Atomwaffen sind verboten

Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 19

Nuklearwaffen als Bedrohung für Mensch und Umwelt

Aktion vor dem Bundeskanzleramt zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags. (Foto: IPPNW)

Zwei existenziellen Bedrohungen ist die Welt ausgesetzt: Umweltkrise und Atomwaffen. Die Auswirkungen von beiden reichen über Nationalstaatsgrenzen und Jahrtausende hinaus und verursachen globale Zerstörungen und generationenübergreifendes menschliches Leid. Während die Menschheit zunehmend auf Klima und Artenvielfalt schaut, erhalten Atomwaffen weit weniger Aufmerksamkeit. Dabei hängen beide Bedrohungen unvermeidlich zusammen und verstärken sich gegenseitig.

Klima und Atomwaffen – eine tödliche Spirale

Einerseits hätte der Einsatz von Atomwaffen katastrophale Auswirkungen auf das Klima. Modellberechnungen zeigen dauerhaft niedrigere Temperaturen und eine globale Hungerkrise als Folgen. Schon bei einem sogenannten „begrenzten“ Atomkrieg mit einigen hundert Nuklearwaffen zwischen Indien und Pakistan würden Regenfälle über Indien und Zentralchina ausbleiben und ein jahrzehntelanges Klima-Ungleichgewicht entstehen. Ein solcher Krieg könnte auch die Ozonschicht weitgehend zerstören. Zwei Milliarden Menschen, vor allem im globalen Süden, wären vom Hungertod bedroht.

Andererseits wirken der Klimawandel und die schwindende biologische Vielfalt selbst als Auslöser oder Verstärker von Konflikten, was den Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlicher machen könnte. Durch Klimawandel und Umweltzerstörung ausgelöste politische Instabilitäten und Umbrüche erhöhen zudem das Risiko, dass extremistische oder terroristische Kräfte Zugang zu Atomwaffen erhalten und weitere Staaten nach Atomwaffen streben. Darüber hinaus gefährden Extremwetterlagen und Umweltzerstörung die Sicherheit von Atomwaffenanlagen an sich.

Atomwaffen als Quelle globaler Ungerechtigkeit

Atomwaffen verursachen nicht nur bei ihrem Einsatz unsägliches Leid, schon ihre Produktion und die Tests haben katastrophale Folgen für Menschen und Umwelt. Menschen im globalen Süden, indigene Gruppen und ethnische Minderheiten sind davon überproportional betroffen.

Ganze pazifische Inseln wurden durch Atomwaffentests zerstört, tausende Inselbewohner:innen wurden radioaktiver Strahlung ausgesetzt und für immer aus ihrer Heimat vertrieben. Ein UN-Sonderberichterstatter nannte diese Tests „eines der grausamsten Beispiele für Umweltungerechtigkeit, die es gibt“. Auf den pazifischen Marshallinseln detonierte in den 12 Jahren von 1946 bis 1958 ein Äquivalent von täglich 1,5 Hiroshima-Bomben. Noch heute übersteigt die radioaktive Belastung auf Teilen der Inseln das Doppelte des für Menschen verträglichen Maßes. Heute bedroht der durch den Klimawandel ansteigende Meeresspiegel die Inseln, auf die die ehemaligen Bewohner der Testgebiete umgesiedelt wurden, so dass sie erneut in Gefahr sind, ihre Heimat zu verlieren. Zudem droht der steigende Meeresspiegel radioaktiven Müll von den Testgebieten in den Ozean zu spülen.

Auch US-amerikanische Ureinwohner wie die Navajo wurden beim Abbau von Uran für die Atomwaffenproduktion und bei Atomtests enormen Strahlungsbelastungen ausgesetzt, mit drastisch erhöhten Krebsraten als Folge. Auf ihrem Land lagert bis heute nuklearer Müll, der von der Regierung und privaten Firmen nicht regelkonform entsorgt wird.

Das Leid, die Sorgen und die Kritik dieser Menschen werden von den Atomwaffenstaaten ausgeblendet. Das stellt eine Form von strukturellem Rassismus dar.

Ein Vertrag für nukleare Abrüstung

Trotzdem investieren Atomwaffenstaaten weiterhin in nukleare Waffensysteme und geben gigantische Summen für die Modernisierung ihrer Arsenale aus. Diese Dynamik erhöht gleichzeitig das Risiko eines versehentlichen oder geplanten Atomkriegs.

Immer mehr Staaten und Zivilgesellschaften wollen sich jedoch mit dem Unrecht, das mit Atomwaffen einhergeht, nicht länger abfinden. Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen ist am 22. Januar dieses Jahres ein Meilenstein globaler nuklearer Abrüstungsvereinbarungen in Kraft getreten. Der Vertrag wurde maßgeblich von betroffenen Staaten vorangetrieben, vor allem den pazifischen Inselstaaten, die das auch schon beim Pariser Klimaabkommen getan haben. Aber auch zivilgesellschaftliche Akteure sind für die Entstehung des Atomwaffenverbotsvertrags verantwortlich, wie die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die für ihr Engagement 2017 den Friedensnobelpreis erhielt (Rabe Ralf Dezember 2017, S. 3). Der Vertrag verbietet Besitz, Einsatz, Entwicklung, Produktion und Test von Nuklearwaffen sowie das Drohen mit solchen Waffen. Das Verbot beruht auf der ureigenen Unmenschlichkeit von Atomwaffen und erkennt auch ihre umweltzerstörende Wirkung an. Deshalb sind Staaten neben der Kompensation für humanitäres Leid auch zur Sanierung von Umweltschäden infolge von Einsatz und Tests von Atomwaffen verpflichtet.

Atomwaffen in Deutschland: Fliegerhorst Büchel in der Eifel. (Foto: Stahlkocher/​Wikimedia Commons)

86 Staaten haben den Vertrag bereits unterschrieben, 54 haben ihn aktuell ratifiziert. Die Atomwaffenstaaten und ihre Bündnispartner lehnen den Verbotsvertrag jedoch bisher ab. Auch die jetzige deutsche Regierung schließt einen Beitritt aus. Dieser würde auch die Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen in Deutschland illegal machen.

Gemeinsam gegen Klimakrise und Atomwaffen

Wir müssen die beiden Bedrohungen zusammendenken: Um Klima und Umwelt zu schützen, brauchen wir Demilitarisierung – und in der Rüstungskontrolle müssen wir die ökologischen und humanitären Auswirkungen von Atomwaffen berücksichtigen. Eine Lösung können wir nur als globale Gemeinschaft finden. Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein erster Schritt in diese Richtung, weil er die Schäden an Menschen und Umwelt anerkennt und Staaten zur Verantwortung zieht. Um ans Ziel zu gelangen, müssen sich Klimaschutz- und Anti-Atomwaffen-Bewegung noch mehr zusammenschließen.

Sofie Bliemel 

Die Autorin ist Politikwissenschaftsstudentin und ICAN-Botschafterin.
Weitere Informationen: www.icanw.de

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