Aus DER RABE RALF August/September 2024, Seite 5
Gebäudebrüter haben es in Berlin schwer – das müsste nicht so sein, wie einzelne Bezirke zeigen
Was man liebt, beschützt man. Gilt das auch für die Stadtnatur vor unserer Haustür? Begeistern uns Mauersegler, die im Sommer rufend in der Luft ihre Kreise ziehen? Nehmen wir wahr, wie in der Dämmerung die Fledermäuse über unsere Köpfe flattern? Geht uns das Herz auf, wenn Spatzen frühmorgens tschilpen? Nichts davon ist als selbstverständlich zu betrachten. Selbst ein Allerweltsvogel wie der Spatz ist aktuell bedroht.
Berlin gilt gemeinhin als Hauptstadt der Spatzen, die zu den Gebäudebrütern gezählt werden. Als solche bezeichnet man Tiere, die am oder im Gebäude brüten. Den besonderen Schutz von Gebäudebrütern regelt das Bundesnaturschutzgesetz. Geschützt sind hier alle europäischen Vogelarten mit Ausnahme der Stadttaube sowie alle Fledermausarten, Hornissen und Solitärbienen. Doch seit 1970 nehmen die Bestände in ganz Deutschland und Mitteleuropa erheblich ab – vor allem in Großstädten.
Berlin verändert sich rasant. Nachverdichtung und energetische Sanierungen an Gebäuden setzen den Spatzen und anderen Gebäudebrütern massiv zu. Auch fehlt es oft an Nahrung, Schutzgehölzen und Nistmöglichkeiten.
Warum gehen Nester und Lebensstätten von Gebäudebrütern verloren, obwohl sie besonders und ganzjährig geschützt sind?
Dies geschieht immer dann, wenn Bauherren oder auch Architekten ihrer Verantwortung für den Artenschutz am Gebäude nicht gerecht werden. Sie sind zwar gesetzlich verpflichtet, bei Bauvorhaben von vornherein die Belange des Artenschutzes einzubeziehen und geschützte Ruhe- und Fortpflanzungsstätten der Naturschutzbehörde anzuzeigen. Allerdings müssen sie darüber keinen Nachweis gegenüber den Behörden abgeben. Ein artenschutzrechtliches Gutachten ist im Zuge der Prüfverfahren zur Baugenehmigung nicht vorgeschrieben. Es muss aber von der Fachbehörde angeordnet werden, wenn durch das Vorhaben bedrohte und geschützte Lebensstätten von Vögeln oder Fledermäusen bekannt werden. In der Praxis zeigt sich leider, dass bei einer Mehrheit der Bauvorhaben die Bauherren den Artenschutz am Gebäude nicht berücksichtigen.
Was hat das für Folgen?
Am Ende entdecken oft die Handwerker nach der Einrüstung der Gebäude Vogelnester oder Fledermausquartiere am oder im Gebäude. Dies müssten sie der Naturschutzbehörde des zuständigen Bezirks melden, die dann weitere Maßnahmen verhängt. Ordnet die Behörde einen Baustopp an, verzögern sich aber die Baumaßnahmen und die Baukosten steigen. Oft werden daher die Nisthöhlen versiegelt oder Vogelnester heruntergeworfen oder zerstört, was eigentlich eine Straftat ist.
Diese Missachtung geschützter Tiere muss zukünftig endlich unterbunden werden. Denn Artenschutz und Bauen sind gut miteinander vereinbar, wenn entsprechende Maßnahmen rechtzeitig mitgeplant werden.
Wie können Spatz und Co besser unterstützt werden?
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, bedrohten Gebäudebrütern zu helfen. Eine vielversprechende Option sind bezirkliche Meldedatenbanken. Der Bezirk Lichtenberg arbeitet seit Jahren erfolgreich mit einer Online-Datenbank. Bürger melden mit Bildern – zum Beispiel im Vorfeld von Baumaßnahmen – Brut- und Lebensstätten von Gebäudebrütern. Dadurch konnten in Lichtenberg zahlreiche Brutplätze gesichert und frühzeitig Ersatzniststätten angeordnet werden. Die Tierschutzpartei Marzahn-Hellersdorf hatte dazu einen eigenen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht.
In Neukölln hat Umweltstadtrat Jochen Biedermann eine Online-Meldedatenbank abgelehnt, da die Dateneingabe und Pflege der Datenbank Personalkapazitäten binde, „die in Neukölln derzeit leider nicht zur Verfügung stehen“. Eine Aussage, die doch sehr irritiert, denn die Bürger würden die Naturschutzverstöße mit den Bildern ja selbst über die Datenbank eingeben. Die Datenbankpflege wäre wenig arbeitsintensiv und könnte von einem Praktikanten geleistet werden.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wann die Liste artenschutzrechtlicher Gutachter des Berliner Senats wieder geöffnet beziehungsweise neu ausgeschrieben wird. Ordnet die Behörde ein artenschutzrechtliches Gutachten bei Bauvorhaben an, bestellt und bezahlt der Bauherr einen Sachverständigen. In der Vergangenheit kam es des Öfteren zu fehlerhaften artenschutzrechtlichen Gutachten.
Wie der stellvertretende Vorsitzende der Naturfreunde Berlin, Uwe Hiksch, kritisiert, erlebt es sein Umweltverband leider häufiger, dass in Berlin die artenschutzrechtlichen Gutachten, die durch Bauherren vorgelegt werden, unvollständig und zum Teil fehlerhaft sind. Bei manchen Gutachten hätten die Naturfreunde auch den Eindruck, dass wichtige geschützte Vogelarten „übersehen“ wurden. Hiksch fordert daher, dass die Naturschutzbehörde dem Bauherrn den Gutachter zuweist.
Virna Rosenbaum
Weitere Informationen: www.naturfreunde-berlin.de
Gebäudebrüter berlinweit melden
Die Bezirksgruppe Steglitz-Tempelhof des Naturschutzbundes hat eine Datenbank und ein Meldeformular für ganz Berlin erstellt, das eine gute und einfache Möglichkeit bietet, Vorkommen von Gebäudebrütern zu melden. (red)
www.gebaeudebrueter-in-berlin.de (unten links: „neuen Standort melden“)