Vielfalt als Widerstand

Die Grenze zwischen den USA und Mexico ist knapp 3.200 Kilometer lang. Zaun- und Mauerabschnitte gibt es auf etwa einem Drittel. Der Bau einer durchgängigen Mauer war eine der zentralen Forderungen im Wahlkampf Donald Trumps. Direkt an der Grenze zwischen San Diego und Tijuana liegt der Friendship Park. 2007 gründete die Gruppe „Border Encuentro“ innerhalb des Parks einen binationalen Garten für heimische Pflanzen. Die Mauer verläuft direkt durch die Beete.

An der Grenze zwischen Mexico und den USA bei Tijuana und San Diego liegt der Friendship Park Foto: Maria Teresa Fernandez

An der Mauer zwischen den USA und Mexiko sterben jedes Jahr weit mehr Menschen als insgesamt an der Berliner Mauer ums Leben kamen. Die Grenze zwischen den beiden Ländern ist knapp 3.200 Kilometer lang, Zaun- und Mauerabschnitte gibt es auf etwa einem Drittel. Der Bau einer durchgängigen Mauer war eine der zentralen Forderungen im Wahlkampf Donald Trumps. Sollte er sein Versprechen einlösen, wird das Vorhaben das größte Bauprojekt der Neuzeit. Bereits unter Bill Clinton wurde Mitte der 90er Jahre mit dem Mauerbau begonnen, um 1000 Kilometer erweitert wurde sie unter George W. Bush nach den Terroranschlägen vom 11. September und auch unter dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama entstanden weitere Abschnitte.

Fotos: Maria Teresa Fernandez

 

 

 

 

 

Der älteste Teil der Mauer aus der Clinton-Ära beginnt fünfzig Meter vor der Küste im Pazifischen Ozean. Hohe Eisenbahnschienen stecken im Strand zwischen San Diego und Tijuana, deren offizieller Grenzübergang zu den geschäftigsten der Welt gehört. Direkt an der Grenze zwischen San Diego und Tijuana liegt der Friendship Park. In seinem Zentrum steht das erste binationale Denkmal, das nach dem Krieg zwischen den beiden Ländern 1948 errichtet wurde und die neue Grenze markierte. Historische Fotos zeigen eine Stele, die mittig auf zwei Halbkreisen steht, durch die die Grenze verläuft – angelegt als offener Platz internationaler Begegnung. Die First Lady Pat Nixon eröffnete 1971 den Friendship Park mit den Worten „Ich hasse die Vorstellung, hier irgendwo einen Zaun zu sehen“. Der Park sollte als Treffpunkt dienen, in den ersten Jahren seines Bestehens gab es tatsächlich keinen Zaun. Die Grenzsicherheit wurde jedoch in den 90er Jahren erhöht und nach den Terroranschlägen vom 11. September noch einmal besonders verschärft. Damals war es BesucherInnen trotzdem möglich, sich durch den Zaun zu berühren oder sogar auf die andere Seite zu gehen, um gemeinsam zu picknicken. Die Gruppe „Border Encuentro“ organisierte binationale Yoga-Stunden, Lesungen und Sprachkurse. 2007 gründete sie innerhalb des Parks einen binationalen Garten für heimische Pflanzen. Die Mauer verläuft direkt durch die Beete.

Foto: Friends of Friendship Park

Ein Jahr später verbündeten sich Individuen und NGOs zur Grassroots-Koalition Friends of Friendship Park. Trotz ihres Widerstands schloss das U.S. Department of Homeland Security 2009 den gesamten Park, um einen weiteren Zaun zu bauen. Der Protest hielt an und zwang die US-Regierung 2012 schließlich dazu, den Park wieder zu öffnen – innerhalb des neuen Stahlzauns, dessen Gewebe so dicht ist, das man kaum hindurchsehen kann. Auf US-Seite wird der Zugang von den Grenzpatrouillen streng kontrolliert. Die Besuchsvorschriften erinnern an ein Gefängnis, die Zeitfenster sind kurz, Berührungen fast unmöglich, nichts darf durch den Zaun gereicht werden. Auf der mexikanischen Seite hingegen erfährt der Park von der örtlichen Kommune große Unterstützung und ist Tag und Nacht zugänglich. Dadurch können sich im Binational Garden auf beiden Seiten der Grenze Menschen treffen um zwar voneinander getrennt aber trotzdem gemeinsam zu gärtnern. Seit zwei Jahren engagiert sich auch die Grassroots-Organisation Cultiva Ya, die sich für Food Justice einsetzt, im binationalen Garten und bietet der mexikanischen Community Workshops im Gemüseanbau. Von der Ernte profitieren Migranten und sozial Schwache. In diesem Jahr ist eine Kompostierungsanlage geplant, die Erwerbsmöglichkeiten schaffen soll. Aber auch Donald Trump hat einen Plan: 2017 sollen San Diego und Tijuana zum Testgebiet für eine neue Grenzmauer werden. Friends of Friendship Park, die weiterhin um ungehinderten öffentlichen Zugang zum Park kämpfen, wollen die erhöhte Aufmerksamkeit nutzen, um den Druck auf die Politik zu erhöhen: Gegen die zunehmende Militarisierung der Region, für ein interkulturelles und friedliches Miteinander und ökologische Zusammenarbeit auf beiden Seiten der Grenze.

Die Internationale Urban Farming Konferenz in Berlin

Dieses Projekt ist nur eines von vielen aus aller Welt, die sich auf der Internationalen Urban Farming Konferenz der GRÜNEN LIGA Berlin vorstellen. Es vereint aber beispielhaft die vielen Facetten des Urban Farmings, die im Rahmen der Konferenz am 11. und 12. September in den Räumen der Heinrich Böll Stiftung Berlin präsentiert werden.

Die Gründe für die Renaissance urbaner Landwirtschaft sind so vielfältig wie die Bewegung selbst. Weltweit wird auf Dächern, Brachflächen, Hochbeeten, in Containern oder Säcken, an Wänden, auf privaten und öffentlichen Flächen, auf Erde oder Nährstofflösung gegärtnert und geackert. Die Motivationen und Ziele spannen dabei einen weiten Bogen – gegärtnert wird für grüne statt graue Städte, die die Lebensqualität steigern, für ein soziales und interkulturelles Mit- statt Gegeneinander, gegen die zunehmende Entkommunalisierung, gegen Überhitzung und für mehr Biodiversität, aus wirtschaftlichen Gründen oder für die Sicherung und Regionalisierung der Ernährung.

Ziel der Konferenz ist es zum einen, diese Vielfalt und Brisanz des Urban Farmings abzubilden. Ein weiterer Fokus ist es, Projekten, Organisationen und Kommunen aus dem Globalen Süden und Norden die Gelegenheit zu geben, sich miteinander zu vernetzen und politische Rahmenbedingungen zu diskutieren. Denn Urbane und peri-urbane Landwirtschaft werden in Zukunft global weiter an Bedeutung gewinnen. Im Jahr 2050 werden Schätzungen zufolge 10 Milliarden Menschen auf dem Planeten leben, davon zwei von drei Menschen in Städten. Ernähren können wird uns nicht die industrielle Landwirtschaft, die mit ihrem Raubbau an endlichen Ressourcen und ihren immensen Transportwegen den Klimawandel wesentlich mitverantwortet. Die Zukunft der Welternährung und die Frage, wie wir in diesen rapide wachsenden Städten zusammenleben werden, gehören zu den drängendsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Wie wir diesen Herausforderungen begegnen können, zeigen auf der Internationalen Urban Farming Konferenz zahlreiche praktische und wissenschaftliche Projektbeispiele aus Berlin, Deutschland, Europa, Afrika, Asien, Nordamerika und Südamerika. Entsprechend des Fokus auf internationalen Austausch und Vernetzung ist die Konferenz interaktiv und partizipativ angelegt. Die Keynote der Konferenz präsentiert Marielle Dubbeling. Die Leiterin der niederländischen Non-Profit-Organisation RUAF, die sich seit 1999 global als Plattform für nachhaltige urbane Landwirtschaft und Ernährungssysteme einsetzt, gibt einen Überblick über die Vielfalt und Bedeutung des Urban Farmings. Im Open Space stellen sich insgesamt 18 Projekte vor. Mit dabei ist etwa das internationale Netzwerk 15th Garden, das für die Ernährungssouveränität der Zivilbevölkerung in Syrien kämpft oder das Kulturzentrum KÉK aus Budapest, das von jungen ungarischen ArchitektInnen, KünstlerInnen und ZivilistInnen betrieben wird und mittlerweile vier Gemeinschaftsgärten betreibt. Zu den TeilnehmerInnen der Konferenz-Panels gehören unter anderem Davinder Lamba, der Leiter des Mazingira Institute im kenianischen Nairobi. Das Institut arbeitet seit 1987 mit städtischen und nationalen Programmen im Bereich Subsistenz- und Erwerbsgärten, ist auch international breit vernetzt und hat in Nairobi ein Netzwerk für urbane LebensmittelproduzentInnen gegründet. Darüber hinaus werden insgesamt elf Workshops angeboten, die thematische Bögen von Klimaanpassung über Stadtplanung, Recht auf Stadt und Essbare Städte bis zu Frauen Empowerment, Nord-Süd-Vernetzung und Städtepartnerschaften, Ernährungssicherheit, Bildung und Konflikttransformation spannen.

Die Konferenz wird gerahmt von Exkursionen zu Berliner Urban Gardening und Urban Farming Projekten – auf dem Programm stehen etwa das Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld und ein Besuch auf der IGA mit der Roof Water Farm. Der offizielle Empfang führt in die Prinzessinnengärten zu einem Konzert von EL AKA. Der Rapper ist Gründer der Organisation Agroarte in Medellin. Die kolumbianische Stadt ist von jahrzehntelanger Gewalt geprägt. Agroarte unterrichtet Jugendliche in Hip Hop und Urban Farming – eine Kombination, mit der sie ihre Stadt gemeinsam zurückzuerobern und die sprichwörtlich blutgetränkte Erde, mit der sie arbeiten, in einen Ort des Wachstums und lebendiger Erinnerung verwandeln.

International Urban Farming Conference
11. – 12. September 2017
Schumanstraße 8
10117 Berlin

 


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