Kritisch und selbstkritisch

Aus DER RABE RALF April/Mai 2020, Seite 22

Bei einer Studie über Jugend und Umwelt konnten Jugendliche auch mitreden

„Umwelt und Klima: Wohin wollen wir?“ Unter diesem Titel wurden auf einem Forum Ende Januar in Berlin die Ergebnisse der Studie „Jugend? Zukunft fragen!“ vorgestellt. Die etwa 60 jugendlichen Teilnehmer diskutierten über ihre daraus entwickelten Forderungen mit der Bundesumweltministerin und dem Präsidenten des Umweltbundesamtes.

Die Studie wurde von Sommer 2017 bis Dezember 2019 vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag des Umweltministeriums zum zweiten Mal durchgeführt und ist als Erweiterung zur zweijährigen „Umweltbewusstseinsstudie“ des Ministeriums gedacht. Die Besonderheit der IÖW-Studie ist der eigens eingerichtete Jugendprojektbeirat, dem ich als einer von zehn Jugendlichen angehöre. Wir haben die Studie während ihrer gesamten Laufzeit begleitet und dabei immer wieder zusammen mit dem Forschungsteam am IÖW recherchiert, diskutiert und Ergebnisse kommentiert.

Kein Abschieben der Verantwortung

Hauptbestandteil der Studie war eine Erhebung mit rund tausend repräsentativ ausgewählten Jugendlichen. Auf die Frage, welche der aktuellen Probleme sie am meisten beschäftigten, nannten 78 Prozent der Befragten den Umwelt- und Klimaschutz als „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“. Damit rangiert der Umweltschutz auf Platz drei der wichtigsten politischen Themen, hinter dem Zustand des Bildungssystems (80 Prozent) und der sozialen Gerechtigkeit (81 Prozent).

Interessant war auch das folgende Ergebnis: 61 Prozent der Befragten gaben an, dass „jede und jeder Einzelne“ einen wichtigen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz leisten könnten. Erst danach folgte die Industrie (50 Prozent) und die Bundesregierung (48 Prozent) sowie Umweltverbände und weitere Akteure. Allerdings stellten die Befragten genau diesen drei wichtigsten Akteuren ein sehr schlechtes Zeugnis in ihren Taten aus. Nur 15 Prozent fanden, die Industrie tue „genug“ oder „eher genug“ für den Umwelt- und Klimaschutz, von der Bundesregierung sagten das 22 Prozent und dass „jede und jeder Einzelne“ genug oder eher genug tue, fanden nur 21 Prozent. Dass Jugendliche die Verantwortung nur Politik und Wirtschaft zuschreiben, lässt sich nicht bestätigen, ganz im Gegenteil. Gleichzeitig wird selbstkritisch erkannt, dass nicht nur diese beiden Akteure, sondern eben auch jede und jeder für sich bisher nicht genug getan hat.

Politische Forderungen

Anfang Februar haben wir mit zusätzlich eingeladenen Jugendlichen bei einem Treffen in Heidelberg Forderungen an die Politik formuliert. Dabei orientierten wir uns sowohl an den bisherigen Ergebnissen der Studie als auch an weiteren Forderungen, zum Beispiel denen von Fridays for Future. Am folgenden Tag stellten wir diese Forderungen auf einer Jugendklimakonferenz in Heidelberg vor und sammelten Rückmeldungen von den Teilnehmern, die wir in die Forderungen einfließen ließen. Die Ergebnisse sind in einer Broschüre zusammengefasst.

Die Arbeit im Jugendprojektbeirat war spannend und hat mir großen Spaß gemacht. Ich habe viel gelernt, konnte aber auch viel bewegen. Das Forschungsteam hat immer wieder Rücksprache mit dem Jugendprojektbeirat gehalten und uns in den Entscheidungsprozess eingebunden, sodass wir die Studie nicht nur begleiten, sondern auch mitgestalten konnten.

Nils König

Broschüre mit Ergebnissen der Studie und Forderungen des Jugendbeirats kostenlos herunterladen oder bestellen: www.bmu.de/pu581

Kontakt: E-Mail


Forderungen

Unter anderem fordert der Jugendbeirat:

Wirtschaft, Soziales, Bildung

  • gemeinwohl- statt wachstumsorientierte Wirtschaft
  • soziale Grundsicherung für alle
  • Finanztransaktionssteuer für Umwelt- und Klimaschutz
  • breite Vermittlung von Sachwissen zu den tatsächlichen Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Umwelt
  • dauerhafte politische Beteiligung etwa durch repräsentative Jugenddelegation auf Bundesebene

Klima, Energie

  • Deutschland soll 2035 klimaneutral sein
  • hoher CO₂-Preis mit Pro-Kopf-Rückzahlung
  • zügige Energiewende zu 100 Prozent Erneuerbaren
  • sozial gerechter Kohleausstieg bis 2030
  • Gesamt-Energieverbrauch konsequent senken

Verkehr

  • Ausbau des Radverkehrs und des ÖPNV, der kostenlos sein soll
  • Autofahren in Städten und Inlandsflüge unattraktiv machen
  • umweltfreundliche Mobilität für Menschen auf dem Land

Ernährung

  • nur noch ökologische Landwirtschaft subventionieren
  • Massentierhaltung abschaffen
  • Pestizideinsatz und Überdüngung langfristig stoppen
  • Lebensmittelverschwendung beenden
  • gesundes, öko-faires Essen muss bezahlbar sein

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