Gemeinsam mit dem Global Nature Fund, dem NABU Fachausschuss Lebendige Seen, dem Netzwerk Lebendige Seen Deutschland und dem Wassernetz Berlin veranstaltete die Stiftung Living Rivers und die GRÜNE LIGA Berlin die bundesweite Seenfachtagung 2024 am 14.11. in der Villa Elisabeth in Berlin Mitte.
Von den 728 nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie berichtspflichtigen Seen in Deutschland erreichen nur etwa 25 % den guten ökologischen Zustand. Für die meisten Seen kleiner als 50 ha, die nicht darunter fallen, findet kein vergleichbares Monitoring statt. Zu den wesentlichen Einflussfaktoren der Seenqualität zählen die Nährstoffbelastung, insbesondere aus landwirtschaftlichen Quellen, der Uferverbau und der Eintrag von Umweltgiften. Die trockenen Jahre setzen die Seen zusätzlich unter Stress und der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Anforderungen an erfolgreiche Seensanierungen steigen, denn bei akutem Wassermangel und höheren Seentemperaturen verstärken sich auch die Tendenzen zur Eutrophierung.
Im Rahmen des Klimagipfels wurde im Jahre 2023 eine „Freshwater Challenge“ ausgerufen, mit dem Ziel, die aquatische Biodiversität besser zu schützen. Auch in den strategischen Zielen ist der Schutz der Süßwasserlebensräume verankert, sowohl im SDG 6 – Schutz des Wassers als auch im SDG 15 – Landökosysteme, unter denen auch Feuchtgebiete, Seen und Flüsse subsumiert werden.
Auch in Berlin ist der Einfluss von Temperatur und Verdunstung auf die Seen deutlich spürbar. Der Wasserstand des Groß Glienicker Sees ist seit 1970 um etwa 2,40 m abgesunken und der Trend hat sich in den vergangenen 10 Jahren sogar noch beschleunigt auf 12,80 cm jährliches Absinken. Dem fallen vor allem die Flachwasserzonen im Uferbereich zum Opfer. Der Groß Glienicker See liegt im Einflussbereich der Brunnengalerien der Berliner Wasserbetriebe, und die Entnahmen zur Gartenbewässerung steigen in Trockenjahren deutlich an. Ein Brunnenkataster zur Erfassung der privaten Entnahmen gibt es in Berlin allerdings nicht. Der Weiße See weist einen augenscheinlich ausgeglichenen Wasserhaushalt auf. Allerdings werden hier jährlich etwa 50.000 m³ gereinigtes Grundwasser zugeführt, während der Grundwasserstand im weiteren Einzugsgebiet, zu dem auch der Obersee, der Orankesee und einige Teiche gehören, sinkt. Hier gibt es erste Überlegungen, das Regenwasser aus der Kanalisation fernzuhalten und zur Grundwasseranreicherung zu nutzen. Von den Berliner Kleingewässern leiden etwa 44 % deutlich unter den Folgen der Trockenheit. Mithilfe der Regenwasseragentur und extra für den Schutz der Kleingewässer bereitgestellten Mitteln soll hier Abhilfe geschaffen werden.
Beim Naturschutztauchen in vielen Seen fallen immer wieder auch die Fraß—und Wühlschäden auf, die Karpfen und andere künstlich besetzte Fische in der Unterwasservegetation anrichten. Auch übermäßiges Anfüttern trägt zum Nährstoffeintrag bei. Am niedersächsischen Dümmer wird auch von Fraßschäden durch Nutria berichtet. Mobile Gabionen können hier zur Reetablierung der Schilfbestände eingesetzt werden. Der Global Nature Fund ist deutscher Fokal Point der RAMSAR-Konvention und will den Feuchtgebietsschutz mit Kooperationsprojekten am Dümmer und mit der Ausweitung der Wetland Cities unterstützen.
Michael Bender
Stiftung Living Rivers &
GRÜNE LIGA – Bundeskontaktstelle Wasser
Kurzzusammenfassungen und Download-Links der Präsentationen:
Zustand der Seen in Deutschland
Dr. Alexander Wachholz, Umweltbundesamt
Wiederherstellung von Standgewässern (Seen) im Kontext des ANK
Tom Kirschey, ANK/ZUG
In seinem Vortrag „Wiederherstellung von Standgewässern (Seen) im Kontext des ANK“ stellte Tom Kirschey, Leiter des Kompetenzzentrums Natürlicher Klimaschutz (KNK), das Aktionsprogramm der Bundesregierung vor, welches in seinem Handlungsfeld 2 auch die Standgewässer adressiert. Er ging darin zunächst auf die unterschiedlichen Rechtsrahmen von Klimaschutz-, Wasser- und Naturschutzrecht und die neue EU-Wiederherstellungsverordnung ein, erläuterte dann für Gewässerwiederherstellung relevanten bestehenden und in Entwicklung befindlichen Förderprogramme unter dem Dach des ANK und stellte die Angebote des KNK auch für die Vernetzung von im Gewässerschutz tätigen Akteursgruppen vor. Ab sofort kann man sich im Netzwerk Natürlicher Klimaschutz (https://www.kompetenzzentrum-nk.de/netzwerk-natuerlicher-klimaschutz/) registrieren. Das KNK bietet darüber hinaus sowohl Orientierungs- als auch Fachberatung zu den Förderprogrammen an und unterstützt den Kompetenzaufbau. Abschließend betonte er die Bedeutung von Zielklarheit und gemeinsamen Bewertungsmaßstäben hinsichtlich Gewässertrophie, Klimawirkung und Auswirkungen auf die Biodiversität für den Erfolg von Wiederherstellungsmaßnahmen für Seen und warb für naturbasierte gegenüber technischen Maßnahmen zur Seenrestauration.
Schutz und Wiederherstellung von Süßwasserökosystemen durch internationale Abkommen
Theresa Schiller, WWF
Groß Glienicker See – Wasserstress durch Klimawandel und Trinkwasserförderung
Anjuschka Wagner, Bürgerinitiative-Pro-Groß-Glienicker-See e.V.
Mit einer Fläche von ca. 67 ha ist der Groß Glienicker See der größte Landsee Berlins. Er ist vom Grundwasser abhängig und mit dem Sacrower See über Grundwasserleiter verbunden. Der Wasserspiegel des Groß Glienicker Sees ist mittlerweile über 2 m gesunken, seit 2015 massiver als zuvor. Weite Uferbereiche sind bereits trockengefallen.
Wissenschaftliche Studien bestätigen den veränderten Wasserhaushalt. Einerseits zeigen sich die Abhängigkeit von Niederschlägen und Evapotranspiration. Andererseits fließt offensichtlich weniger Grundwasser in den See hinein oder mehr als früher heraus.
Die örtlichen Grundwasserstände – beide Seen sind davon abhängig – sind stark gesunken. Übernutzung und fehlende Grundwasserneubildung zeigen hier deutlich ihre negativen Folgen. Ob die beiden Wasserwerke Kladow und Beelitzhof Einfluss auf die Wasserstände der beiden Seennehmen, konnte eine Umweltverträglichkeitsprüfung bisher nicht ausschließen. Die Berliner Wasserbetriebe arbeiten bereits an einem Grundwasser-Strömungsmodell. Doch bis tragfähige Ergebnisse vorliegen, werden noch Jahre vergehen. Wer das regionale Grundwasservorkommen und damit auch die Seen retten will, muss schnell handeln.
Eine Direkteinleitung von gereinigtem Havelwasser – seit Langem an den Grunewaldseen erfolgreich praktiziert – würde die defizitären Grundwasserstände ausgleichen und die Trinkwasserversorgung langfristig sichern. Das würde auch die Wasserspiegel des Groß Glienicker Sees und des Sacrower Sees wieder anheben, stabilisieren – und damit wertvolle Biotope für weitere Generationen erhalten.
Planung und Umsetzung der ökologischen Aufwertungsmaßnahmen am Weißen See
Wolf Sasse, Straßen- und Grünflächenamt Pankow (SGA Stab Grün)
Deutsche Seen im Klimawandel: Prognosen und mögliche Anpassungsstrategien
Prof. Dr. Michael Hupfer, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
In dem Beitrag wird darstellt, dass der Klimawandel auf sehr komplexe Weise auf Seeökosysteme wirkt. Geschädigte Ökosysteme reagierend dabei empfindlicher auf den Klimastress. Um Nutzungs- und Güteziele zu erreichen sind noch mehr Anstrengungen zur Reduzierung der Nährstoffeinträge notwendig. Die Anpassung an den Klimawandel erfordert neben ingenieurtechnischen Maßnahmen auch ein modernes Monitoring und einfache Prognosemodelle.
Seen aus der Tiefe: Erkenntnisse aus dem Projekt „Naturschutztauchen“
Silke Oldorff, NABU BFA Lebendige Seen
Horizon EURO Lakes-Projekt
Frank Apffelstaedt, Naturschutzring Dümmer
Mit dem Projekttitel „Integrierte Schutz- und Wiederherstellungsansätze für natürliche Seeökosysteme“ sollen über das EuroLakes-Projekt an drei Seen in Europa naturbasierte Lösungen zur Sanierung und Restaurierung umgesetzt werden, am Lago di Vico in Italien, am Bistret-See in Rumanien und am Dümmer in Deutschland (Niedersachsen). Ziel ist es, die Ökosysteme durch einen wissenschaftsbasierten, intgrierten Ansatz wiederherzustellen, in dem nicht allein die Belange des Naturschutzes im Vordergrund stehen, sondern die Projektregionen auch wirtschaftlich, sozial und das persönliche Empfinden der lokalen Bevölkerung in Bezug auf den Schutz der Natur profitieren. Das Projekt folgt dem sog. “4-Return-Framework”, das die vier genannten Ziele vereinen soll. Funktionierende Naturschutzmaßnahmen sollen repliziert werden an mindest. drei weiteren Seen, in Dänemark, Irland und Moldawien. Das Projekt sieht vor, lokale, nationale und internationale Partnerschhaften aufzubauen und Strategien für die Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen zu entwickeln (Bsp. „Ökosytemdienstleistungen“). Wesentlich ist der Dilaog mit Stakeholdern vor Ort und die Sensibilisierung für die Erfordernisse, Seenökosysteme zu schützen und zu entwickeln. Das Projekt unterstützt die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, des europäischen Green Deals und die Ziele der UN- Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen.
Am Beipiel Dümmer werden konkret geplante Maßnahmen zum Schutz und zur Entwicklung von Röhricht mittels Schutzeinrichtungen gegen Verbiss und Erosion erläutert. Das EuroLakes-Projekt hat eine Laufzeit vom 01.09.2024 bis 31.08.2028.
Vorstellung des GNF-Projekts zu Ramsar & Wetland Cities
Katja Weickmann, Global Nature Fund
90% der Feuchtgebiete in Deutschland sind in vergangen 300 Jahren verloren gegangen. 80% der Feuchtgebiete befinden sich heute in einem schlechten ökologischen Zustand. Dabei spielen die Feuchtgebiete eine Schlüsselrolle in unserer Umwelt. Eine der wichtigen Aufgaben ist heutzutage die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Akzeptanzschärfung für die Notwendigkeit von Maßnahmen für den Erhalt und eine nachhaltige Nutzung dieser Ökosysteme. Im September 2024 startete der GNF das Projekt „Chancen und Perspektiven für Feuchtgebiete: Ramsar-Gebiete und Wetland Cities in Deutschland“. Es stellt ein wichtiges Instrument für den Schutz, Erhalt und eine nachhaltige Nutzung der Feuchtgebiete weltweit in den Fokus: die Ramsar-Konventionzum Schutz der Feuchtgebiete. Im ersten Schritt wird die allgemeine Öffentlichkeit über den Wert von gesunden Feuchtgebieten, ihre große wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung für unsere Lebensgrundlagen (Ökosystemdienstleistungen), die sie uns bieten, informiert. Dabei dient die Ramsar-Konvention als konzeptionelle und kommunikative Klammer. Im zweiten Arbeitspaket werden Städte und Gemeinden mit dem Konzept „Wetland Cities“ angesprochen. „Wetland Cities“ ist eines der zentrale Instrumenteim Rahmen der Ramsar-Konvention, um Städte weltweit bei der nachhaltigen Entwicklung und dem Schutz ihrer Feuchtgebiete zu unterstützen und sie für ihre Aktivitäten auszuzeichnen. Diese Initiative ist eine Antwort auf die Urbanisierung als einen der wichtigsten Megatrends unserer Zeit. Die Ramsar-Initiative „Wetland Cities“ betont die Bedeutung von Partnerschaften zwischen Stadtverwaltungen, lokalen Gemeinschaften, NGOs, Bildungseinrichtungen und anderen relevanten Akteuren. Bestandteile des Projekts sind u.a. eine Kommunikationskampagne, Informationsbroschüren zu Ramsar Gebieten in Deutschland und zu Wetland Cities. Eine Wanderausstellung gewährt Einblicke in die deutschen Ramsar-Gebiete, ihre Herausforderungen, Erfolge und Chancen.
Fotos von Katja Feist:



