Auf dem Holzweg

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2021, Seite 15

Warum der Umstieg auf Holz unser Klima nicht retten kann

Holz speichert den Kohlenstoff aus dem CO₂, bis es verrottet oder verbrannt wird. (Foto: Martin Vorel/Libreshot)

Im Zuge der Debatte um den Beitrag der Forstwirtschaft zum Klimaschutz behaupten deren VertreterInnen, man müsse Bäume frühzeitig fällen, denn die nachwachsenden jungen Bäume würden viel schneller wachsen und dadurch mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre saugen. Alte Bäume und Wälder seien, da sie kaum noch wüchsen, eher nutzlos.

Was daran stimmt, ist, dass junge Bäume schneller in die Höhe wachsen. Das war‘s aber auch schon. Der Rest ist ein sorgfältig aufgebautes Lügenkonstrukt, das einzig und allein den wirtschaftlichen Interessen derer dient, die vom Holzverkauf profitieren.

Viel Holz schnell anbauen?

Für Professor Christian Körner von der Uni Basel ist dabei der wichtigste Punkt, dass viele den Unterschied zwischen Umsatz und Kapital nicht beachten oder gar nicht kennen. Wachstum und dessen Schnelligkeit sind im Wald der Umsatz. Der Waldbestand, die gespeicherte Biomasse ist das Kapital. Solange Bäume wachsen, nimmt die Biomasse zu, der Kapitalstock wächst. Jede Holzernte, aber auch Waldbrände verringern die Biomasse. In alten Wäldern ist mehr Biomasse und damit mehr Kohlenstoff gespeichert als in neu gepflanzten Baumbeständen.

Plant man eine größere Anschaffung und will dafür sparen, nützt einem ja auch ein hohes Monatsgehalt wenig, wenn man alles Geld gleich wieder ausgibt. Nur wenn die Ausgaben geringer als die Einnahmen sind, kann das Guthaben wachsen.

Erntet man das Holz, was in der Regel im Alter der Bäume zwischen 80 und 120 Jahren passiert, wird der Speicher, also das Guthaben, auf einen Schlag leergeräumt. „Macht nix“, sagen Verfechter einer intensiven Holznutzung (zum Beispiel diejenigen, die Holzverbrennung als „klimaneutral“ bezeichnen). „Das schafft viel Platz und Licht, damit nehmen die jungen Bäume den Kohlenstoff schnell wieder auf.“

Junge Bäume nehmen wenig CO₂ auf

Wenn das stimmen würde, müssten wir unsere Weihnachtsbäume jedes Jahr mit dem Gabelstapler nach Hause fahren. Doch nach acht bis zwölf Jahren Wachstum haben sich gerade mal eine kleine Baumkrone und Wurzelwerk ausgebildet. Schnell wachsen und an Holzmasse zulegen können die Bäume erst ab einem Alter von 30 bis 40 Jahren. Selbst im hohen Alter wachsen sie weiter. 250-jährige Buchen wachsen auch noch, geerntet werden sie trotzdem spätestens im Alter von 140 Jahren.

Professor Körner räumt auch mit einem anderen Missverständnis auf: mit der Behauptung, höhere Konzentrationen des Treibhausgases CO₂ seien wachstumsfördernd. In einer Reihe von Versuchen ließ sich das nicht bestätigen. Das funktioniert nur in Gewächshäusern, in denen beispielsweise Tomaten zugleich mit ausreichend Wasser und allen benötigten Nährstoffen versorgt sind. Das Wachstum selbst ist es, das die Aufnahme von Kohlendioxid antreibt, nicht umgekehrt.

Holzwirtschaft abschaffen?

Sollten wir dann gar keine Bäume mehr fällen, um das Klima zu retten? Die meisten Wälder in Deutschland würden viele Jahrzehnte lang, ja sogar Jahrhunderte lang weiterwachsen und könnten in dieser Zeit fleißig Kohlenstoff einlagern. Auch die vielen Nadelbaumplantagen, die derzeit wegen Dürre und Hitze absterben, könnten im toten Holz noch etliche Jahre lang Kohlenstoff horten, nachwachsende Bäume könnten allmählich damit beginnen, einiges vom zwangsläufig frei werdenden Kohlenstoff einzulagern.

So einfach ist die Sache aber nicht. Unsere Wälder sind nicht groß genug für den schnellen Klimaschutz und können deshalb nur einen kleinen Beitrag leisten.

Holzernte hat schon Sinn, denn der hochwertige Werkstoff – richtig verwendet – verhindert, dass stattdessen noch mehr energieintensive oder umweltgefährdende Werkstoffe hergestellt werden. Bauen mit Holz und die Herstellung langlebiger Holzprodukte sind dafür gute Beispiele. Keine guten Beispiele sind Wegwerfprodukte wie Einwegpaletten, die meisten Papierprodukte und zum großen Teil auch Brennholz.

Zwar wird etwa die Hälfte der gesamten Holzernte Deutschlands verbrannt, aber damit decken wir nur etwa drei Prozent unseres Energiebedarfs. Würden wir die gesamte Jahresernte verheizen, wäre der Schaden riesig, der Nutzen aber gering.

Eine Frage der Fairness

Und dann ist da noch der gesellschaftliche Aspekt. Viele Menschen verdanken ihren Arbeitsplatz und Lebensunterhalt ganz oder teilweise der Ernte und Verarbeitung von Holz. Wir dürfen wegen einer zusätzlichen Einsparung überschaubarer CO₂-Mengen nicht Zehntausende von Betrieben schließen. Wer ganz oder teilweise vom Holzverkauf lebt, darf nicht einfach teilenteignet werden. Sämtlichen Holzeinschlag stoppen hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten, während beispielsweise der Verkehrssektor überhaupt keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet – ein Desaster, das etwa in steigenden Zulassungszahlen für schwere SUVs gipfelt.

Auch die zunehmende Kritik aus Wissenschaft und Umweltbewegung an der geplanten Intensivierung der Holznutzung vor allem zur Energiegewinnung sollte nicht in diese Richtung missverstanden werden. Wir müssen neben etlichen schmerzhaften Einschnitten auch Raum für eine sinnvolle, sozial und ökologisch zukunftsfähige Wald- und Holzwirtschaft lassen.

Energieholz – klimaschädlicher als behauptet

Die Kritik an der Holzverbrennung jedoch wächst. Es mehren sich die Erkenntnisse und die Warnungen derer, die davon abraten, im Namen des Klimaschutzes noch mehr Holz zu verheizen. So haben mehr als 500 internationale WissenschaftlerInnen einen Brief unter anderem an den US-Präsidenten und die Präsidentin der EU-Kommission veröffentlicht. Sie fordern die Politik auf, Subventionen und andere Anreize zur Verbrennung von Holz zu stoppen und die Verbrennung von Biomasse nicht mehr als CO₂-neutral oder CO₂-arm zu bewerten.

Es ist ein wachsendes Problem: Weltweit wollen Unternehmen das Verfeuern von Holzbiomasse in Großkraftwerken ausweiten, obwohl dies dem Klima und dem Naturschutz massiv schadet. Immer noch wird die Verbrennung von Holz als CO₂-frei angesehen und behandelt. Grund dafür ist die Treibhausgas-Bilanzierung: Solange der Kohlenstoffspeicher Wald im Land nicht kleiner wird (weil nicht mehr Holz entnommen wird, als nachwächst), spart man sich ein genaueres Zählen und Rechnen und tut einfach so, als ob kein Kohlendioxid entstehen würde. Dabei verraten schon die Schornsteine an Häusern und Kraftwerken mit Holzfeuerung das Gegenteil. Dass bei der Verwendung von Holz für jede erzeugte Kilowattstunde Wärme oder Strom sogar mehr CO₂ in die Luft abgegeben wird als bei der Verwendung fossiler Brennstoffe, liegt an der geringeren Energiedichte von Holz und an der meist niedrigeren Effizienz der Anlagen.

Mit großer Besorgnis kritisieren vor diesem Hintergrund auch Umweltverbände wie Robin Wood die Bundesregierung, die eine Subventionierung von Holzbiomasse plant. Mit über einer Milliarde Euro soll die Umrüstung von Kohlekraftwerken zu Gas- oder Biomassekraftwerken gefördert werden. Die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zielt auf eine höhere Energieproduktion aus Biomasse ab. Auch die Pellet-Industrie steht in den Startlöchern. So fanden bereits Gespräche zwischen dem weltgrößten Pelletproduzenten Enviva und der Bundesregierung statt.

Holzöfen als Dreckschleudern

Umweltschädlich ist übrigens auch das heimelige Holzfeuer. Das liegt nicht nur an der ineffizienten Technik vieler Kaminöfen. Zwar weist das Typenschild eines modernen Kaminofens Effizienzwerte von 75 oder 80 Prozent aus, was Blockheizkraftwerken durchaus nahekommt, im realen Leben sorgt der Mensch aber selbst für die größten Fehler und Energieverluste. Das fängt mit falschem Anzünden an, setzt sich mit feuchtem Holz oder unpassender Scheitgröße fort. Legt man zu früh oder zu spät nach, ergeben sich weitere Verluste. Große Energiefresser sind auch die Lüftungsklappen, die am Abend offenbleiben und durch die auch dann warme Raumluft entweicht, wenn die Öfen außer Betrieb sind. Am Ende kann man froh sein, wenn man 50 Prozent Effizienz erreicht, also die Hälfte der im Holz gespeicherten Energie als Nutzwärme in der Wohnung ankommt. Von Feinstaub und hochgiftigen Abgasen ganz zu schweigen.

László Maráz

Der Autor ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt & Entwicklung.

Weitere Informationen: www.forumue.de/waelder

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