Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 5
Hauskatzen, die nach draußen dürfen, sind ein Problem für andere Arten
Katzen erfreuen sich als Haustiere größter Beliebtheit. Verständlich, denn sie sind verkuschelter als die meisten Fische und Terrarientiere, verspielter als Hamster oder Meerschweinchen und man muss mit ihnen nicht mehrmals täglich Gassi gehen. Darum verzeiht man ihnen gerne das eine oder andere zerkratzte Möbelstück, das ständige Geweckt-Werden durch herzzerreißendes Maunzen und die liebevoll vor der Tür drapierten Mäuse und Vögel. Der Jagd- und Spieltrieb der niedlichen Vierbeiner kann allerdings schwerwiegende Folgen für die Tierwelt haben.
Beute wird oft nicht gefressen
Nach Schätzungen des Naturschutzbundes NABU werden in Deutschland jährlich fast 100 Millionen Vögel von freigängigen oder verwilderten Hauskatzen getötet. Dazu kommen noch einmal mindestens genauso viele Mäuse, Fledermäuse, Maulwürfe, Fische, Reptilien und Amphibien, aber auch Insekten wie Schmetterlinge und Libellen. In vielen Fällen fressen die Samtpfoten ihre Beute gar nicht auf, sondern befriedigen damit nur ihren Jagd- und Spieltrieb – gefüttert werden sie schließlich zu Hause. Oft wird die Beute auch nicht gleich getötet, sondern dient erst noch eine Weile als Spielzeug, bevor sie schließlich entweder erlegt oder liegengelassen wird und daraufhin ihren Verletzungen erliegt.
Die niederländischen Wissenschaftler Arie Trouwborst und Han Somsen machen Katzen für die Bedrohung von weltweit 370 Tierarten mitverantwortlich und fordern ein Ausgangsverbot für die Haustiere. Sie berufen sich auf eine 2016 veröffentlichte Studie, die Hauskatzen zumindest eine Mitschuld am Aussterben von mindestens zwei Reptilienarten, 21 Säugetierarten und 40 Vogelarten zuschreibt.
In Siedlungsgebieten kein Gleichgewicht
Der NABU-Vogelexperte Lars Lachmann verweist allerdings auf die Tatsache, dass dieses Problem vor allem auf Inseln besteht. Einige Vogelarten, die sich auf Inseln unabhängig von natürlichen Fressfeinden entwickeln konnten, haben zum Beispiel die Fähigkeit zu fliegen vollkommen verlernt und sind dann gegenüber eingeführten und verwilderten Hauskatzen schutzlos, sodass bestimmte Arten durch die Katzen aussterben können. In Deutschland gibt es aber keine auf Räuber unvorbereiteten Arten. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass Katzen eine bei uns lebende Tierart gänzlich ausrotten könnten, äußerst gering.
Dennoch sorgen Katzen besonders in Siedlungsgebieten für verschwindend geringe Bestandszahlen. Warum, ist schnell erklärt. In freier Wildbahn gibt es ein natürliches Räuber-Beute-Verhältnis, das einem Grundsatz unterliegt: Gibt es viel Beute, können sich auch die Räuber gut vermehren und jagen dementsprechend mehr. So geht die Population der Beute zurück – und entsprechend verringert sich daraufhin auch die Menge der Jäger, da es weniger Beute gibt. Ist der Punkt, an dem es weniger Jäger gibt, erreicht, kann sich die Beute wieder in größerer Zahl vermehren, die Population erholt sich und der Kreislauf beginnt von vorn.
Hauskatzen sind allerdings nicht von den Zahlen der Beutepopulation abhängig, weil sie gefüttert werden oder sich, im Falle der verwilderten Hauskatzen, von menschlichen Abfällen ernähren, so dass ihre Zahl auch bei schwindender Beute nicht kleiner wird. In Siedlungsbereichen gibt es also das natürliche Räuber-Beute-Verhältnis nicht. Dementsprechend herrscht ständig ein überhöhter Feinddruck auf Beutetiere wie Vögel und kleine Säuger.
Konkurrenz für Wildkatzen
Zusätzlich zur Gefahr des Getötetwerdens stehen Wildtiere allein schon durch die Anwesenheit von Katzen unter enormem Stress, was sich auf ihr Fortpflanzungs- und Brutverhalten auswirkt. So beeinträchtigen Katzen nicht nur direkt, sondern auch indirekt die Populationen.
Am Stadtrand und in Waldgebieten stellen die niedlichen Vierbeiner nicht nur für Beutetiere eine Gefahr dar. Sie sind auch für die in Deutschland ohnehin schon sehr seltenen Wildkatzen problematisch, da sie mit ihnen um Revier und Beute konkurrieren. Während diese für Wildkatzen überlebenswichtig sind, befriedigen Hauskatzen hier nur ihren Spieltrieb und stören Reviere von Wildkatzen durch Umherstreunen. Die Wildkatzen fühlen sich häufig bedroht und lassen sich aus ihrem sowieso schon eingeschränkten Lebensraum verdrängen. Oft paaren sich Hauskatzen aber auch mit Wildkatzen und zeugen so Hybridformen, die zum Aussterben der „echten“ Wildkatzen führen können.
Ausgangsverbot wohl nicht realistisch
Hauskatze ist jedoch nicht gleich Hauskatze. Stubentiger, die nie hinausgelassen werden, stellen keinerlei Gefahr für andere Tiere dar. Freigänger, die nur zur Befriedigung ihres Spiel- und Jagdtriebes jagen, haben bereits großen Anteil an den von Katzen getöteten Tieren. Die treibende Kraft hinter dem katzenverschuldeten Populationsrückgang sind allerdings verwilderte Hauskatzen, von denen es in Deutschland gut zwei Millionen gibt, denn sie jagen nicht nur zum Zeitvertreib, sondern auch, um sich zu ernähren.
Das von Trouwborst und Somsen geforderte Ausgangsverbot für Katzen ist in Zeiten, in denen sie bei Menschen so beliebt sind, eher unrealistisch. Es könnte zwar möglich sein, an einzelnen Orten Verbote auszusprechen und durchzusetzen, um gezielt die Erholung von gefährdeten Arten zu unterstützen, allerdings ist ein flächendeckendes Verbot rechtlich nicht tragbar und auch nicht tierschutzgerecht.
Lachmann empfiehlt eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für alle Freigänger sowie die Kastration beziehungsweise Sterilisation aller verwilderten Hauskatzen. So kann man verhindern, dass sich die Katzen vermehren und den Druck auf Beutetiere erhöhen. Im Laufe der Zeit lässt sich auf diese Weise die Zahl der streunenden Katzen auf ein ungefährliches Minimum senken. Der NABU-Vogelexperte nennt Paderborn als eine Beispielstadt, in der dieses Konzept bereits sehr gut funktioniert.
Nina-Marie Weiß, Umweltbüro Lichtenberg
Wenn Sie eine Katze haben …
… sind hier ein paar Tipps, wie Sie versuchen können, die wildlebenden Tiere in Ihrem Garten und denen ihrer Nachbarn zu schützen:
- Lassen Sie Ihre Katze kastrieren. So schränken Sie auch ihr Jagdfieber und das Bedürfnis umherzustreunen ein.
- Außerdem verhindern sie ungewollten Katzennachwuchs.
- Spielen Sie viel mit Ihrer Katze, um ihren Spieltrieb zu befriedigen, dann macht sie draußen weniger Jagd auf Vögel, Mäuse oder Nachbars Kaninchen.
- Lassen Sie Ihre Katze von Mitte Mai bis Mitte Juli nur unter Aufsicht hinaus – und wenn möglich, gar nicht. In diesem Zeitraum werden Vogeljunge flügge und sind eine besonders leichte Beute, selbst für ungeübte Jäger.
- Hängen Sie Nistkästen und Futterhäuschen katzensicher in mindestens zwei Metern Höhe auf, um Vögeln Sicherheit zu gewährleisten.
- Ein Katzenglöckchen ist nicht zu empfehlen. Zum einen gibt es nur älteren und erfahrenen Vögeln Sicherheit. Jungen oder kranken Beutetieren hilft ein Glöckchen nicht wirklich, da sie das Geräusch zwar wahrnehmen, aber entweder noch keine Gefahr damit verbinden oder nicht in der Lage sind, zu fliehen. Zum anderen ist das Bimmeln der Glocke für die empfindlichen Katzen sehr unangenehm und anstrengend und setzt Ihre Katze unter Dauer-Stress.
- Eine breite, farbige Halskrause für die Katze kann laut Studien Vögel schützen, ohne die meisten Katzen zu stören. Säugetiere haben davon aber kaum etwas, weil sie sich eher nach Geruch oder Geräuschen orientieren.