Guter Traktor, schlechter Traktor?

Aus DER RABE RALF April/Mai 2024, Seite 3

Warum wir die Bauernproteste nicht rechts liegen lassen sollten

Da würden viele Bauern zustimmen: Trecker auf links-grüner Protestdemo in Berlin. (Foto: Stefan Müller/Flickr, CC by 2.0)

Seit Wochen protestieren Landwirtinnen und Landwirte in vielen europäischen Ländern gegen EU-Gesetze. Besonders massiv waren die Blockaden und Demonstrationen in Tschechien und Frankreich.

In Deutschland hatten Mitte Januar Erklärungen auf Telegram-Kanälen und rechtsoffenen Webseiten Schlagzeilen gemacht, die von Umsturz raunten und damit vor allem den Sturz der aktuellen Bundesregierung meinten – und dort ganz besonders die Grünen im Visier hatten. Diese Aversionen wollte sich der FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Christian Lindner bei der Abschlusskundgebung der Proteste am Brandenburger Tor im Januar zunutze machen, wo er mit rechtspopulistischen Thesen das Publikum für sich einzunehmen versuchte. So lobte er die LandwirtInnen, die angeblich bei ihren Protesten das Brandenburger Tor schützten – im Gegensatz zu den KlimaaktivistInnen, die es beschädigen würden.

Zum Glück ging das rechtsliberale Geraune unter, weil bei Lindners Rede nur noch gepfiffen und gebuht wurde. Allerdings ist daher auch zu vermuten, dass es nicht der Inhalt war, der zum Pfeifkonzert führte, sondern die Tatsache, dass ein Politiker der Ampel-Regierung bei den bäuerlichen Protesten auftreten konnte.

Wer die vielen Deutschlandfahnen an den Traktoren gesehen und auch einige der zumindest rechtsoffenen Parolen gelesen hat, die an den Fahrzeugen befestigt waren, kann sicher verstehen, warum viele im linken Spektrum die Bauernproteste mit Skepsis betrachten. Doch das kann keine Rechtfertigung dafür sein, dass manche gerade auch der grünen Bewegung nahestehenden Kreise den Protesten mit regelrechtem Hass begegnen. Da wurde sogar gefragt, warum es den LandwirtInnen noch erlaubt sei, mit ihren Traktoren, die teilweise mit Panzern verglichen wurden, an den Demonstrationen teilzunehmen.

Als Traktoren sehr willkommen waren

Vergessen wird dabei nicht nur, dass der Traktor einfach zum Arbeitsgerät in der Landwirtschaft gehört. Es ist auch erst einige Jahre her, dass in linken und grünen Kreisen Bauern und Bäuerinnen gelobt wurden, wenn sie sich mit ihren Traktoren an Blockaden der Atomtransporte ins Wendland beteiligten. Da war der Traktor ein Symbol für eine besonders gut gesicherte Castor-Blockade und kein verkappter Kampfpanzer.

Darauf hat auch die anarchistisch orientierte Berliner Gruppe „Perspektive Selbstverwaltung“ hingewiesen. Mit Schildern begrüßten einige ihrer Aktiven die Traktoren, die Mitte Januar zum größten Protesttag am Brandenburger Tor nach Berlin fuhren. Damit war Perspektive Selbstverwaltung eine der wenigen linken Gruppen, die sich in den Protesten aufseiten der BäuerInnen engagierten – und dafür auch Kritik erfuhren. Ihnen wurde sogar eine links-rechte „Querfront“ vorgeworfen.

Darauf wurde allerdings auf einer Veranstaltung nur kurz eingegangen, zu der Perspektive Selbstverwaltung am 19. Januar in einen Stadtteilladen in Berlin-Kreuzberg eingeladen hatte. Die KritikerInnen waren dort nicht anwesend. Vielmehr fanden sich viele, vor allem junge Linke ein, die die Proteste der LandwirtInnen nicht rechts liegen lassen wollten.

Sie trieb die Frage um, wie sich soziale und linke Initiativen stärker in diese Proteste einbringen können und wo es überhaupt Berührungspunkte gibt. Erfreulich war, dass nach einer kurzen Einführung in kleineren Arbeitsgruppen diskutiert wurde. Dort sprachen mehrere der Teilnehmenden das Problem an, dass sie die Verhältnisse in der Landwirtschaft kaum kennen. „Wir kaufen die Lebensmittel im Supermarkt oder sogar online und wissen nicht mehr, unter welchen Bedingungen sie produziert werden“, brachte es eine junge Frau auf den Punkt. Diese Distanz scheint auch ein Grund für die beschriebene Ablehnung bäuerlicher Proteste zu sein, wo dann der Traktor schon fast zum Kampfpanzer wird.

Anknüpfungspunkte beim Amazon-Protest

Auf der Veranstaltung wurde auch darüber diskutiert, dass es in der Landwirtschaft unterschiedliche Ausbeutungsverhältnisse gibt, die sich eigentlich auch in den Protesten ausdrücken sollten. So gibt es landwirtschaftliche Großunternehmen, die Beschäftigte oft zu schlechten Arbeitsbedingungen schuften lassen, meist in der Ernte oder Verarbeitung. Viele von ihnen kommen aus dem Ausland. Sie waren bei den Protesten kaum zu finden. Aus einer gewerkschaftlichen und linken Perspektive müssten sie und ihre Forderungen nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen besonders unterstützt werden.

Viele Anknüpfungspunkte gäbe es auch zu anderen Feldern der sozialen Auseinandersetzung. So wurden bei den bäuerlichen Protesten auch Discounter und Amazon-Auslieferungszentren wegen ihrer unfairen Geschäftspraktiken blockiert. Auf der Veranstaltung wurde daran erinnert, dass unter dem Motto „Make Amazon Pay“ (Amazon soll zahlen) seit Jahren linke Initiativen die Beschäftigten des Amazon-Konzerns in ihrem Kampf für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen unterstützen. Seit einigen Monaten wehrt sich in Berlin zudem eine Initiative gegen den Amazon-Tower, ein überdimensioniertes Hochhaus am S-Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain. „Warum war niemand von diesen AktivistInnen anwesend, als Amazon blockiert wurde?“ war eine offene Frage auf der Veranstaltung. Da hätten also Forderungen der Beschäftigten in die Proteste getragen werden können, um beides zu verstärken.

Erwerbslose und Landwirte kooperieren

Erinnert wurde schließlich an das Bündnis „Wir haben es satt“. Die Initiative dazu ist vor Jahren wesentlich von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) ausgegangen. Die Idee dahinter ist einfach. Die Bäuerinnen und Bauern fordern zu Recht höhere Preise für ihre Produkte. Damit sich Menschen mit geringem Einkommen diese Produkte leisten können, müssen staatliche Leistungen entsprechend angehoben werden. So protestieren BäuerInnen, Erwerbslose und andere Gruppen seit 2011 gemeinsam für einen „Zugang zu gesunden, umwelt- und klimagerecht erzeugten Lebensmitteln für alle“. Das wäre die Grundlage für höhere Preise für die LandwirtInnen.

Es zeigt sich also: Eine solidarische Kooperation zwischen BäuerInnen und sozialen Initiativen gibt es längst.

Gewerkschaftliche und bäuerliche Initiativen

Darauf macht auch die „Initiative Grüne Gewerke“ bei der Basisgewerkschaft FAU aufmerksam, die ebenfalls die bäuerlichen Proteste unterstützt. Eine Kollegin der Initiative hat durchaus Verständnis für die Wut der LandwirtInnen. „Es geht um eine Politik, die seit Jahrzehnten den bäuerlichen Betrieben schadet, Saisonarbeitskräfte ausbeutet und die Agrarindustrie und außerlandwirtschaftliche Investoren fördert“, fasst sie zusammen.

Damit liegt sie argumentativ ganz auf der Linie der linken bäuerlichen Vereinigung Uniterre aus der Schweiz. „Die LandwirtInnen erheben sich in diesen Tagen gegen das neoliberale System, den globalisierten Markt und fehlende Anerkennung. Genug ist genug“, lautet die kämpferische Botschaft der Organisation, die in dem globalen antikapitalistischen Netzwerk Via Campesina organisiert ist und sich klar gegen rechte und Anti-Klimaforschungs-Positionen auch bei den Protesten stellt.

Peter Nowak

Weitere Informationen:
perspektivesv.noblogs.org
www.wir-haben-es-satt.de
www.gruene-gewerke.fau.org
www.uniterre.ch/de

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