Aus DER RABE RALF Oktober/November 2023, Seite 12
Jeden Tag Kampagnen gegen den Klimaschutz und gegen die Umweltbewegung – und was tun wir?
Für die Kriegsgewinnler und Klimakatastrophenverantwortlichen Chevron, BP, Shell, Total und Exxon war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five“ erwirtschafteten einen Jahresgewinn von zusammen knapp 200 Milliarden US-Dollar – unglaubliche zweihunderttausend Millionen. Auch die deutschen Energieversorger haben satte Profite eingefahren. Die Inflation, unter der die Menschen leiden, ist eine Gier-Flation, ausgelöst durch die Konzerne.
Schon seit Jahrzehnten wissen die Konzernspitzen der Öl-, Gas- und Kohleriesen von der Gefahr der von ihren Firmen verursachten Klimakatastrophe. Mit den bei der Tabakindustrie abgeschauten mörderischen Methoden und Desinformationskampagnen haben sie die Verbreitung dieses Wissens aggressiv und erfolgreich bekämpft und bekämpfen lassen. Sie tragen Verantwortung für millionenfachen Tod und Leid. Die Klimaterroristen in den Konzernzentralen werden nicht etwa bestraft, sondern mit Milliardenprofiten satt belohnt.
Marktradikale Netzwerke
Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die alten, schmutzigen Energiekonzerne genossenschaftlich finanzierte Windräder und private Solaranlagen auf Hausdächern nicht mögen. Ähnliches gilt für Wärmepumpen und die Wärmewende in den Haushalten. Für Öl- und Gaskonzerne geht es bei diesem Streit um satte Profite.
Darum lassen die Energiekonzerne die Energiewende in BürgerInnenhand auch aggressiv bekämpfen. Ein Beispiel sind die durch Erdöl reich gewordenen Koch-Brüder in den USA. Charles Koch und sein 2019 verstorbener Bruder David steckten viel Geld in die Politik, in KandidatInnen, Verbände, Denkfabriken und in die Organisationen der Energiewendegegner und Klimawandelleugner. So kämpften sie erfolgreich gegen Steuern für Reiche, gegen Umweltauflagen, gegen Klimaschutz, für ein unbeschränktes Unternehmertum und gegen den demokratischen Staat. Ihre marktradikalen und rechtspopulistischen Netzwerke sind weltweit gespannt und Geld fließt auch nach Deutschland. Das gefährdet nicht nur das Klima, sondern auch die Demokratie.
Fast wie Orwellsches Neusprech
Auch wenn sich über manche Aktionsform zu Recht streiten lässt: Dass junge verzweifelte Umweltaktive in unserem Land von Klimakatastrophenverantwortlichen als „Klima-Terroristen“, „Klima-RAF“ und „Klima-Chaoten“ denunziert werden, ist mehr als ein Skandal. Diese Anwendung des Begriffs Terrorist kehrt die tatsächlichen Verhältnisse um. Aktivistinnen und Aktivisten machen auf Missstände aufmerksam und werden dafür kriminalisiert.
Der rechtsextreme Rand der Gesellschaft streut gemeinsam und erfolgreich mit marktradikalen Medien und der Bild-Zeitung Begriffe in die öffentliche Debatte, die an Orwellsches Neusprech erinnern. Die parlamentarischen Lobbyisten der Energiekonzerne in Deutschland sind vor allem in FDP, CDU, CSU und AfD zu finden. Vor gut zehn Jahren war die Energiewende auf dem Weg, eine ökologische und ökonomische Erfolgsgeschichte zu werden. Doch sie gefährdete immer stärker das Energieerzeugungsmonopol und die Profite der deutschen Energiekonzerne. Also wurde die Energiewende von den Partei-Lobbyisten mit Gesetzen, Vorschriften und Bürokratie erfolgreich geschrumpft.
Kampagnen-Journalismus von rechts
Auch harte Medien-Kritik an Gesetzen und Aktionsformen ist eine politische Selbstverständlichkeit. Doch von ökonomischen Interessen geleitete Dauer-Kampagnen gegen den Klimaschutz sind etwas anderes. Angeführt werden die gerade so makaber erfolgreichen Lobbykampagnen gegen die Klimaschutzbewegung und die Energiewende von der Springer-Presse und vornehmlich von der Bild-Zeitung. Diese führt ihren alten, hasserfüllten Kampf gegen die Studentenbewegung von 1968 jetzt als Kampf gegen die Klima- und Umweltbewegung und gegen „Rest-Grün“ im Parlament fort. Der Feind der Umwelt, der Umweltbewegung und der Demokratie ist marktradikal. Und er steht rechts.
In den USA hat der rechts-libertäre Kampagnenjournalismus von Fox News und der Murdoch-Presse die demokratiegefährdende Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben. Ähnliches wiederholt sich nun in Deutschland und Europa.
Hilflose Umweltbewegung
Ein großes Problem ist die erkennbare Naivität und Hilflosigkeit der Klima- und Umweltbewegung angesichts solcher machtvollen Kampagnen. Die Jugendumweltbewegung befasst sich beeindruckend intensiv und wissenschaftlich fundiert mit den Ursachen des Klimawandels. Mit den Fragen der Macht und den Konzepten der Mächtigen setzt sich die Umweltbewegung zu wenig auseinander. Ein erster Schritt wäre es, die Kampagnen und ihre ökonomischen Hintergründe überhaupt als solche zu erkennen, um dann Gegenstrategien zu entwickeln. Die studentische Bewegung von 1968 wusste zumindest noch, was in der Bild-Zeitung steht.
Axel Mayer