Rezensionen Juni/Juli

Kampf um globale Gerechtigkeit

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2020, Seite 23 (oben)

Gespräche aus zehn Jahren engagiertem Journalismus

Es kommt nicht oft vor, dass so viele mit dem alternativen Nobelpreis Geehrte und für ihre kritischen wissenschaftlichen Positionen Bekannte aus sechs Kontinenten in einem Buch versammelt sind. Alle 27 wurden ausführlich befragt von David Goeßmann und Fabian Scheidler, die mit ihrem unabhängigen Internet-Sender „Kontext TV“ dem Kampf um globale Gerechtigkeit seit zehn Jahren eine öffentliche Plattform geben. Die beiden nicht kommerziellen Fernsehmacher waren vor allem an verschiedenen Weltsozialforen beteiligt. Dort sowie auf dem Alternativen Weltwasserforum und dem Pariser Klimagipfel führten sie Gespräche mit „Aktivisten und Expertinnen, die in der Regel jenseits von Parteien und Lobbyorganisationen wirken“.

Eine andere Welt ist möglich

Goeßmann und Scheidler veröffentlichten diese Interviews im Laufe der Jahre bei Kontext TV, nun haben sie eine Auswahl davon in ihrem Buch zusammengestellt. Getreu dem Motto des Weltsozialforums – „eine andere Welt ist möglich“ – fragten sie nach Wissen und Einsichten, die für einen gesellschaftlichen Umbau dringend gebraucht werden.

Thematisch sind die Gespräche in vier Abschnitte gegliedert, wobei sich die ersten drei an existierenden Problemfeldern orientieren: dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, einer gerechten Wirtschaftsordnung und der Beendigung von Kriegen und Ausbeutung. Im vierten Kapitel geht es um den Ausblick auf eine bessere Welt – und wie sie erstritten werden könnte.

Obwohl einige der Gespräche bereits vor mehreren Jahren geführt wurden, treffen die Aussagen und Argumentationen immer noch den Kern des Problems, wenn es beispielsweise um ausbeuterische Handelsabkommen geht. So begründet Wangui Mbatia, Anwältin von Selbsthilfegruppen in Kenia, in einfachen Worten, warum man von einem afrikanischen Bauern nicht erwarten könne, mit einem deutschen Bauern in Wettbewerb zu treten: „Der afrikanische Bauer lebt von weniger als einem Euro am Tag für seine ganze Familie. Die deutsche Kuh bekommt täglich doppelt so viel.“

Realistisches Bild der Krisenursachen

Die beiden Journalisten setzen sich sowohl mit ihrem Fernsehkanal als auch mit dem Buch für Wahrhaftigkeit und weltweite Gerechtigkeit ein. Zusammen mit den Interviewten versuchen sie, sich „ein realistisches Bild der Krisenursachen“ zu machen, um eine gerechte und friedliche Zukunft für alle zu ermöglichen. Zu diesen Zielen könnten nur demokratische Prozesse führen, die notwendigerweise von „unabhängigen Medien, frei von Einschränkungen“ begleitet werden, wie es der globalisierungskritische Publizist Noam Chomsky formuliert.

Als Sammlung bieten die konzentriert geführten und verständlich übersetzten Gespräche einen lebendigen und vielfältigen Einblick in die jüngere Geschichte der Weltsozialforums-Bewegung. Schade ist, dass die Interviewten im Bild nur auf kontext-tv.de zu sehen sind.

Peter Streiff

David Goeßmann, Fabian Scheidler (Hrsg.):
Der Kampf um globale Gerechtigkeit
Gespräche mit Noam Chomsky, Vandana Shiva, Immanuel Wallerstein, Yanis Varoufakis u.a.
Promedia Verlag, Wien 2019
240 Seiten, 19,90 Euro
ISBN 978-3-85371-458-4

Weitere Informationen:
www.kontext-tv.de

Der Beitrag erschien erstmals in Contraste 427


Nachhaltigkeit als positive Utopie

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2020, Seite 26

Über allgegenwärtige Barrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung

Die älteren Aktivisten für eine starke nachhaltige Entwicklung sind frustriert, weil viel zu wenig viel zu langsam transformiert wird, sie werden lauter und deutlicher. Die Jüngeren sind entsetzt, dass die Zerstörung des Planeten und ihrer Zukunft eskaliert, dass vor ihren Augen die schleichende Katastrophe weitergeht.

Dass eine wirklich „Große Transformation“ zur Nachhaltigkeit noch nicht geschieht, hat unzählige Ursachen: Die Politik ist schuld, der Egoismus, die Medien, der Kapitalismus und so weiter. Darüber gibt es unzählige Texte und Debatten, und den meisten geht es sicherlich darum, schneller umzusteuern. Doch oft geschieht dies nur sehr punktuell, ohne die Voraussetzungen und Bedingungen sowie das Zusammenspiel zahlreicher Faktoren, also die ganze Komplexität, zu berücksichtigen.

Politikberatung für die Schublade

Der Physiker, Philosoph und Nachhaltigkeitsexperte Christian Berg, Autor des hier vorgestellten Buches, hat dies seit zwei Jahrzehnten direkt miterlebt und nun eine Bilanz vorgelegt – und Lehren daraus gezogen. Er beschreibt wesentliche Schritte und Meilensteine der Nachhaltigkeitsbewegung und der Nachhaltigkeitsdebatten und liefert damit einen sehr lesenswerten Überblick.

„In Harmonie mit seinen Mitmenschen nah und fern, heute und morgen zu leben und in Harmonie mit der Natur – darum geht es bei Nachhaltigkeit“, fasst Berg zusammen. Doch durch seine Tätigkeiten in Wirtschaft, Wissenschaft, Politikberatung und Zivilgesellschaft erlebte er mit, wie selbst grandiose Ideen versandeten. So nahm er vor acht Jahren am „Zukunftsdialog“ der Bundeskanzlerin mit Experten und Bürgern teil und musste mitansehen, wie von den zwölf wichtigsten Vorschlägen lediglich ein einziger aufgegriffen wurde, um dann auch nicht realisiert zu werden.

Was Nachhaltigkeit behindert

Und so widmet er sich im Hauptteil des Buches den zahlreichen Barrieren für Nachhaltigkeit in der Praxis, wobei er die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die „Sustainable Development Goals“ (SDGs), als Grundlage nimmt, aber auch Konflikte zwischen einzelnen Zielen anspricht. Damit zeigt er, wie kompliziert die Materie ist, zugleich wird aber durch genauere Analyse und Differenzierung deutlich, was genau geschehen muss und wo die Barrieren sind.

Berg unterscheidet dabei zwischen Barrieren, die direkt mit Nachhaltigkeit zusammenhängen, und solchen, die umfassenden Charakter haben. Zum ersten Typ gehören Barrieren der physischen Wirklichkeit (zum Beispiel technische Grenzen bei der Energieerzeugung), Barrieren der menschlichen Natur (lineares Denken in kurzen Zeiträumen, Gier und Egoismus, Zielkonflikte) sowie soziale Barrieren (Populismus, Interessenkonflikte, Pfadabhängigkeit).

Zu den allgemeinen Barrieren gehören solche der Wirtschaft (Marktversagen, Effizienzdenken), der Politik (fehlende globale Steuerung) und des Rechts (individuelle Freiheit kontra Gemeinwohl) sowie sogenannte „strukturelle Silos“ (Vereinzelung von Wissen, Verwaltung und Verantwortung) und schließlich noch Zeitgeist-Abhängigkeiten (Beschleunigung, Konsumismus).

Mit komplexen Systemen umgehen lernen

All dies zusammengenommen macht deutlich, welch umfassende Aufgabe die Transformation darstellt. Dieser genaue Blick ermöglicht es aber auch, angemessene Lösungen zu wählen. Besonders hilfreich ist, dass Berg mit Blick auf die ganze Vielfalt von Problemen zu jeder Barriere konkrete Möglichkeiten vorschlägt. Damit verbunden geht er auf die unterschiedlichen Akteure ein, denn es sind Menschen und ihre Institutionen, die Veränderungen bewirken können und müssen. Deren Besonderheiten und Möglichkeiten werden im Gesamtzusammenhang einer Transformation beschrieben und mit Handlungsprinzipien verbunden, die für die unterschiedlichen Bereiche sinnvoll und zielführend sind: naturbezogene, persönliche, gesellschaftsbezogene sowie systembezogene Prinzipien.

Von zentraler Bedeutung, um zielgerichtet nachhaltig zu handeln, ist Bildung, wie sie im vierten der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beschrieben wird. Die Weiterentwicklung der Umweltbildung zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) findet hier ihre Erklärung. Berg hebt die typischen Eigenschaften komplexer Systeme hervor, die alle kennen sollten, die eine Transformation bewerkstelligen wollen. Zu berücksichtigen sind demnach Wechselwirkungen der einzelnen Elemente, Rückkopplungen, nichtlineares Verhalten, Emergenz („unerklärliche“ Ereignisse), Selbstorganisation und Anpassungsfähigkeit. Dies alles sind Merkmale, die im unmittelbaren Alltagsgeschehen nicht so oft beobachtet werden, weshalb Expertenwissen wichtig wird. Zugleich ist diese Komplexität ein Einfallstor für Populisten, die mit (viel zu) einfachen Parolen manche Menschen leichter erreichen können.

Wirtschaftssystem als blinder Fleck

Am Ende des Buches erläutert der Autor nochmals, dass Nachhaltigkeit ein „utopisches Ideal“ sei. Dabei erstaunt, dass er trotz seines ganzheitlichen Ansatzes nirgends auf das System „Kapitalismus“ eingeht, durch das ja sehr viele Probleme und Barrieren erzeugt oder verschärft werden. Stattdessen kritisiert er, dass die Begriffe nachhaltig und Nachhaltigkeit sowohl ein Mittel als auch einen Zielzustand beschreiben. Diese Doppelfunktion hält Berg für irreführend, weil Nachhaltigkeit wohl nicht in Gänze und als völlig neuer Zustand erreicht werden dürfte, zumindest nicht im Alltagshandeln. Dies könne im Alltag auch zu Frustration und Resignation führen.

Daher kreiert er den Begriff „Futeranity“, ins Deutsche übersetzt mit „Lebenswohl“: „Das utopische Ideal der Nachhaltigkeit ist die Zukunft der Erde und des Menschlichen: the future of terra and humanity – futeranity.“ Allerdings bezweifelt Berg – völlig zu Recht –, dass sich dieser arg konstruierte Begriff durchsetzen wird. Seine Ausführungen hierzu sind äußerst schwach, haben keine Praxisgrundlage und lenken von seinen vorhergehenden zahl- und kenntnisreichen Darlegungen ab.

Klarheit und Gründlichkeit

Insgesamt macht das Buch Mut und ist hilfreich, denn es schafft Klarheit über die historisch einmalige Herausforderung, über die vielen zu überwindenden Barrieren, und bietet zugleich durch sein Differenzieren, sozusagen das „Kleinhacken“ der Probleme, die passenden Handlungsmöglichkeiten und Erfolgsaussichten. In Bergs Worten: „Wenn wir aber energisch an der Überwindung der Nachhaltigkeitsbarrieren arbeiten, wenn wir ebenso energisch und beharrlich Prinzipien nachhaltigen Handelns erforschen und dann beachten und dabei mit vielen Akteuren in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, Medien und Nichtregierungsorganisationen kooperieren, dann wird Veränderung geschehen.“

Das Buch wird aufgrund seiner Wichtigkeit als Bericht an den Club of Rome herausgegeben und kann sehr zur Lektüre empfohlen werden.

Edgar Göll

Christian Berg:
Ist Nachhaltigkeit utopisch?
Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln
Der neue Bericht an den Club of Rome
Oekom Verlag, München 2020
460 Seiten, 32 Euro
ISBN 978-3-96238-18-51


Die neue Krise der Städte

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2020, Seite 27 (oben)

Eine Streitschrift sucht nach Lösungen für die Wohnungsnot am Beispiel von Berlin und Wien

Jeder Mensch muss wohnen. Im 21. Jahrhundert geschieht dies meist in einer Stadt. Wer nicht gerade eine Eigentumswohnung von seinen reichen Eltern geerbt hat, kennt die Misere. Noch vor den üblichen Beschwerden über das Wetter hat sich die Wohnungsfrage als die Nummer eins unter den Smalltalk-Themen in Berlin etabliert: Von „Und, wie lange suchst du schon?“ über „Ist aber leider nur zur Zwischenmiete“ bis „Das Bad ist zwar verschimmelt, aber dafür kostet die Bude nur 800 Euro warm!“

Wer die Wohnungsfrage stellt …

Ernst Hubeli hat festgestellt, dass es mittlerweile eigentlich „egal ist, was für eine Wohnung auf den Markt geworfen wird. Wo Knappheit herrscht, ist alles begehrt.“ Wie es dazu kommen konnte, analysiert der schweizerische Architekt und Stadtplaner in seinem Buch „Die neue Krise der Städte“.

Die hohen Mieten lassen sich nicht einfach mit der hohen Nachfrage nach Wohnraum erklären. Voraussetzung für die Explosion der Preise war eine Politik des „billigen Geldes“ – das heißt niedrige Zinssätze –, um Investitionen anzuregen. Kapitalanleger stecken das Geld aber nicht in Industrie oder Infrastruktur, sondern lieber in den Immobilienmarkt. Dort locken nämlich jährliche Bodenpreissteigerung von zehn Prozent oder mehr. Der Bestand an Wohnungen wird derweil nicht besser, sondern bloß immer teurer.

Hubeli betrachtet in seiner Streitschrift aber nicht nur ökonomische und politische Hintergründe, er will das Thema Wohnen auch philosophisch und kulturell ergründen. Dabei spannt er einen weiten Bogen, der mit Ideen von Denkern verschiedener Epochen und Richtungen gespickt ist. Obwohl arme Menschen von der Wohnungsnot am stärksten betroffen sind, richtet sich Hubeli mit seiner Sprache allerdings eher an bildungsbürgerliche Akademiker, die wissen, was „postsemiotisch“ heißen soll, und Robert Musil gelesen haben.

… stellt die Eigentumsfrage

Zum Glück ist das Buch handlich und übersichtlich gegliedert, sodass man trotzdem nicht die Übersicht verliert. Es hat drei Abschnitte: Im ersten geht es um Wohnen als Paradox und Widerspruch, im zweiten Abschnitt um Enteignung und im dritten um Aneignung.

Der mittlere Abschnitt ist der kraftvollste, denn hier ist Hubeli am konkretesten, was die Benennung von Problemen, Ursachen und Lösungen angeht. De facto findet bereits eine Enteignung statt. Hohe Mieten „enteignen“ die Mieter, denn sie müssen immer höhere Anteile ihres Einkommens dafür ausgeben, das Vermögen anderer zu vermehren – eine Umverteilung von unten nach oben. Wie sich Städte dagegen wehren können, zeigt Hubeli anhand von Beispielen. Er konzentriert sich besonders auf die aktuellen Entwicklungen in Berlin und auf die historisch gewachsene Wohnbaupolitik von Wien.

Im letzten Abschnitt beschäftigt sich Hubeli mit der Frage, wie das Wohnen jenseits von Drei-Zimmer-Küche-Bad aussehen kann, wenn sich Lebensmodelle und Bedürfnisse immer weiter von der klassischen Kernfamilie entfernen.

Im Endeffekt sind es nicht die Gebäude, die eine Stadt ausmachen, sondern die Menschen, die darin leben. Hubeli zeigt uns, dass die Architektur nur die Grundlage für eine lebendige und freie Stadtgesellschaft ist, die es zu schützen gilt. Es ist an der Zeit, das Menschenrecht auf Wohnen für alle durchzusetzen. Hubeli bietet einige beachtenswerte Ansätze, wie das gehen könnte.

Sarah Buron

Ernst Hubeli
Die neue Krise der Städte
Zur Wohnungsfrage im 21. Jahrhundert
Rotpunktverlag, Zürich 2020
192 Seiten, 15 Euro
ISBN 978-3-85869-865-0


„Ich habe mehr durchgemacht als meinen Jahren zukommt“

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2020, Seite 27 (unten)

Eine Biografie Gustav Landauers zu seinem 150. Geburtstag

Der 150. Geburtstag des libertären Sozialisten Gustav Landauer am 7. April wäre aufgrund der Coronakrise – Veranstaltungen wurden überall abgesagt – beinahe unbemerkt verstrichen. Dass dem dennoch nicht so war, ist auch dem gerade erschienenen Buch von Rita Steininger zu danken. Eine kurzweilige Biografie des bedeutenden Essayisten und Revolutionärs, dem vergangenes Jahr eine Ausstellung in Berlin gewidmet war (Rabe Ralf Februar 2018, S. 10), fehlte bisher.

1870 in Karlsruhe geboren, kommt Landauer 1889 zum Studium nach Berlin, wo er sich unter dem Eindruck des proletarischen Elends in der rasant wachsenden Metropole politisiert. Er besucht sozialdemokratische Veranstaltungen, ist in einer geheimen Studentenorganisation aktiv und tritt der „Freien Volksbühne“ bei. Ein paar Jahre später ist er bereits ein bekannter Redner und Redakteur des „Sozialist“, zunächst das Blatt des „Vereins unabhängiger Sozialisten“, dann der jungen anarchistischen Bewegung.

Im Oktober 1892 gründet Landauer die „Neue Freie Volksbühne“ mit und ist um 1900 im innersten Kreis der „Neuen Gemeinschaft“ aktiv, die seit 1901 auf der Uhlandstraße in Wilmersdorf ein „Gemeinschaftsheim“ unterhält. Es gibt eine Bücherei und eine Kunstwerkstatt. Ausstellungen, Lesungen, Theateraufführungen und gemeinsame Mahlzeiten werden organisiert. Jahre später wird Landauer mit dem „Jüdischen Volksheim“ ein ähnliches, doch im proletarischen Scheunenviertel nahe dem Alexanderplatz gelegenes Projekt unterstützen, das – als eine Art soziales Zentrum – neben Erwachsenenbildung auch eine offene Werkstatt, ein Jugendlesezimmer, Mütterberatung und Kinderbetreuung anbietet.

Ein persönliches Porträt

Die organisatorische Arbeit Landauers, etwa während der Novemberrevolution 1918 in München, wird im Buch jeweils treffend skizziert. Doch steht sie nicht im Zentrum der Biografie. Die hauptsächlichen Quellen bilden die Briefwechsel. Aus ihnen entsteht ein sehr persönliches Porträt des Liebenden, des Freundes und Vaters. Sogar eine Sammlung von Briefen seiner Töchter an Landauer hat die Autorin ausgewertet. Ihr Schicksal verfolgt sie im letzten Kapitel noch bis in die Zeit des Nationalsozialismus oder ins Exil.

Auch wichtige Weggefährten Gustav Landauers werden vorgestellt, darunter Fritz Mauthner, der ihn bei seiner Ankunft in Berlin und auch später immer wieder unterstützt, Martin Buber, den er – wie auch Erich Mühsam – in der „Neuen Gemeinschaft“ kennenlernt, und Kurt Eisner. Überall legt Steininger Fährten zur weiterführenden Lektüre. Ein eigenes Kapitel ist Landauers zweiter Frau, der Dichterin Hedwig Lachmann gewidmet. Als sie 1918 einer Lungenentzündung erlag, hat ihn dies schwer getroffen.

Der Text zeichnet sich durch eine beachtliche Fülle an Quellen bei gleichzeitig guter Lesbarkeit aus. Obwohl das Buch als Einführung für ein breites Publikum geeignet ist, kann es auch zur wissenschaftlichen Arbeit verwendet werden, da die zitierte Literatur im Anhang jeweils ausgewiesen wird. Mit zwei Bildstrecken teils kaum bekannter Fotos, einer Zeittafel und einem Personenregister ist die Biografie auch sonst gut ausgestattet.

Jan Rolletschek

Rita Steininger:
Gustav Landauer
Ein Kämpfer für Freiheit und Menschlichkeit
Volk-Verlag, München 2020
208 Seiten, 18 Euro
ISBN 978-3-86222-346-6

Weitere Informationen:
www.gustav-landauer.org


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