Äpfel machen das Rennen

Aus DER RABE RALF Dezember 2017/Januar 2018, Seite 6

Regionale Streuobstsorten des Jahres 2017

Streuobstwiesen sind Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten und weisen eine große Sorten- und Artenvielfalt auf. Ihr hoher ökologischer Wert basiert auf robusten und wenig pflegebedürftigen Sorten, die auch als Genreservoir zu sehen sind.

Den Titel „Streuobstsorte des Jahres“ vergeben regional organisierte Verbände für Obst- und Gartenbau sowie Gruppen des Deutschen Pomologenvereins und des Umweltverbandes BUND. Die fünf größten Verbände benannten für 2017 durchweg Apfelsorten als Sieger.

Sonnenwirtsapfel

In Baden-Württemberg kam der Sonnenwirtsapfel zu Ehren. Er stammt aus dem württembergischen Backnang, wo er 1937 vom Wirt des Gasthofs „Sonne“ als Sämling entdeckt und weitervermehrt wurde. Durch seine landschaftsprägende kugelförmige Krone und die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten eignet sich dieser Apfel für Streuobstwiesen besonders. Der Baum ist mittelstark bis stark wachsend bei etwas hängendem Wuchs. Bei ausreichender Pflege erreicht er ein hohes Alter und kann recht groß werden. Die Blüte setzt mittelfrüh ein.

Die Erntezeit des Sonnenwirtsapfels währt nur kurz: von Ende September bis Anfang Oktober. Der Baum wirft gute Erträge ab und die Äpfel können, im kühlen Keller gelagert, bis Ende Februar verzehrt werden. Sie sind mittelgroß bis groß und kugelförmig abgeflacht. Die Schale zeigt sich grünlich-gelb, auf der Sonnenseite braunrot marmoriert oder geflammt. Der Sonnenwirtsapfel ist mit seinem festen, saftigen und etwas säuerlichen Fruchtfleisch sehr gut für die häusliche Verarbeitung geeignet.

Hartapfel

Hessen kürte den Wetzlarer Hartapfel zum Sieger. Unbekannt in seiner Herkunft, war er Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Gegend um Wetzlar weit verbreitet. „Die für den Kreis Wetzlar zum Massenanbau empfehlenswertesten Apfel- und Birnensorten“, eine 1913 erschienene Schrift, beschreibt den Hartapfel als „gute Marktfrucht für die Wirtschaft“. Heute ist der Hartapfel nur noch sporadisch in der Lahn-Dill-Region anzutreffen, auch aus dem Sortiment der Baumschulen ist die Sorte so gut wie verschwunden.

Der Name der Sorte bezieht sich auf die Härte des Holzes, weniger auf die Frucht, zumal die Schale dünn und das gelbe Fruchtfleisch relativ weich ist (Vorsicht bei Ernte und Lagerung). Der Hartapfel schmeckt saftig, weinsäuerlich und mäßig aromatisch. Berichten zufolge gibt er ein wohlschmeckendes Kompott und eignet sich sehr gut als Kuchenbelag.

Als Baum wächst der Hartapfel ziemlich stark (pyramidal und hoch), er wird groß und alt und sollte wegen der Neigung zu Obstbaumkrebs regelmäßig ausgeschnitten werden.

Hartapfel (Foto: Steffen Kahl, Pomologen-Verein, Landesgruppe Hessen)

Tietjenapfel

Auch die norddeutsche Streuobstsorte 2017 verdankt ihre „Wiedererweckung“ einem Zufallssämling. Der wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Dorfschullehrer und Heimatdichter Friedrich Seebode während einer Dünenwanderung bei Uphusen, einem heutigen Ortsteil der Stadt Achim südlich von Bremen, gefunden. Der Dichter vermehrte ihn im Schulgarten weiter – nicht ohne ihm vorher noch den Mädchennamen seiner Frau zu verpassen.

Aufgrund seiner Robustheit (kaum schorfanfällig) und Anspruchslosigkeit (auch auf armen Sandböden anbaufähig) ist der Uphuser Tietjenapfel eine sehr gute Selbstversorgerfrucht mit regelmäßigen Erträgen und ansprechendem Geschmack. Pflückreif ist der Tietjenapfel im Oktober, genussreif bis Anfang Dezember. Die überwiegend kugelige, grüne Frucht (mit roten Bäckchen) besitzt unter der glatten, nicht fettenden Schale ein markig festes, saftiges Fruchtfleisch mit süß-säuerlichem Geschmack und einer charakteristischen leicht holzigen Note.

Das Gehölz des Baums muss regelmäßig ausgedünnt werden, um Kleinfrüchtigkeit zu vermeiden.

Uphuser Tietjenapfel (Foto: Sybil Käsedick)

Erbachhofer Mostapfel

Die Gartenbauvereine Rheinland-Pfalz und Saarland haben den Erbachhofer Most- oder auch Weinapfel zur Streuobstsorte 2017 auserkoren. Auch hier ist die genaue Herkunft nicht bekannt. Die Sorte wird seit 1925 von der Baumschule Fey in Meckenheim (Rheinland) vermehrt und als Mostapfel angeboten. Die Regionalsorte ist vorwiegend im Saar-Mosel-Raum zu finden, kommt aber gelegentlich auch anderswo in Streuobstbeständen vor.

Der Erbachhofer Mostapfel findet, seinem Namen entsprechend, in erster Linie bei der Herstellung von Viez (Apfelwein) und Saft Verwendung. Geerntet wird Anfang Oktober, auf Lager ist die Sorte bis Januar oder Februar haltbar. Die Früchte sollten jedoch rasch verarbeitet werden, da ihr Saftgehalt schnell nachlässt. Der Apfel ist klein, eiförmig und hat eine typisch dunkelrote Deckfarbe. Er schmeckt säuerlich, hat kaum eigenes Aroma und ist als Tafelfrucht nicht geeignet.

Safranapfel

Der Safranapfel ist die einzige von einem ostdeutschen Verband gekürte Streuobstsorte. Die Landesgruppe Sachsen des Pomologenvereins begründet ihre Wahl mit dem Status der Sorte als bedrohte Art. Denn obwohl sie ein „alter Sachse“ ist und ihr Anbau bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, sind erwachsene Bäume heute nur noch vereinzelt im Vogtland und im Westerzgebirge zu finden.

Die erste Beschreibung der Sorte gab um 1800 der Pastor und Pomologe Johann Ludwig Christ aus Kronberg im Taunus. Der Safranapfel soll damals wegen seiner guten Haltbarkeit eine geschätzte Handelsware auf den Leipziger Herbstmessen gewesen sein.

Der Safranapfel ist safrangelb (im späten Reifestadium auf der Sonnenseite rot-verwaschen), sehr saftig und von feinem süß-säuerlichen Geschmack. Die Früchte können als Tafelobst wie auch als Wirtschaftsapfel verwendet werden. Sie können lange gelagert werden und sind um die Weihnachtszeit genussreif.

Der Baum stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden und kann – unter Ausbildung einer schirmartigen Krone – sehr alt werden. Die Sorte ist außerordentlich frosthart.

Safranäpfel und Pomologen (Foto: Pomologen-Verein, Landesgruppe Sachsen)

Apfel, Kirsche, Quitte

Dass es mit der Obstsorten-Wahl auch anders kommen kann, zeigt ein Blick nach Österreich und in die Schweiz. Auch die Österreichische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Streuobstbaus und zur Erhaltung obstgenetischer Ressourcen kürt jährlich einen Sieger. Für die Schweizer Obstsorte macht das die Vereinigung Fructus. Während die Wahl in Österreich auf die Joiser Einsiedekirsche fiel – eine schwarze, halbfeste bis feste Knorpelkirsche –, war in der Schweiz die seit Jahrtausenden kultivierte Quitte erfolgreich.

Jörg Parsiegla

Weitere Informationen:
www.pomologen-verein.de

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