Das Verkehrsprojekt 17 Deutsche Einheit umfasst den Ausbau von 280 km Wasserweg von Wolfsburg bis Berlin. Die gesamte Strecke soll auf 4 m Wassertiefe und eine Wasserbreite von 42 m (Spundwand) bis 70 m (Kurven) ausgebaggert werden.
Was ist geplant?
Im Berliner Stadtgebiet sind dazu 27 Brücken neuen Durchfahrtshöhen und -breiten anzupassen.
Neu- bzw. Ausbau von Schleusen steht u.a. in Rothensee, Hohenwarthe, Wusterwitz, Zerben, Brandenburg, Bahnitz, Charlottenburg, Kleinmachnow und Spandau an. Auf den Ausbau der Schleuse Plötzensee wird vorerst verzichtet.
Im Bereich des Mittellandkanals sind die Bauarbeiten bereits im Gange. In Berlin liegen Planunfeststellungsbeschlüsse für das Vorhaben 7, den Neubau der Schleuse Charlottenburg, und für die Schleuse Spandau vor.
Folgen für den Spree/Havel – Bereich
Von den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit betrifft Nr. 17 als einziges die Binnenschiffahrt. Das Projekt 17 sieht auf der Strecke Hannover-Magdeburg-Berlin den Ausbau von 280 km Wasserweg vor. Die gesamte Strecke soll auf 4 m Tiefe und je nach Profil (Spundwand oder Böschung) auf 42-55 m (in Kurven bis zu 72 m) Wasserspiegelbreite ausgebaggert werden. Das soll ermöglichen, daß hier 110 m lange 2000 t-Großmotorgüterschiffe und Schubverbände von 180 m Länge, 11,40 m Breite und 2,80 m Abladetiefe fahren und sich auch begegnen können.
Betroffen sind Mittellandkanal, Elbe-Havel-Kanal, Havel, Sacrow-Paretzer Kanal, Teltowkanal, Britzer Zweigkanal, Westhafenkanal und Spree. Auch der Oder-Havel-Kanal soll verbreitert, vertieft und abgedichtet werden.
Den Schleusenneubauten in Charlottenburg, Spandau und Kleinmachnow stehen Kleingartenkolonien, die Zitadelle Spandau und das Naturschutzgebiet Buschgraben/Bäketal im Wege.
Mit Verbreiterung des Flußquerschnitts um ein Drittel im Zuge des Projekts 17 verringert sich die Flußauendynamik, da mittlere Hochwasser ausuferungslos abfließen können.
Die Fischer rechnen bei weiterem Ausbau mit verheerenden Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt, denn wenn der Abfluß durch den Sacrow-Paretzer-Kanal zunimmt, verringert sich die Durchströmung der Potsdamer und Werderaner Havelseen, in denen sich die über den Teltowkanal eingeleiteten Klärwerksableitungen Berlins sammeln. Hinzu kommt, daß die Sümpfungswasserförderung des Lausitzer Braunkohletagebaus zurückgeht und die Niederschläge Jahrzehnte brauchen, um den Grundwasserraubbau der Tagebaue halbwegs wieder auszugleichen. Daher muß die Stauhaltung zusätzlich verschärft werden, um im Sommer einen Wasserstand von 4 m überhaupt halten zu können.
Auch im Hochwasserschutz treffen die Gedanken der Naturschützer nach den Ausuferungen von Rhein und Oder auf fruchtbareren Boden. Viele Quadratkilometer große Flußauenlandschaften, die auf den Wechsel von Überschwemmungen und Niedrigwasser angewiesen sind, eignen sich als Überflutungsfläche wesentlich besser als die Innenstädte von Wroclaw oder Köln.
Wem nützt die Wasserautobahn?
Was liefert nun die Begründung für die Ausbauvorhaben? Stößt die Binnenschiffahrt in den neuen Bundesländern bei dem rasanten Wachstum des Transportaufkommens an die Grenzen ihrer Kapazität? Kann sie in Zukunft mehr Arbeitsplätze bereitstellen? Können im Jahre 2010 nur noch die großen Pötte wirtschaftlich verkehren? Soll die ostdeutsche Binnenschiffahrt einen ähnlich hohen Anteil des Güterverkehrs übernehmen wie im Westen?
Falsch geraten! Der vorhandene Schiffsraum liegt so weit über dem Bedarf, daß die Bundesrepublik Abwrackungen prämiert. Die Zahl der in der Binnenschiffahrt Beschäftigten sinkt auch mit Ausbau weiter, nur eben schneller. Nach Prognosen der Planer werden die Großmotorgüterschiffe im Raum Berlin im Jahre 2010 gerade 3% der Schiffe stellen, und viel mehr als 5% des ostdeutschen Güterfernverkehrs lassen sich auch dann nicht über die Wasserautobahnen befördern. Worauf sich der explosionsartige Zuwachs im Massengüterverkehr gründet, wird das ewige Geheimnis der Vorhersageinstitute bleiben. Für die Bundesregierung gibt allein die Senkung der Transportkosten den Ausschlag. Dabei klingt noch halbwegs plausibel, daß die billigere Güterbewegung zwischen Ballungsräumen den Standort Deutschland stärkt, doch daß die regionalen Wirtschaftsstandorte aufblühen, wenn riesige Containerschiffe an ihnen vorbeiziehen, vermag nicht alle Kritiker zu überzeugen.
Natürlich freuen sich die kapitalkräftigen Binnenreedereien, daß ihr Großes Rheinschiff demnächst bis nach Szczecin durchfahren kann, während der Konkurrenzdruck schon jetzt immer mehr selbstständige Schiffsführer zum Aufgeben zwingt. Im Bundesgebiet sank die Zahl der in der Binnenschiffahrt Beschäftigten von 30.000 1964 auf unter 8.000 im Jahr 1995. Nutznießer des Projekts 17 lassen sich auch bei den Schleusen-, Tief- und Wasserbaufirmen sowie etlichen Ingenieur- und Landschaftsplanungsbüros ausmachen. Die Millionenhappen bleiben dabei wohl eher bei den großen Fischen hängen. Letztendlich legitimiert nur der unaufhörliche Ausbau die Existenz von Behörden wie dem Wasserstraßenneubauamt.