Rezensionen

Aus DER RABE RALF Dezember 2024/Januar 2025, Seiten 22, 26/27

Die Philosophie des Automobilismus

Das Auto steht nicht nur für eine ökologische, sondern auch für eine gesellschaftliche Katastrophe

Über die Herbstmonate war auf dem Mittelstreifen des Boulevards Unter den Linden in Berlin-Mitte eine aufschlussreiche Open-Air-Ausstellung zu sehen: „Immer modern – Berlin und seine Straßen“. Am Beispiel verschiedener Berliner Straßen wurde gezeigt, wie Politik und Wirtschaft den Fußverkehr immer mehr an den Straßenrand gedrängt haben, damit das Automobil freie Fahrt hat. In der Ausstellung war zu erfahren, dass es Ende der 1920er Jahre noch weiter gehende Pläne gab, Berlin automobilgerecht umzubauen. Die Weltwirtschaftskrise verhinderte die Durchführung dieser menschenfeindlichen Vorhaben.

Doch das NS-Regime, das von Anfang an die Unterstützung der Automobilkonzerne hatte, führte den rigorosen Automobilkurs dann fort. Nach der Niederlage des Nationalsozialismus, auch das zeigte die Ausstellung, gingen Ost- und Westberlin zunächst getrennte Wege. Während im Westteil der Stadt bald wieder Vorfahrt für das Auto auf allen Straßen das Motto war, gab es im Ostteil zumindest Versuche, dem öffentlichen Nahverkehr Vorrang vor dem Automobil zu geben. Die großen Boulevards waren eher für die Aufmärsche des demobilisierten und verstaatlichen Proletariats als für den Autoverkehr vorgesehen. Doch spätestens seit den 1970er Jahren setzte auch die DDR-Nomenklatura vermehrt auf die Autoproduktion, was sicher auch dem Druck aus der Bevölkerung geschuldet war.

Vom Hassobjekt zum Statussymbol

Als Ergänzung zu der Ausstellung, die seit Ende November nur noch online zu sehen ist, empfiehlt sich die Lektüre des Buches „Das Auto und die ökologische Katastrophe“. Der in Wien lebende Philosoph Kilian Jörg legt die Hintergründe dar, die dazu führten, dass sich der Automobilismus weltweit durchsetzen konnte. Dabei war das Auto noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts in großen Teilen der Bevölkerung überhaupt nicht beliebt, wie Jörg anhand zeitgenössischer Texte zeigt. Vor über 100 Jahren war es gefährlich, in proletarische Gegenden mit dem Auto zu fahren. Denn dort galt das Auto als Symbol der Mächtigen und Reichen, die man möglichst nicht bei sich haben wollte.

Hier hätte sich gerade für die aufsteigende Bewegung der ArbeiterInnen und ihre Organisationen eine Alternative zum kapitalistischen Automobilismus geboten: ein öffentliches Verkehrssystem, in dem statt auf Egoismus auf Gemeinschaftlichkeit gesetzt wird. So hätte auch der Irrweg der Erdölnutzung vermieden werden können, was technisch durchaus möglich gewesen wäre. „In London gab es bereits 1897 eine gesamte Taxiflotte, die komplett elektrisch lief, und 1900 war ein gutes Drittel aller amerikanischen Autos elektrisch – ein weitaus höherer Wert als heute“, schreibt Jörg.

Wie das noch bis in die 1920er Jahre vom Proletariat gehasste Auto trotzdem zum weltweiten Statussymbol werden konnte, und das auch noch mit Benzin und Diesel als besonders umweltzerstörenden Energiequellen, schildert der Autor in seinem Buch mit profundem historischem und philosophischem Wissen. Dabei verschweigt er nicht die Rolle der Autokonzerne wie Daimler und Ford und deren Einfluss auf die Politik. Einige wie Ford waren frühe Förderer von Faschismus und Nationalsozialismus, die den Automobilismus besonders vorantrieben.

Noch bis in die 1980er Jahre wurde von Teilen der westdeutschen Bevölkerung den Nazis – und oft Hitler persönlich – positiv angerechnet, er habe ja immerhin die Autobahnen gebaut. Davon abgesehen, dass es Zwangsarbeiter und zum Arbeitsdienst gepresste Proletarier waren, die für die Autobahn schuften mussten, zeigt Kilian Jörg, dass die historischen Fakten auch sonst diesen Nazimythos widersprechen. „Die Pläne für das heute meistens Hitler zugesprochene Autobahnnetz Deutschlands lagen bereits seit den 1920er Jahren in den Schubladen der Weimarer Republik“, so der Autor, es habe aber in der von den Sozialdemokraten dominierten demokratischen Ordnung nie genug Stimmen für die Umsetzung gegeben.

Faschismus als Förderer 

Jörg zeigt, dass die faschistische Herrschaft den automobilen Kapitalinteressen im wahrsten Sinne des Wortes mit brutaler Gewalt den Weg bahnte. Aber damit allein ließe sich der Siegeszug des Automobilismus nicht erklären, der ja auch in anderen Ländern stattfand und nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus in Westdeutschland fortgesetzt wurde. Jörg verweist auf die philosophischen Grundlagen, nach denen der Automobilismus als „modern“ galt. Hier sind wir wieder bei der eingangs erwähnten Ausstellung „Immer modern“. Was wahrscheinlich vielen zunächst als positive Beschreibung erscheint, wird ideologiekritisch gewendet, wenn man das Buch liest.

Jörg beschreibt, wie die Nazis es schafften, „den Bau des weltweit ersten nationalen Autobahnnetzwerks als gesamtdeutsches Projekt mit großer populärer Zustimmung zu verkaufen“. Der Autor geht dabei auf „mechanistisch-faschistoide Männlichkeitsbilder“ ein, die weltweit zum Siegeszug des Automobilismus gehörten (Rabe Ralf August 2023, S. 23). Es ist ein Vorzug des Buches, dass der Autor nicht nur aus seinem philosophischen Wissen schöpft. Er verweist auch öfter auf Filme und Songtexte, in denen die Ideologie des Automobilismus gut zum Ausdruck kommt.

Zudem streut Jörg immer wieder seine ganz persönlichen Beziehungen zum Automobilismus ein. Denn er ist kein Autohasser und beschreibt sehr plastisch, wie er manchmal auch selbst der Faszination des Automobils erliegt. In einem eigenen Kapitel geht er sogar darauf ein, dass in den USA das Auto für Schwarze eine emanzipatorische Funktion hat, weil sie sich damit ohne die Gefahr rassistischer Angriffe bewegen können. Das ist auch die Grundlage für ihre politischen Aktionen in verschiedenen Städten. Man könnte natürlich fragen, ob das nicht auch für arme und proletarisierte Menschen gilt, die damit Möglichkeiten zur Mobilität haben, die sie ohne Auto kaum hätten, solange das öffentliche Verkehrssystem so heruntergewirtschaftet ist.

Generalkritik an der Aufklärung

Auch Jörgs Generalkritik an der Aufklärung könnte Gegenstand kritischer Debatten sein. Stellenweise wird recht unkritisch einem Naturmythos das Wort geredet: „Während unzählige AufklärerInnen die Abkehr von Animismus und Spiritualismus predigen, ist es heute schwer, noch irgendetwas Animistisch-Lebendiges oder Spirituelles in den endlosen Monokulturfeldern und Autobahndreiecken des Homogenozäns zu entdecken.“ Auch der positive Bezug auf den reaktionären Dampfplauderer Peter Sloterdijk fällt auf.

Die von Jörg formulierten Utopien, die sich vor allem auf temporäre autonome Zonen und besetzte Plätze beziehen, sind keine Alternativen für die große Mehrheit der Menschen auf unserem Planeten. Die Utopie einer nichtkapitalistischen Gesellschaft, die von einem Rätesystem getragen wird, das über die Produktion von Gütern und die Nutzung von Bodenschätzen rational entscheidet, ist bei Jörg nicht zu finden. Trotzdem ist das Buch auch für die KritikerInnen lesenswert und wäre eine gute Diskussionsgrundlage über die Utopie einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus und seinem Automobil.

Peter Nowak

Kilian Jörg:
Das Auto und die ökologische Katastrophe
Utopische Auswege aus der autodestruktiven Vernunft
Transcript Verlag, Bielefeld 2024
390 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-8376-7408-8

Kostenloser Download: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7408-8


Das Gegenteil von gut

Das Kinderbuch „Ein*e Freund*in wie du“ hält seine Leser*innen für doof

Wer dieses Buch seinem Kind vorliest, muss sich beim Umblättern überwinden. Dem Impuls, es nach jeder Seite gegen die Wand zu schmeißen, wäre viel leichter nachzugeben. Dabei meinen es die Autoren Charnaie Gordon und Frank Murphy eigentlich gut. Sie wollten „einen sanften Ratgeber für die ersten sozialen Beziehungen“ schreiben und „Kinder ermutigen, Freund*innen zu finden und Freund*innen zu sein“. Warum will man beim Lesen trotzdem lieber zum Soziopathen werden?

Seelenlose Predigt

Oscar Wilde, großartiger Schriftsteller und mindestens so schwul wie die „Siegessäule“, pflegte zu sagen: „Es gibt weder moralische noch unmoralische Bücher. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben, sonst nichts.“ Das gilt besonders für Kinderbücher. Kinder lassen sich nicht so einfach täuschen wie ihre Eltern. Ein Kinderbuch zu schreiben ist daher nicht leicht, sondern sehr anspruchsvoll. Die Autoren dieses Buches haben es sich aber lieber leicht gemacht. Hier gibt es erst gar keine Geschichte, nur geistlose Aufforderungssätze. Ein Beispiel: „Wenn du Zeit mit Menschen verbringst, die anders sind als du, lernst du, dass es Sachen gibt, die euch verbinden.“ Oder: „Egal was du machst: Das Wichtigste ist, einfach da zu sein, wenn du gebraucht wirst.“

Das mag ja sogar alles stimmen. Aber Kinder lernen solche Werte eben nicht durch apodiktische Moralpredigten, sondern durch spannende Geschichten (wie Erwachsene übrigens auch).

Dieses Buch hat aber weder eine Geschichte noch Humor noch eine Seele. Sogar die künstliche Intelligenz „ChatGPT“ hätte den allzumenschelnden Text besser schreiben können.

Quetschiekunst mit extra Zucker

Und wie sieht es mit den Illustrationen aus? Die sind, in einem Wort, entsetzlich. Die dargestellten Figuren erinnern an Philipp Otto Runges „Die Hülsenbeckschen Kinder“ von 1806 – wenn Runge statt Öl „Quetschies“ als Farbe verwendet hätte. Immerhin meint es die Illustratorin Kayla Harren mit der Inklusion ernst: Alle Kinder, egal welcher Herkunft und welcher Individualität, sehen gleichberechtigt furchtbar aus.

Text und Bild triefen im Zusammenspiel dermaßen von moralischem Zuckerguss, dass man sich nach dem Lesen die Hände waschen will und mit Freuden seiner Steuererklärung widmet.

Das Buch gibt sich zwar modern und „woke“, vertritt aber eine altertümliche Pädagogik. Keiner mag den erhobenen Zeigefinger von Lehrer Lämpel. Da hilft es auch nichts, wenn der Fingernagel bunt lackiert ist.

Darf man das schlecht finden?

Wer so ein Buch verreißt, hat natürlich Gewissensbisse. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der AfD, die überall eine Indoktrinierung von Kindern wittert und gleich den Untergang des Abendlandes beschwört, wenn eine „Dragqueen“ in einer Kita ein Buch vorliest? Tatsächlich brachte die rechte „Junge Freiheit“ einen Artikel, der im Verlag des Buches nur eine Ergebenheit an den „herrschenden Zeitgeist aus Gendergaga, Multikulti-Träumerei und Body Positivity“ erkennen will. Aber muss man sich deshalb zwingen, dieses Buch gut zu finden? Nein, denn das Gegenteil von gut ist, wie Tucholsky sagt, nicht böse, sondern gut gemeint. Daher kann man mit gutem Gewissen sagen: Dieses Buch ist schlecht.

Johann Thun

Charnaie Gordon, Frank Murphy, Kayla Harren:
Ein*e Freund*in wie du
Übersetzt von Anna und Lukas Kampfmann
‎Zuckersüß Verlag, Berlin 2021
‎32 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 978-3-949315-09-1


Umweltschutz durch Umverteilung

Reichtum beruht selten auf eigener Leistung und gehört wirksam besteuert, schreibt Politikforscher Butterwegge

Christoph Butterwegge macht in seinem neuen Buch Vorschläge zu einer Umverteilung des privaten Reichtums an die Gesellschaft. Dabei geht der Armutsforscher auch der Frage nach, wie es in einem reichen Land wie der Bundesrepublik überhaupt so große und immer weiter wachsende Unterschiede zwischen Armut und Reichtum geben kann. Die wachsende sozio-ökonomische Ungleichheit wird als ein Wesenszug des digitalen Finanzmarktkapitalismus charakterisiert.

Von Agenda 2010 bis Zeitenwende 

Im ersten Kapitel befasst sich Butterwegge mit der Frage, woher im bestehenden Wirtschaftssystem die sozio-ökonomischen Ungleichheiten kommen. Eine Erklärung ist, dass individuelle Leistung meist keinen Zusammenhang mit individuellem Reichtum hat.

Im zweiten Kapitel analysiert er, warum sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Butterwegge macht zunächst die Globalisierung, den demografischen Wandel und die Digitalisierung als die drei großen Erzählungen unserer Zeit aus. Vor diesem Hintergrund zerfällt laut dem Autor der Mythos der Leistungs- und Generationengerechtigkeit: Die Folgen der Agenda 2010 mit der Demontage des Sozialstaates – nicht nur durch „Hartz IV“ – und der Privatisierung der Altersvorsoge durch die Riester-Rente wurden begleitet von einer Deformation des Steuersystems durch Begünstigung der Reichen und Belastung der Armen. Der lobbygetriebene Rückbau des Steuersystems hat die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen weiter verstärkt, so Butterwegge. Ursächlich dafür waren unter anderem der Verzicht auf eine Vermögenssteuer (siehe S. 4), die Absenkung der Einkommenssteuerspitzensätze und die Einführung der pauschalen Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Als I-Tüpfelchen für diesen Trend nennt der Autor die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die Energiepreisexplosion, die Inflation und den Ukraine-Krieg mit der ausgerufenen „Zeitenwende“ und der Militarisierung des Haushalts.

Argumente gegen neoliberale Sparpolitik 

Im letzten Kapitel setzt Butterwegge sich mit Vorschlägen auseinander, wie mehr Gleichheit und soziale Gerechtigkeit geschaffen werden können. Dafür müssten die strukturellen Ursachen beseitigt und das kapitalistische Gesellschaftssystem überwunden werden. Anknüpfungspunkte hierzu sieht der Autor vor allem darin, den Arbeitsmarkt wieder zu regulieren, den Sozialstaat zu erneuern und das Steuersystem zu rekonstruieren.

Armut durch karitatives und zivilgesellschaftliches Engagement zu bekämpfen, weist er dagegen als unzureichende Strategie zurück. Auch der Ausbau des Bildungs- und Beschäftigungssystems genüge nicht im Kampf gegen soziale Ungleichheit. Stattdessen plädiert Butterwegge für eine direkte Umverteilung des Reichtums, denn auch die von den Reichen verursachten Umweltschäden seien nicht mehr hinzunehmen.

Das Buch macht in seiner Klarheit und mit seiner kompakten Argumentation Mut, Veränderungen anzupacken, und liefert Gegenargumente zur Ideologie einer neoliberalen Sparpolitik.

Herbert Klemisch

Christoph Butterwegge:
Umverteilung des Reichtums
Papyrossa Verlag, Köln 2024
224 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-89438-831-7

Zuerst erschienen in Contraste 481, Oktober 2024, www.contraste.org


„Keine Grenze ist für immer“

Gegen den Zeitgeist: Seit zehn Jahren ist das Alarm Phone durchgängig im Rettungseinsatz

Der gesellschaftliche und politische Rechtsruck fegt wie ein kalter Wind durchs Land. Bürgerliche Parteien überbieten sich darin, der AfD Konkurrenz zu machen in Sachen Fremdenfeindlichkeit. Schon vor einem Jahr gab Bundeskanzler Scholz (SPD) die Richtung vor: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ (Rabe Ralf April 2024, S. 22). Seine Parteikollegin, die Berliner Innensenatorin Iris Spranger, legte dieser Tage einen Fünf-Punkte-Plan vor, wie sie das in Berlin umsetzen möchte. Beispielsweise indem bei Abschiebungen auch Familien getrennt werden. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) möchte die Zuwanderung sogar per Verfassungsänderung begrenzen. Der Berliner Flüchtlingsrat äußerte sich entsetzt und forderte den Senat, „vor allem den Regierenden Bürgermeister Wegner auf, sich endlich um die dringenden Themen Schulbauoffensive, Wohnbauoffensive und Armutsbekämpfung zu kümmern, anstatt immer wieder völlig ideenlos nur ein Mehr an Abschottung zu fordern“.

Freiwilliges Engagement für Menschen auf der Flucht 

Mit bewundernswertem Durchhaltevermögen setzen zivilgesellschaftliche Initiativen zur Rettung flüchtender Menschen diesem menschenverachtenden Zeitgeist etwas entgegen. Die Koordinierungsstelle für zivile Seenotrettung CMRCC veröffentlichte eine beeindruckende Übersichtskarte mit Rettungsschiffen und -flugzeugen. Ebenso darauf verzeichnet ist das Alarm Phone. Dieses selbstorganisierte transnationale Callcenter feierte am 11. Oktober sein zehnjähriges Jubiläum. Mittlerweile 300 Freiwillige sind rund um die Uhr schichtweise im Einsatz und nehmen Anrufe entgegen von Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer in Seenot geraten, oder von Angehörigen, die sich Sorgen machen um ihre Liebsten (Rabe Ralf April 2023, S. 21).

Die Aktivist*innen unterstützen die oft verzweifelten Menschen, bleiben mit ihnen im Kontakt und alarmieren die Küstenwachen, die zur Rettung verpflichtet sind, aber oft gegenteilig handeln. Das Alarm Phone bezeugt Pushbacks – gewaltsame Zurückschiebungen –, die oft tödlich enden. Es macht die mörderische Gewalt auf den Fluchtwegen öffentlich und organisiert Gedenken mit Hinterbliebenen. Es kann aber ebenso auf unzählige erfolgreiche Rettungsaktionen zurückblicken.

Solidarität wird gewinnen

In der eben erschienenen Dokumentationsbroschüre zum Jubiläum gibt es Informationen zur Entstehung und zur Arbeit des Alarm Phone, Berichte von Rettungseinsätzen, Schwesterprojekte aus dem Netzwerk werden vorgestellt und „People on the Move“ erheben ihre Stimme – Menschen, die „auf der Suche nach einem besseren Leben die brutalen Grenzen überwinden“. In den zehn Jahren wurde das Alarm Phone „von insgesamt über 8.000 Booten aus allen Regionen des Mittelmeeres, des Atlantiks oder des Ärmelkanals alarmiert“, und in dieser Zeit sei „das Sterben auf See zu einem ständigen Begleiter unserer Arbeit geworden“, berichten sie.

Die Aktivist*innen versprechen: „Als transnationales Netzwerk werden wir uns weiter in den umkämpften Räumen bewegen und der Hartnäckigkeit der ‚People on the Move‘ folgen, die das rassistische und ausbeuterische Grenzregime untergraben und überwinden. Keine Grenze ist für immer. Solidarity will win.“

Elisabeth Voß

Marion Bayer, Lisa Groß u.a.:
Zehn Jahre Alarm Phone
Selbstverlag, Berlin 2024
246 Seiten, 10 Euro

Kostenloser Download: www.alarmphone.org/anniversary-booklets

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