Die gepa

Aus DER RABE RALF Oktober 1995

In dieser und in der kommenden Ausgabe versuche ich, die größte und (wirtschaftlich) wichtigste alternative Importorganisation der BRD, die „Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt“ (gepa) mbH, vorzustellen.

Nach dem Vorbild der holländischen Hilfsorganisation „SOS-Wereldwinkel“ wurde sie vor 20 Jahren gegründet. Sie soll mittlerweile die weltweite Marktführerin in diesem Handelsbereich sein. Mit anderen alternativen Handelsorganisationen aus Österreich, der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Großbritannien, Frankreich und Norwegen bildet sie eine Art Kartell, die EFTA (European Fair Trade Organisation). So koordiniert die gepa mit diesen Firmen ihre gemeinsamen Importe, um unnötige Doppelungen (Einkauf mehrerer Importeure beim selben Erzeuger) zu vermeiden.

Die GmbH

hat ein Stammkapital von 4,044 Millionen DM (1994); Geschäftssitz ist Schwelm in Nordrhein-Westfalen. Regionalverteiler der gepa-Waren gibt es im gesamten Bundesgebiet. Auf dem Gebiet der weggewendeten DDR befinden sich Warenlager in Dresden und in Caputh (bei Potsdam). Die HauptgesellschafterInnen sind das bischöfliche Hilfswerk der katholischen Kirche MISEREOR und der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED), eine Organisation der evangelischen Kirche, mit jeweils 2 Millionen DM. Weitere kirchliche Kapitaleigner sind mit je 9.000 DM die AG der evangelischen Jugend in Deutschland (aej) und der Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ). GesellschafterInnen außerhalb der Kirchen sind die AG3WL (siehe Teil 1) mit 24.000 DM und die Basisgruppen „Nord“ und „Süd“ von Aktionsgruppen in der „Aktion 3. Welt Handel“ (A3WH) mit je 1.000 DM. Die Abstimmung erfolgt nach Kapitalanteilen, womit deutlich wird, daß bestimmte kirchen- und gesellschaftskritische Meinungen kaum Einfluß auf die Firmenpolitik haben dürften, was in der Vergangenheit auch der Fall war.

Der Umsatz lag 1993 bei ca. 40 Millionen DM, wovon 80% durch den Verkauf von Lebensmitteln und 20% durch den Verkauf von Kunsthandwerk erwirtschaftet wurde.

Kaffee und Tee…

…sind die wichtigsten Waren im gepa-Angebot. Kaffee hat einen Anteil von 50% an allen verkauften Lebensmitteln, Tendenz steigend.

In den letzten Jahren wurde durch die gepa besonders der ökologische Landbau in den betreffenden Projekten gefördert. Durch die anschließende Zertifizierung z.B. von Bio-Schwarztee durch den Umweltverband NATURLAND erschloß sich die gepa außerhalb der A3WH-Nische andere Märkte: die Bioläden, Kantinen, Mensen. Zum NATURLAND-Siegel gesellte sich das Transfair-Siegel (siehe Teil 1). Mit dieser „Fairsiegelung“ wurde der Sprung in bundesweite Supermarktketten möglich.

Das steigende Bedürfnis deutscher KonsumentInnen nach immer mehr „Bio“ löste nicht nur in der A3WH Diskussionen über einen zu erwartenden „Öko-Kolonialismus“ aus. Da nur verkauft werden kann, was verlangt wird, müssen sich die ErzeugerInnen, insbesondere bei monokulturell angebauten Produkten wie Tee und Kaffee, nach den Wünschen der VerbraucherInnen richten. Dies kann besonders in der Zeit der Umstellung der Böden auf Bioanbau für viele ProduzentInnen das wirtschaftliche „Aus“ bedeuten. Um dem vorzubeugen, wird durch eine Mehrpreiszahlung und langfristig abgeschlossene Verträge mit Garantien für Mindestabnahmen (was ein Hauptmerkmal des solidarischen Handels ist) den ErzeugerInnen die wirtschaftliche Existenz ermöglicht, da selbst nach der Umstellung der Böden diese nie wieder so ertragreiche Ernten ermöglichen werden wie mit dem Einsatz von Chemiedünger, Pestiziden usw. Der Anbau erfolgt auf Wunsch der VerbraucherInnen also wieder wie in früheren Zeiten ökologisch, doch ändert dies nichts an der gesellschaftlichen Situation für die LandarbeiterInnen. Die Frage, ob die ProduzentInnen von allein auf chemische Hilfsmittel verzichten würden, ist für mich die Kernfrage in der Diskussion um Öko-Kolonialismus.

Während europäische VerbraucherInnen z.B. ökologisch angebauten Kaffee oder Tee fordern, ist nur ein Bruchteil derselben Leute bereit, hier im eigenen Land etwas für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen zu tun. Geschieht dies aber nicht, handelt es sich nach meiner Meinung um den erwähnten Öko-Kolonialismus. Solange die notwendigen gesellschaftlichen Umbrüche hier nicht stattfinden, kann in der sogenannten 3. Welt auch nichts geschehen – außer daß die Menschen dort nun „ökologischer“ ausgebeutet werden.

Alternative und Markt

Da die Gesetze der kapitalistischen Marktwirtschaft auch für alternative Betriebe gelten, ist die gepa als alternative Marktführerin das geeigneteste Beispiel dafür, daß die Theorie vom „Wachsen oder Sterben“ in diesem Wirtschaftssystem richtig ist. In den letzten 20 Jahren wuchs die gepa: MitarbeiterInnen und Unterhaltskosten der Regionalstellen sowie die wachsende Ausstattung kosten viel Geld. Doch dies muß erst einmal erwirtschaftet werden – und das bei einer Vorausbezahlung vieler Waren, bevor diese in den Regalen stehen, um das Produzieren in den Projekten überhaupt erst zu ermöglichen. Selbst ein guter Regalplatz im Supermarkt muß erkauft werden (das sogenannte „Listen“). Dazu kommen Ausgaben, die auf den ersten Blick nur eine Belastung darstellen: Erstellung von Projekt- und Produktinformationen, Bildungsarbeit (Seminare u.a.) und schließlich die Werbung. Je größer eine Firma wird, umso größer wird auch der Konkurrenzdruck. Also muß die in der A3WH an erster Stelle stehende Informationsarbeit zur „Aufklärung“ der Menschen hier über die Situation in den Produktionsländern dazu dienen, den Umsatz zu steigern. Von lobenden Worten allein kann sich auch die gepa nicht ernähren, also müssen (wie im Kommerzhandel üblich) Marketingstrategien her. Die harmloseste diesbezügliche Änderung war die Kleinschreibung des Namens: aus GEPA wurde gepa.

Ein anderer Weg, der eingeschlagen wurde, ist der Aufbau eines Versandhandels. Während bis zum Ende der 80er Jahre GEPA-Waren ausschließlich in Weltläden und auf Kirchenbasaren erhältlich waren, werden jetzt KundInnenkreise angesprochen, die entweder Weltläden lieber meiden oder aber keinen in der Nähe wissen. Um wirtschaftlich auch auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein, muß notgedrungen auf ein gesellschaftskritisches Vokabular im Katalogtext verzichtet werden nach dem Motto: Jede KäuferIn ist automatisch EntwicklungshelferIn.

Die AG3WL als GesellschafterIn „faßte nach heftigen Diskussionen im Februar 1991 den Beschluß, die Strategie der gepa zur Handelsausweitung „konstruktiv und kritisch“ zu begleiten. Tatsache ist, daß die gepa, die 1991 noch rund 87% ihres Umsatzes durch die Vermarktung ihrer Produkte über Weltläden und Aktionsgruppen erwirtschaftete, durch die neuen Vertriebsbereiche (z.B. Versandhandel, Bio- und Naturkostläden) im EndverbraucherInnenbereich teilweise eine Konkurremzsituation geschaffen hat. Ob die Handelsausweitung ihr angestrebtes Ziel erreicht und sich letztlich sowohl für die ProduzentInnen in den Südländern wie für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit (und -politik!) hierzulande positiv auswirkt, wird in wenigen Jahren neu zu bewerten sein.“

Neue Produkte braucht das Land

Um die VerbraucherInnen mit immer mehr alternativen Produkten zu versorgen, müssen neue Produkte, d.h. auch neue ProduzentInnen gefunden werden. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wurden 1993 die entwicklungspolitischen Kriterien von 1977 für die Auswahl von Produkten und Projekten geändert. Kritische Stimmen meinen, daß es sich bei dieser „Modernisierung“ der Kriterien um eine Verwässerung handelt, um so viele neue HandelspartnerInnen wie möglich mit einem entsprechenden Produktionsvolumen zu gewinnen. Die über zwanzig Jahre alte Idee des gerechteren Handels kommt somit durch die Marktzwänge immer mehr in Bedrängnis. So ist bei der gepa ein Trend erkennbar: Bei der Auswahl von neuen ProjektpartnerInnen entfernt sie sich von der Förderung politischer Bewegungen (z.B. LandbesetzerInnen) und wendet sich den gediegeneren Strukturen bei Vermarktungsorganisationen in den ErzeugerInnenländern zu. Durch die Vermarktung über meist nichtstaatliche und „Non Profit“-Organisationen wird trotzdem etwas erreicht, was der Idee der A3WH eigentlich entgegensteht: die immer größer werdende Anonymität der ProduzentInnen. Die Verantwortlichen bei der gepa sind anscheinend auch der Meinung, daß es reicht, über Ungerechtigkeiten – z.B. im Welthandel – zu informieren, um eine kleine Alternative darzustellen. Die Veränderungen sollen andere bewerkstelligen – aber wer?

Stefan Schrom


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