wenig Heimeligkeit in schöner Atmosphäre, soziale Nähe, Ruhe und Geborgenheit. Und sie suchen noch etwas: gute, ehrliche Produkte, die dem Körper wohltun und der Erde huldigen.
Auf dem Ökomarkt am Kollwitzplatz mit seinen hübsch verzierten Straßenlaternen werden diese Sehnsüchte gestillt. Von knorrigem Gemüse, frischen Back- und Fischspezialitäten und süßen Delikatessen erstreckt sich das Angebot der Händler über handgewebte Textilien, selbstgezimmerte Möbel und duftende Hölzer bis zu glitzerndem Schmuck und lustigem Spielzeug. Da ist ganz sicher für jeden was dabei. Vieles ist auch gar nicht so teuer, wie man vielleicht anzunehmen geneigt ist. An nicht wenigen Ständen lassen sich sogar richtige Schnäppchen machen. Das mag so manchen überraschen, der den Prenzlauer Berg schon ganz dem Hipstertum verfallen sieht.
Seit über 20 Jahren bietet dieser Ökomarkt Menschen aller Art einen Zugang zu gesunder Kost und ansprechendem Handwerk. Er bildet einen eigenen Kosmos, in dem sich wundervoll einander begegnen und austauschen lässt.
Benni Belger
Weitere Informationen: www.grueneliga-berlin.de/oekomarkt