Kohle-Ausstieg wird zum Erdgas-Einstieg

Aus DER RABE RALF Dezember 2020/Januar 2021, Seite 7

Kohlekraftwerke durch Gaskraftwerke zu ersetzen ist kein Klimaschutz

Die Klimabewegung warnt vor der angeblichen „Brückentechnologie“ Erdgas – hier vor dem Roten Rathaus in Berlin. (Foto: BürgerBegehren Klimaschutz)

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist der hart erkämpfte, aber dennoch völlig unzureichende Kohleausstieg zu einem schleichenden Einstieg in den Ausbau fossiler Erdgas-Infrastruktur geworden. Etwa 200 geplante neue Gaskraftwerksblöcke in 120 Städten listet die Bundesnetzagentur momentan auf. Größtenteils handelt es sich um sogenannte Ersatzbauten, dabei treten Gaskraftwerke an die Stelle bereits existierender Kraftwerke. Auch das Berliner Steinkohlekraftwerk Reuter West soll bis 2030 auf Erdgas umgerüstet werden.

Es zeichnet sich also ab, dass die Kohlekraftwerke, die durch das Kohleausstiegsgesetz möglicherweise sogar noch künstlich am Leben erhalten werden, nach und nach durch fossile Gaskraftwerke ersetzt werden. Begleitet und ermöglicht wird das durch den geplanten Ausbau der Gasnetze.

Einfache Scheinlösung

Kohle und Gas bilden in vielen Städten das Rückgrat der Fernwärmeversorgung. Anders als Strom lässt sich Wärme schlecht über große Entfernungen transportieren. Sie muss lokal produziert werden, also dort, wo sie gebraucht wird. Mit dem Kohleausstieg stellt sich in vielen Kommunen die Frage, wie in Zukunft die Wärme erzeugt werden kann.

Eine Umrüstung alter Kohlekraftwerke auf Gas hat den scheinbaren Vorteil, dass ein Umbau der Wärmeerzeugung nicht nötig ist. Erdgas kann, ebenso wie Kohle, Wärme mit sehr hohem Temperaturniveau liefern, die weiterhin zentral erzeugt werden kann. Die Einspeisung erneuerbarer Energien in das Fernwärmenetz hingegen erfordert eine Vielzahl von dezentralen Erzeugungsanlagen, die je nach Jahreszeit unterschiedliche Mengen Wärme bereitstellen, und das auch noch mit unterschiedlichen Temperaturen – eine enorme Herausforderung für die Wärmenetze.

Diese Schwierigkeiten müssen aber ohnehin in einigen Jahren bewältigt werden. Setzen wir jetzt auf Erdgas, gehen wichtige Jahre für den Klimaschutz verloren. Die erneuerbaren Technologien sind vorhanden und ihr Einsatz in Wärmenetzen ist möglich und erprobt. Die skandinavischen Länder sind uns hier weit voraus.

Bärendienst für das Klima

Durch viele langjährige Kampagnen wurde Erdgas als vermeintlich saubere „Brückentechnologie“ in der öffentlichen Wahrnehmung verankert. Dieses Image steht in völligem Widerspruch zu den realen Klimawirkungen. Erdgas besteht fast vollständig aus Methan, einem Gas, das – betrachtet man einen Zeitraum von 20 Jahren – die 87-fache Klimawirkung von CO₂ hat. Zwar ist der Verbrennungsprozess beim Erdgas tatsächlich weniger klimaschädlich, aber die Probleme liegen in den Leckagen bei der Förderung und beim Transport. Gasunternehmen geben sich große Mühe, diese Methan-Emissionen kleinzurechnen. Es wird aber immer deutlicher, dass Erdgas ähnlich klimaschädlich ist wie Kohle.

Saskia Machel

In Berlin informiert die Klimabewegung mit der Gas-Kampagne „Risse in der Pipeline“ über die geplanten Fehlinvestitionen:
www.buerger-begehren-klimaschutz.de/risse

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