Mögliche Rechtsformen für selbstverwaltete Projekte

Aus DER RABE RALF Juli/August 1999

Eine wesentliche Frage für den Kauf und die Finanzierung des Gutshofes Pinnow war die Frage nach einer geeigneten Rechtsform für unsere Gruppe.

Dazu standen für uns drei Informationsquellen zur Wahl.

Die erste Quelle war das Studium, durch das ich viel und umfassend über die verschiedenen Rechtsformen erfahren konnte. Hier konnte ich mich von Spezialisten beraten lassen und bei auftauchenden Problemen nachfragen. Eine zweite Quelle ist die zuständige Landes- oder Senatsbehörde. Hier kann man auch erfahren, unter welchen Bedingungen eine staatliche Förderung gewährt werden kann. Gleichzeitig erhält man die entsprechenden Unterlagen. Die dritte und mir sehr wichtige Informationsquelle sind schon existierende Projekte mit gleicher oder ähnlicher Zielsetzung. Hier kann man nicht nur konzeptionelle Zielsetzungen, sondern auch die Problematik bei deren Durchsetzung erfragen. Wir haben für unsere Entscheidung von allen drei Möglichkeiten intensiven Gebrauch gemacht. Da es eine große Bandbreite von Rechtsformen gibt, gebe ich hier einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten. Im Folgenden gehe ich auf die für uns in Frage kommenden Rechtsformen näher ein. Dabei beziehe ich mich nur auf Organisationsformen im Non- Profit- Bereich (NPO).

Warum ist die Entscheidung für eine Rechtsform so wichtig?

Das Fehlen einer geeigneten Organisationsform verhindert die Weiterentwicklung und Umsetzung neuer unkonventioneller Ideen und beschränkt den eigenen Horizont durch die tagtäglichen Auseinandersetzungen mit Nebensächlichkeiten. Ich weise darauf hin, daß die Organisationsmitglieder (in diesem Fall unsere Gruppe), ihre persönlichen Ziele mit in die Organisation einbringen. Darum ist es wichtig, die Rechtsform auch nach diesen Gesichtspunkten auszuwählen.

„Weil durch Ziele Bedürfnisse befriedigt werden, ist davon auszugehen, daß die Beteiligten mit ihrer Mitgliedschaft in der Organisation persönliche Ziele verfolgen, die sich von den zugewiesenen Aufgaben der Organisation zwar unterscheiden, mit ihnen aber dennoch mehr oder weniger vereinbar sind. So ist es selbstverständlich, daß Beteiligte die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht nur als ihre Ziele, sondern auch als Mittel zu anderen persönlichen Zielen, z.B. Gelderwerb, als wichtige Erfahrung für andere Lebensziele auffassen. Solange die Arbeitsaufgabe mit der wünschenswerten Sorgfalt erledigt wird, handelt es sich um vorteilhafte Verknüpfungen, um Integration von Organisationsinteressen und persönlichen Zielen der Beteiligten“ 1.

Eine wichtige Aufgabe der Rechtsform ist es, besonders dazu beizutragen, Rechtsunsicherheiten zu verhindern. Oftmals wird die Rechtsform gewählt, die am einfachsten und unkompliziertesten zu sein scheint. Entscheidende Kriterien sind vor allem die Vermeidung von Steuern und die bestmögliche Finanzierung des Projektes. Vernachlässigt werden jedoch oftmals die Überlegungen der Buchhaltung, Sozialversicherung sowie die rechtliche Absicherung gegenseitiger Ansprüche.

Es fehlen oft schriftlich formulierte Normen und Vereinbarungen, weil sie mit der Außendarstellung nicht vereinbar sind oder weil Normsetzungen aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnt werden.

Jedem Mitglied soll ja ein individueller Spielraum gewährleistet werden. Unterschiedliche Vorstellungen werden häufig erst in Konfliktsituationen sichtbar. So können lange andauernde Konfliktphasen zu einem völligen Auseinanderfallen der Gruppe führen, weil klare Vereinbarungen zwar in den Köpfen, jedoch nicht auf dem Papier bestanden.

Das heißt, die Wahl der Rechtsform ist ein wesentliches Gestaltungsinstrument des Projektes und der Gemeinschaft. Durch eine unorganisierte Struktur bei der Gründung von Projekten kann es leichter zur Herausbildung eines „Chefs“ kommen, der gewollt oder auch ungewollt die Abläufe bestimmt, die wichtigsten Leitungsaufgaben übernimmt und dadurch in die Rolle eines Geschäftsführers gerät. Im negativen Sinn kann er seine persönlichen Interessen durchsetzen, den Kurs bestimmen und die anderen beeinflussen, gegen die Interessen der Gruppe. Darum ist die frühzeitige, verbindliche Absicherung der gemeinsamen Ziele, insbesondere der Selbstverwaltung wichtig. Nur so kann die Gruppe verhindern, daß sich im Konfliktfall der formaljuristisch Stärkere durchsetzt.

Eine Rechtsform muß sein, damit die Haftung rechtlich geklärt ist, da diese wiederum die Hauptvoraussetzung für eine Finanzierung darstellt. Verschiedene mögliche Rechtsformen sind:

Staatliche Förderung für eine Gruppe als Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist eine vertragliche Vereinigung von mindestens zwei Personen.

Sie hat gegenüber den Kapitalgesellschaften den Nachteil, daß hier jeder Beteiligte, wie bei einem nichteingetragenen Verein, mit seinem Privatvermögen haftet. Aus diesem Grunde setzt sie ein hohes gegenseitiges Vertrauen voraus. Bei Geschäften mit nennenswertem finanziellen Aufwand gegenüber ihrem Vertragspartner sollte sie klarstellen, daß sie nur mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. Dadurch ist das unbeschränkte persönliche Risiko ausgeschlossen. Die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen muß entweder bei einem Vertrag mit einem Dritten besonders vereinbart werden oder im vorbereitenden Schriftverkehr für den Vertragspartner eindeutig erkennbar sein, (z.B. durch einen entsprechenden Zusatz auf dem Briefbogen der GbR).

Die gesetzlichen Regelungen des bürgerlichen Rechtes sind hierbei ausschlaggebend, solange kein Vertrag zugrundeliegt. Spätestens wenn ein innerbetrieblicher Konflikt vor einer Rechtsinstanz ausgetragen wird, dienen sie als Entscheidungsgrundlage 2

Staatliche Förderung für eine Gruppe als eingetragener Verein

„Vereine entstanden im 19. Jahrhundert, um die sozialen und kulturellen Interessen zu vertreten. Dementsprechend werden sie eher als Bestandteil des kulturell- gesellschaftlichen Lebens und nicht als Element des Erwerbslebens gesehen. Die Ziele der Vereine sind daher vor allem ideelle und soziale Ziele, die jedoch auch von großen beruflichen und politischen Zusammenschlüssen getragen werden können“.3

Die Rechtsgrundlage des eingetragenen Vereins (e.V.) ist das BGB §§21-79. Der e.V. ist eine im Vereinsregister eingetragene, zu einem gemeinsamen Zweck und auf eine gewisse Dauer angelegte Vereinigung von Personen, deren Bestand vom Wechsel der Personen unabhängig ist, bei der die Haftung fast ausschließlich auf das Vereinsvermögen beschränkt ist und die sich eine Satzung gegeben hat. Zur Gründung eines Vereins werden mindestens sieben Personen benötigt. Auf der Gründungsversammlung muß die Satzung beschlossen und der Vorstand gewählt werden. Im Mittelpunkt der Vereinstätigkeit steht in der Regel die satzungsmäßige ideelle Aufgabenstellung.

Das Gründungsprotokoll muß von allen Gründungsmitgliedern unterschrieben werden. Sodann muß der Vorstand, als gesetzmäßiger Vertreter, den Verein zur Eintragung in das Vereinsregister anmelden. Dem Antrag sind folgende Unterlagen beizufügen: Satzung, Gründungsprotokoll und Unterschriften des Vorstandes, die im Beisein eines Notars geleistet werden müssen.

Gleichzeitig ist es günstig, auch den Antrag auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu stellen. Dazu müssen in der Satzung folgende wichtige Punkte enthalten sein: Ein Verein wird dann als gemeinnützig anerkannt, wenn er nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient und die Allgemeinheit selbstlos fördert.

Vorteile der Gemeinnützigkeit können sein:

– Befreiung von der Körperschaftssteuer

– Befreiung von der Gewerbesteuer

– Umsatzsteuerermäßigung von 14% auf 7%

– steuerabzugsfähige Spendenbescheinigungen können ausgestellt werden

Nachdem das Registriergericht den Antrag geprüft hat, wird der Verein ins Vereinsregister eingetragen und erhält damit seine Rechtsfähigkeit.

Außer bei Gemeinnützigkeit ist eine Körperschaftssteuer zu zahlen. Diese ist geregelt in §52 ff der Abgabenverordnung. Die Rechtsfähigkeit ist die Befähigung des Vereins Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Für ihn besteht nun z.B. die Möglichkeit, verklagt zu werden, aber auch selbst zu klagen und Verträge zu schließen. Erst die Eintragung in das Vereinsregister ermöglicht die Rechtsfähigkeit eines Vereins.

Die Abstimmung erfolgt im Verein in der Mitgliederversammlung. Ein eingetragener Verein ist zur Verwirklichung seiner Ziele auf finanzielle Mittel angewiesen. Diese erhält er aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, durch öffentliche Förderungen und Zuschüssen. Aus diesem Grund unterteilt er sich in verschiedene Bereiche:

– den ideellen Bereich

– die Vermögensverwaltung (z.B. Geldanlage und Vereinsvermögen)

– den wirtschaftlichen Geschäftsbereich (dieser unterteilt sich in den steuerbegünstigten Zweckbetrieb und den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb) 4

Inger Elsner

Literatur:

1 Engelhardt, Hans Dietrich, Organisationsmodelle, Verlag Dr. Jürgen Sandmann, Aling, 1995

2 Wirtschaftslexikon, 7. überarbeitete Auflage, R. Oldenbourg Verlag, München Wien, 1993

3 Bosse, Ursula, Gruppenprozesse und Organisationsentwicklung in selbstorganisierten Einrichtungen, Eigenverlag, des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 1993

4 Giess, Die neue Vereinsbesteuerung,stv/ Stollfuß Leitfaden, 1990

Aus:” Grenzen und Möglichkeiten von modernen Lebensgemeinschaften als zeitgemäßer Ansatz im sozialen Bereich, dargestellt am Beispiel einer konkreten Utopie Leben, Wohnen und Arbeiten in einer dörflichen Gemeinschaft im Land Brandenburg”, Diplomarbeit, Fhss Berlin, 1997.

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