Klima-Folgen

Aus DER RABE RALF Dezember 2022/Januar 2023, Seite 14

Folge 12: Der Rebound-Effekt – Energiesparen ohne viel Wirkung

Besserer Verkehrsfluss durch mehr Autobahnkilometer? Nein, ein Rebound-Effekt verhindert es. (Foto: Alexander Savin/​Wikimedia Commons)

Da ich mich privat seit meiner Jugend mit Basketball befasse, ist mir „Rebound“ ein Begriff: Der Ball prallt bei einem nicht erfolgreichen Korbwurf von Korb oder Brett zurück und kann von einem Spieler wieder gefangen werden. Meistens waren das die größeren Mit- oder Gegenspieler. Aber ein Rebound war und ist immer die Möglichkeit für einen neuen Angriff.

Als ich angefangen habe, mich mit nachhaltigem Wirtschaften, Klimawandel und Energieeffizienz zu befassen, bin ich wieder auf den Begriff „Rebound“ gestoßen. Die Freude, einem bekannten Begriff zu begegnen, wich jedoch schnell der Ernüchterung, als die Bedeutung von Rebound-Effekten in der Ökonomie klar wurde: Es sind Effekte, die das Einsparpotenzial von Effizienzmaßnahmen reduzieren oder ganz vernichten. Manche sprechen auch von „Bumerang-Effekt“. Um zu verstehen, was ein Rebound-Effekt ist und wie er funktioniert, muss man also erst einmal wissen, was Effizienz ist.

Eine Anmerkung: Die Wirkung von Effizienz und Rebound kann sowohl bei Energieressourcen als auch bei Materialressourcen (Rohstoffen) betrachtet werden. Der Fokus dieser Serie liegt aber auf dem Klimaschutz und damit im Bereich Energie. Auf die Materialnutzung werde ich deshalb hier kaum eingehen. Dass es einen Zusammenhang zwischen Materialverbrauch und Energienutzung gibt, ist aber in der letzten Folge über „graue Energie“ deutlich geworden (siehe Folge 11).

Wundermittel Energieeffizienz?

Energieeffizienz ist ein Maß für den Aufwand an Energie, um einen bestimmten Nutzen zu erzielen. Zum Beispiel: Wie viel Strom benötige ich, um ein Loch in die Wand zu bohren? Oder wie viel Kraftstoff verbraucht mein Gefährt, um 100 Kilometer weit zu kommen?

Die Effizienz lässt sich auf zwei Arten steigern. Entweder kann die eingesetzte Energie verringert werden, während der Nutzen gleich bleibt. Oder es wird das Ergebnis pro eingesetzter Energieeinheit gesteigert. Mit der zweiten Methode lässt sich das wirtschaftliche Wachstum (mehr Konsum!) weitgehend vom Energieverbrauch entkoppeln. Schließlich kann man mit der gleichen Energie zehnmal so viele Kühlschränke betreiben, wenn jeder Kühlschrank nur noch ein Zehntel verbraucht. Es ist also kein Wunder, wenn die Politik Energieeffizienzsteigerungen als probates und kostengünstiges Mittel ansieht, um den fossilen Energieverbrauch und damit die Treibhausgasemissionen zu vermindern – bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum.

Ist Effizienz also das Patentrezept für den Umwelt- und Klimaschutz? Im Prinzip ja. Aber ganz so einfach ist das leider nicht. Denn effizientere Technologien können auch zu mehr statt zu weniger Verbrauch führen. Genau dieses Phänomen nennt man „Rebound-Effekt“. Und jeder kennt es eigentlich schon.

Alles wird besser, aber nicht gut

Um zu zeigen, was ein Rebound-Effekt ist und wie er zustande kommt, zähle ich am besten ein paar Beispiele auf:

  • Autofahren wird durch Effizienzsteigerungen günstiger: Braucht der Motor weniger Sprit pro Kilometer, kann ich für das gleiche Geld länger fahren. Das kann aber dazu führen, dass ich größere Strecken fahre oder dass ich auch kurze Wege mit dem Auto zurücklege, statt das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel zu nehmen. Durch die Effizienzsteigerung wird das Auto dann also mehr genutzt – mit entsprechendem CO₂-Ausstoß. Das ist ein Rebound-Effekt. Ein solcher Effekt liegt auch vor, wenn ich wegen des geringeren Spritverbrauchs beim nächsten Autokauf ein größeres Modell wähle – und dann am Ende wieder mehr verbrauche und emittiere.
  • 2000 Jahre nach seiner Erfindung durch die Chinesen wird Papier nur noch mit einem Hundertstel an Material und Energie hergestellt. Gleichzeitig verbraucht die Menschheit so viel Papier wie nie zuvor.
  • Durch Effizienzmaßnamen ist der durchschnittliche Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche von 2000 bis 2015 um etwa 15 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum nahm aber die genutzte Wohnfläche pro Person um 14 Prozent zu (von 39,5 auf 46,5 Quadratmeter).
  • Energetisch sanierte Wohnungen erreichen häufig nicht die versprochenen Energieverbrauchswerte. Das liegt oft auch daran, dass die Bewohner nun die Raumtemperatur etwas höher einstellen als vorher.
  • Fernseher, Smartphone, Tablet, alles wird energieeffizienter. Doch gleichzeitig haben wir immer mehr elektronische Helferlein, und wir nutzen sie lange nicht bis zum Lebensende, sondern kaufen neue, obwohl die „alten“ immer noch einwandfrei funktionieren.
  • E-Bikes waren einst die Hoffnung, Autofahrer auf ein elektrisch unterstütztes Fahrrad zu locken. Durch den Preisverfall und die Weiterentwicklung der Akkus steigen nun aber viele Fahrradfahrer vom einfachen Fahrrad aufs E-Bike um. Zwar werden jetzt auch weniger Autos genutzt, aber durch die schlechtere Ökobilanz der E-Bikes im Vergleich zum muskelbetriebenen Fahrrad schlägt auch hier ein Stück weit der Rebound zu.

Die Beispiele zeigen, dass eine Energieeinsparung schneller zu einem höheren Verbrauch führen kann als gedacht. Es gibt also Rückkopplungseffekte, die überwiegend auf Verhaltensänderungen zurückzuführen sind.

Viele verschiedene Rebound-Effekte

Beim genauen Betrachten der Beispiele zeigt sich, dass es verschiedenartige Rebound-Effekte gibt. Wissenschaftler haben 28 verschiedene Dimensionen ausfindig gemacht. Die drei wichtigsten sind:

  • Direkter Rebound-Effekt: Nachdem durch Effizienzsteigerung ein Produkt oder eine Energiedienstleistung günstiger geworden ist, steigt die Nachfrage. Dies ist ein Preiseffekt: Ein Produkt wird billiger, deshalb kaufen es mehr Menschen.
  • Indirekter Rebound-Effekt: Nachdem durch Effizienzsteigerung eine Energiedienstleistung günstiger geworden ist, steigt die Nachfrage nach anderen energie- und ressourcenverbrauchenden Produkten und Dienstleistungen. Dies ist ein Einkommenseffekt: Durch die Einsparung – zum Beispiel beim Tanken – kann ich mir „endlich“ das zweite, größere Tablet leisten.
  • Makroökonomische Effekte: Effizienzsteigerungen können Angebot und Nachfrage in der gesamten Wirtschaft verändern und führen dann zu Strukturveränderungen und meist auch zu – wiederum ressourcenverbrauchsfördernden – Wachstumseffekten.

Die Vorstellung der 25 weiteren Dimensionen erspare ich mir an dieser Stelle. Wer tiefer in diese spannende Materie eintauchen möchte, dem seien die Bücher und Artikel des Rebound-Experten Tilman Santarius von der TU Berlin empfohlen.

Wenn der Rebound alles zunichtemacht

Auf einen Begriff möchte ich dennoch kurz eingehen: Backfire. Es kann vorkommen, dass der Rebound-Effekt so stark zuschlägt, dass der Gesamtverbrauch sogar zunimmt. Das ist dann ein Rebound von mehr als 100  Prozent und in diesem Fall spricht man vom Backfire-Effekt. „Backfire“ bedeutet Fehlzündung oder auch Gegenschlag. Zur Illustration drei Beispiele aus dem Energie-Lexikon des Physikers und Energieberaters Rüdiger Paschotta:

  • Wenn in Ballungsräumen neue Straßen gebaut werden, um Staus zu vermindern, kann theoretisch der Benzinverbrauch sinken – falls das Verkehrsaufkommen gleich bleibt. Erfahrungsgemäß steigt aber der Verkehr immer so lange an, bis die jeweiligen Kapazitäten überbeansprucht sind, weil erst dann ein Umstieg auf den öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad auch einen Zeitgewinn oder mehr Bequemlichkeit bedeutet. Deswegen können höhere Straßenkapazitäten zwar den Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeug ein wenig reduzieren, sie erhöhen aber vor allem die Verkehrslast und damit auch die gesamten CO₂-Emissionen.
  • Die Energieeffizienz der Straßenbeleuchtung wurde in den letzten 100 Jahren gewaltig gesteigert, trotzdem ist der Energieaufwand pro Kilometer beleuchteter Straße erheblich gewachsen, weil die Ansprüche an die Helligkeit stärker zunahmen als die Effizienz der Leuchtmittel.
  • Den wohl größten Rebound-Effekt findet man bei Computern: Jeder Effizienzgewinn in der Rechenleistung führte zu einem exponentiellen Anstieg in der Anwendung und Leistung von Rechnern.

Was tun?

Wie groß sind aber die Auswirkungen des Rebound-Effekts? Für die Berechnung von langfristigen gesamtwirtschaftlichen Rebound-Effekten gibt Tilman Santarius eine Faustformel an: „fifty-fifty“. Das heißt, Effizienzmaßnahmen erreichen nur ungefähr 50 Prozent der versprochenen Einsparung.

Dennoch hat sich die Erhöhung der Effizienz im Umgang mit Energie und natürlichen Ressourcen zu einer Schlüsselstrategie der Umwelt- und Wirtschaftspolitik entwickelt. Effizientere Technologien und Verhaltensweisen sollen den Energie- und Ressourcenverbrauch reduzieren und damit einen effektiven Beitrag zur Erfüllung der notwendigen Umwelt- und Klimaziele leisten. Durch die Rebound-Effekte wird das deutlich erschwert. Experten sind sich weitestgehend einig, dass es zwar möglich ist, eine Zeit lang in diesem Zustand der überzogenen Grenzen zu verweilen. Aus der Ökologie ist aber bekannt, dass sich jede parasitäre Lebensform an einer Grundregel orientieren muss: Vernichte nie deinen Wirt! Dem grenzenlosen Mehrverbrauch sind also naturwissenschaftliche Grenzen gesetzt.

Die Lösung: Suffizienz

Der wirksamste Weg, Rebound-Effekte zu vermeiden und tatsächlich den Verbrauch und die Emissionen zu senken, ist wahrscheinlich Suffizienz – also Genügsamkeit. Dabei geht es nicht um Askese oder totalen Verzicht, sondern um die freiwillige Einschränkung des Verbrauchs durch den Verzicht auf übermäßigen und unnötigen Konsum. Ein suffizientes Leben ist das Streben nach einer hohen Lebensqualität, die sich aber nicht oder nicht nur durch den Konsum definiert.

Es mag paradox klingen, aber die optimale Nutzung eines Smartphones kann bereits ein Suffizienz-Konzept sein. Smartphones können durch ihren großen Funktionsumfang und die immer weiter steigende Rechenleistung viele andere Energieverbraucher ersetzen: MP3-Player, Navigationssystem, Handy, Wecker, Kamera und bald vielleicht auch das Notebook.

Allerdings ist auch Suffizienz nicht frei von Rebound-Effekten. Wer beispielsweise auf eine teure, klima- und umweltschädliche Weltreise verzichtet, kann sich vielleicht stattdessen einen kleinen Anbau für sein Haus leisten. Das bedeutet aber – siehe Folge 11 – einen erhöhten Bedarf an grauer Energie für den Bau und einen dauerhaft höheren Aufwand an Betriebsenergie.

Effizienz – aber richtig!

Wir brauchen Energieeffizienz! Sie ist ein wertvolles Instrument für den Klimaschutz, das aber nur funktioniert, wenn der Rebound-Effekt verhindert oder wenigstens in Grenzen gehalten wird. Und das kann nur gelingen, wenn wir unsere Lebensweise auf den Prüfstand stellen und endlich die gesamtgesellschaftliche Suffizienzdebatte starten. Um wirksamen Klimaschutz zu betreiben, muss das Motto lauten: erstens Suffizienz, zweitens Effizienz, drittens naturverträgliche erneuerbare Energien.

Danny Püschel

Der Beitrag erschien zuerst in der Reihe „Natürlich Klimaschutz“ im NABU-Blog.

Bisher erschienen:
Teil 1: Kippelemente
Teil 2: Extremwetter
Teil 3: Begriffe
Teil 4: Zoonosen
Teil 5: Atomkraft
Teil 6: Landwirtschaft
Teil 7: Rassismus
Teil 8: CO₂-Tricks
Teil 9: Männer
Teil 10: Klimaforschung
Teil 11: Graue Energie

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