Aus DER RABE RALF August/September 2024, Seite 12
Ein Bündnis organisiert „temporäre Spielstraßen“ und verteidigt die gemeinschaftliche Nutzung des öffentlichen Raums
Seit fünf Jahren setzt sich das Bündnis Temporäre Spielstraßen für die gemeinschaftliche Nutzung von Berliner Straßen ein, um die Stadt kinder- und umweltfreundlicher zu gestalten und gleichzeitig die Nachbarschaftsverbindungen zu stärken. Gemeinsam mit einem großen ehrenamtlichen Team ermöglicht das Bündnis vorübergehende Sperrungen ausgewählter Straßenabschnitte für den Autoverkehr – an einem Tag pro Woche oder pro Monat. Dadurch sind in ganz Berlin seit 2019 bereits 35 dieser temporären Spielstraßen entstanden, die vom Land Berlin gefördert und mitgetragen werden. Umgerechnet sind das laut dem Bündnis 190 Kilometer Straße oder 3,8 Quadratkilometer – eine Fläche, die größer als das Tempelhofer Feld ist.
Die temporären Spielstraßen haben dabei keinen von vornherein festgelegten Nutzen. Sie sind öffentlicher Raum, und alle – klein oder groß, Anwohnerin oder Besucher – können die Straße nach Belieben „bespielen“ und so zum Begegnungsort machen. Die Kosten sind hierbei sehr gering, da temporäre Spielstraßen keinen Umbau erfordern – lediglich ein paar hinweisende Verkehrszeichen. Ehrenamtliche betreuen die Spielstraßen und gewährleisten unter anderem die Zufahrt für Einsatzfahrzeuge.
Privates Straßenfest statt öffentlicher Nutzung?
Allerdings kam es Anfang des Jahres zu einer formalen Änderung vonseiten der Senatsverkehrsverwaltung: Temporäre Spielstraßen sollten in Zukunft als Straßenfest angemeldet werden, um eine Genehmigung zu erhalten. Das Konzept der temporären Spielstraße unterscheidet sich jedoch erheblich von einem Straßenfest. Wenn die Spielstraßen fortan als Straßenfeste angemeldet werden müssen, entstehen dem Bündnis finanzielle Mehrkosten, da Straßenfeste eine vorübergehende „Privatisierung“ von Straßenraum darstellen, sodass dann auch die Kosten übernommen werden müssten, die bisher vom Land Berlin getragen wurden. Das betrifft beispielsweise die Planung, die Beschaffung der Verkehrszeichen, Verwaltungsgebühren oder eine Veranstalterhaftpflicht. Pro angemeldete Spielstraße würden nach einer vorläufigen Rechnung des Bündnisses rund 1.000 Euro anfallen, was eine regelmäßige Durchführung unmöglich machen würde.
Nach breiten Protesten wurde die neue Regelung zwar teilweise zurückgenommen, die Straßenfest-Variante ist aber noch nicht vom Tisch. Daher fordert das Bündnis die weitere konsequente Einhaltung des festgeschriebenen Verfahrens zur Einrichtung temporärer Spielstraßen durch die Berliner Bezirke sowie eine gesicherte Finanzierung durch die Landespolitik. Letztlich sei auf der Bundesebene das Straßenverkehrsrecht zu ändern, um eine unkomplizierte Nutzung des Straßenraums für vielfältige öffentliche Anliegen zu ermöglichen.
Interessierte können übrigens auf der Website des Bündnisses Temporäre Spielstraßen die Sperrung ausgewählter Straßen in der eigenen Nachbarschaft beantragen.
Julia Duchnicki
Weitere Informationen: www.spielstrassen.de