Tagebaubetroffene fordern Mitsprache

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2018, Seite 7

Offener Brief an Wirtschaftsminister Altmaier zur Kohle-Kommission der Bundesregierung

Ein Bündnis aus Anwohnerinnen und Anwohnern aller drei deutschen Braunkohle-Tagebaugebiete – Rheinland, Lausitz und Mitteldeutschland – fordert Mitsprache in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ der Bundesregierung. In einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von Anfang Mai fordern die Tagebaubetroffenen mindestens zwei Sitze in der Kommission, die den Kohleausstieg in Deutschland und den Strukturwandel in den betroffenen Gebieten planen soll.

Bürgerinitiativen, Ortsvorsteher, Seelsorger und Ärzte beklagen in dem Brief, dass Bundes- und Landesregierungen die Interessen der Tagebaubetroffenen bislang nicht berücksichtigt haben. Der Brief ging parallel auch an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU), die die Arbeit der Kommission gemeinsam mit Wirtschaftsminister Altmaier steuern sollen.

Demonstration für mehr Abstand des Tagebaus Nochten vor Rohne (Sachsen) am 8. April. (Foto: Hoffmann)

„Diejenigen, die jahrzehntelang Opfer für die Kohleverstromung gebracht haben und noch weiter bringen sollen, gehören mit an den Tisch, wenn die Schritte zum Kohleausstieg diskutiert werden“, forderte René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus der Grünen Liga. „Es kann nicht sein, dass nur den an der Kohle Verdienenden Mitsprache eingeräumt wird.“ Noch immer drohten Umsiedlungen und Enteignung von Grundstücken, erinnerte Schuster. Die Gruben seien viel zu nah an Dörfern geplant, dort sinke durch den Tagebau der Wasserspiegel, die Regulierung von Bergschäden sei aber nicht fair geregelt. „Dass sie auch durch die Landesregierungen in Potsdam und Dresden nicht vertreten werden, haben die davon Betroffenen über viele Jahre bitter erfahren müssen“, so Schuster. Über 120.000 Menschen mussten in Deutschland bereits dem Braunkohletagebau weichen. Noch immer sollen etwa 30 Dörfer und Ortsteile zerstört werden – für eine schmutzige Uralttechnologie, wie die Umweltschützer und Anwohner betonen.

„Zermürbende Unsicherheit“

Die Unterzeichnenden des Briefes kritisieren den unwiderruflichen Verlust von Heimat, Identität und Traditionen sowie von Kultur- und Naturgütern und machen auf die Unvereinbarkeit der Braunkohleverbrennung mit den weltweiten, europäischen und deutschen Klimazielen aufmerksam.

Sie fordern vor allem die Anpassung von Tagebaugrenzen an die Realität des Kohleausstiegs. „Um die zermürbende Unsicherheit und den Verfall unseres Lebensraums zu beenden, ist es wichtig, dass Planungen für die Erweiterung bestehender Tagebaue und für neue Tagebaue wie Welzow-Süd II, Vereinigtes Schleenhain, Nochten II oder Lützen und die Umsiedlungsvorbereitungen gestoppt werden“, heißt es in dem Brief. „Genehmigte Tagebaue wie Hambach, Garzweiler und Jänschwalde müssen den Realitäten des Kohleausstiegs angepasst und verkleinert werden. Es darf nur noch so viel Braunkohle abgebaut werden, wie mit den deutschen Klimaschutzzielen vereinbar ist“.

Die Beteiligung des Bundesinnenministeriums, bei dem auch das Heimatministerium angesiedelt ist, sehen die Unterzeichner als Hinweis darauf, dass auch der Verlust der Heimat durch Braunkohletagebaue Eingang in die Beratungen der Kommission finden soll.

jm/jp/mb

Der offene Brief:
www.kein-tagebau.de

Brandenburg schließt neue Tagebaue nicht aus

Öffentlichkeitsbeteiligung zum Landesentwicklungsplan der Hauptstadtregion

Die Grüne Liga kritisiert, dass die brandenburgische Landesregierung für kein einziges der 34 Braunkohlevorkommen im Land eine Gewinnung von Kohle verbindlich ausschließen will. „Das im März 2017 vorgestellte Revierkonzept des Bergbauunternehmens LEAG und der damit verbundene Verzicht des Unternehmens auf den Aufschluss der Tagebaue Jänschwalde-Nord, Bagenz-Ost und Spremberg-Ost macht einen landesplanerischen Ausschluss neuer Braunkohlentagebaue nicht entbehrlich“, schrieb der Umweltverband Anfang Mai bei der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligung zum Landesentwicklungsplan der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.

„Im Gegenteil: Erneut haben die Betroffenen Kommunen und Bürger nur Aussagen von Pressekonferenzen in der Hand, während gleichzeitig die Bergbauberechtigungen nach Bundesberggesetz für zahlreiche der 34 Kohlefelder in Brandenburg rechtlich weiterbestehen“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Niemand könne verstehen, dass die Landespolitik dem öffentlich verkündeten Verzicht auf neue Tagebaue im Landesentwicklungsplan keine rechtlich verbindliche Form geben wolle. „Dieses Vorgehen ist geeignet, dem Ansehen staatlichen Handelns insgesamt zu schaden“, so die Grüne Liga.

René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus in der Grünen Liga nannte den neuen Entwurf des Landesentwicklungsplans ein „Armutszeugnis“. Nicht einmal bereits öffentlich abgesagte Tagebaue wie Jänschwalde-Nord wolle Brandenburgs Landesregierung verbindlich ausschließen. „Die ideologische Prägung der Woidke-Regierung auf die Braunkohle steigert sich damit immer weiter ins Absurde“, so Schuster, der als langjähriges Mitglied des Brandenburgischen Braunkohlenausschusses mit der Materie genau vertraut ist. „Man muss daran zweifeln, dass die Landesregierung zum sachlichen Dialog in der geplanten Kohlekommission der Bundesregierung fähig ist.“

Bereits bei der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung im Dezember 2016 hatten Betroffene aus 28 auf Braunkohlevorkommen stehenden Orten in Brandenburg ein Verbot neuer Tagebaue im Landesentwicklungsplan gefordert. Sogar in Nordrhein-Westfalen existiert bereits seit Längerem eine Regelung, die Braunkohlegewinnung auf die bereits aufgeschlossenen Kohlevorkommen begrenzt.

jm/jp/mb

Stellungnahme GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus: www.kein-tagebau.de


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