Wird Müllverbrennung grüngewaschen?

Aus DER RABE RALF Februar/März 2022, Seite 3

Abfall zur Wärmeerzeugung zu verbrennen ist keine gute Idee

Das Berliner Müllheizkraftwerk in Ruhleben (in der Mitte, vor dem Heizkraftwerk Reuter West). (Foto: Muck/​Wikimedia Commons)

Der rot-grün-rote Berliner Senat möchte aus der Kohleverbrennung zur Wärmeerzeugung aussteigen, um damit einen großen Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität zu tun. Ein Schritt in die richtige Richtung ist das auf jeden Fall, schließlich hat eine Machbarkeitsstudie von Vattenfall, Berlins größtem Wärmeversorger, und der Senatsumweltverwaltung zwischen November 2017 und Oktober 2019 ergeben, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien nicht nur technisch und finanziell machbar ist, sondern auch über zwei Millionen Tonnen CO₂ einsparen würde. Das entspricht ungefähr 13 Prozent der CO₂-Emissionen im Land Berlin. Durch den Umstieg würde Vattenfall den größten Einzelbetrag zur Klimaneutralität Berlins leisten. Es stellt sich jedoch eine ganz entscheidende Frage: Woher kommt dann die Energie für die Fernwärmeerzeugung? Klimafreundliche Optionen gäbe es mehrere, Müllverbrennung ist jedoch definitiv keine davon.

Aber von vorn: Mitte August 2021 hat die Stadtregierung in einer Neufassung des Berliner Energie- und Klimaschutzgesetzes beschlossen, dass Berlin bis spätestens 2045 aus der Verbrennung fossiler Energieträger aussteigt. Problem dabei ist, dass der Weltklimarat ein CO₂-Budget festgestellt hat, das für Deutschland höchstens noch bis 2035 reicht. Zudem fehlt in dem novellierten Gesetz eine CO₂-Emissionsgrenze für die Fernwärmeproduktion.

Hinzugefügt wurde hingegen eine Quote für erneuerbare Energien. Der Paragraf 22 legt dazu fest: Ab dem Jahr 2030 müssen mindestens 40 Prozent der in den Wärmeversorgungsnetzen transportierten Wärme aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme stammen. Ob gewollt oder nicht, dieser Paragraf lässt die Möglichkeit offen, Abfall für die Wärmeversorgung zu verbrennen. Dabei gibt es mehrere Gründe gegen Müllverbrennung zwecks Wärmeerzeugung.

Diverse Probleme

Der wichtigste ist wohl, dass große Teile unseres Abfalls aus fossilen Ausgangsstoffen bestehen, wie zum Beispiel erdölbasierten Kunststoffen. Diese zu verbrennen würde also keinen wesentlichen Unterschied zum Verfeuern von gängigen fossilen Brennstoffen wie Kohle machen.

Ein weiteres Problem mit großer Tragweite ist unsere konsumorientierte Gesellschaft. Durch den permanenten Erwerb von neuen oder Nachfolgeprodukten werden regelmäßig ältere Produkte entsorgt. Ein ganz normaler Vorgang, aber nur, wenn er in gesunden Abständen geschieht und nicht innerhalb kürzester Zeit. Das beste Beispiel für den Überkonsum sind wohl die Mobiltelefone. Das neue Modell wird gekauft und das alte entsorgt, obwohl es erst vor einem halben Jahr erworben wurde, immer noch in einem exzellenten Zustand ist und sich in puncto Qualität und Funktionalität kaum von der neuen Version unterscheidet. Und wofür? Natürlich, um vor seinen Freunden anzugeben. Hinzu kommen Wegwerfprodukte wie Plastikbecher, Plastikbesteck und dergleichen mehr. Hier könnte die Politik ansetzen, indem sie Einwegprodukte verbietet, Recycling und Wiederverwertung fördert und Produktzyklen reguliert. Das wäre weit besser für das Klima, als mit großem Energieaufwand unnötige Produkte herzustellen und nach kurzer Zeit als Müll zu verfeuern.

Ebenfalls problematisch ist der Fakt, dass man größere Abfallmengen nicht über längere Zeit lagern kann. Der anfallende Müll müsste also auch in Monaten verbrannt werden, in denen kaum künstliche Wärme benötigt wird, sogar im Hochsommer. Dadurch würde das Klima ganzjährig belastet werden.

Außerdem hält der Fokus auf Müllverbrennung die Wärmewende auf und lenkt davon ab, dass die erneuerbaren Energien deutlich sauberer sind und gerade jetzt als Energiequelle etabliert werden müssen. Nicht nur für die Wärmeversorgung, sondern in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen sind nicht-erneuerbare Projekte meist teure Fehlinvestitionen – weil eben das CO₂-Budget so knapp ist.

Hinzu kommt, dass die Verbrennung nicht umkehrbar ist und wertvolle Rohstoffe dabei für immer zerstört werden, wie etwa Holz und andere Stoffe, die zunehmend knapp sind. Phosphor und Stickstoff zum Beispiel, welche in Bioabfällen zu finden sind. Gerade den Biomüll könnte man viel sinnvoller nutzen, indem man ihn vergären lässt, um daraus Biogas herzustellen. Die Überreste der Bioabfälle könnte man dann sogar noch als Düngemittel verwenden.

Was sagen die Parteien?

Zwar hat das Thema im vergangenen Berliner Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt, doch haben alle im Abgeordnetenhaus vertretenen demokratischen Parteien zum Themenkomplex Müllverbrennung Stellung bezogen: Die Linke äußerte sich zwar nicht direkt zur Abfallverbrennung, fordert aber CO₂-Obergrenzen und, als einzige Partei, den Bau einer zweiten Biogasanlage in Berlin. Anders die CDU, die zwar den Ausbau von Recyclingmöglichkeiten präferiert, bei der Wärmeproduktion aber weiterhin Müllverbrennung einsetzen möchte, zumindest zusätzlich zur Energiegewinnung aus Wasserstoff. Die FDP versuchte hingegen das Energiewendegesetz so abzuändern, dass Abwärme aus der Müllverbrennung nur zu 50 Prozent als klimaschonend einzustufen ist. Die Müllverbrennung vollständig als klimaschonend einzustufen, würde dem Berliner Abfallwirtschaftskonzept mit seinen Vorgaben zur Vermeidung von Abfällen und zur Förderung von Recycling widersprechen und falsche Anreize für Energiekonzerne schaffen, so die Begründung der Liberalen. Mit dem Antrag scheiterten sie jedoch.

Allen diesen Parteien, die sich mehr oder weniger kritisch zu der als klimaschonend getarnten Müllverbrennung äußern, stellt sich die SPD entgegen, die Abfallverbrennung zur Energieerzeugung sogar befürwortet. Auf ihrem Landesparteitag im April 2021 beschloss die größte Regierungspartei, dass geprüft werden muss, wie in den nächsten zehn Jahren die Verbrennung des Berliner Siedlungsabfalls ausgeweitet und zur Fernwärmeproduktion eingesetzt werden kann. Daraus erschließt sich, dass die SPD die Müllverbrennung stark ankurbeln möchte.

Im starken Gegensatz dazu und mehr als alle anderen Parteien sprechen sich die Grünen gegen Müllverbrennung zur Wärmeerzeugung aus. Sie stufen den Verbrennungsprozess als nicht klimaneutral ein und wollen, wie es auch deutlich im Programm der Partei verankert ist, zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien setzen.

Umweltverbände fordern Ausstieg

Gegen den aktuellen Umgang der Stadtregierung mit dem Thema Müllverbrennung wenden sich auch  Umweltverbände, wie zum Beispiel der BUND. Dieser fordert den Ausstieg aus der Abfallverbrennung zur Wärmeproduktion und die Organisation der Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien. Ebenfalls wird der Bau einer zweiten Biogasanlage in Berlin gefordert.

Richard Sauer 

Weitere Informationen: www.umweltzoneberlin.de/wahl-blog-10

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