Aus DER RABE RALF April/Mai 2020, Seite 25
Wie ein sinnvoller Umgang mit Zucker aussehen kann, zeigte ein Workshop in Theorie und Praxis
Eis, Kuchen, Mixgetränke, Schokolade – jeden Tag warten neue süße Verführungen auf uns, denen wir lernen müssen zu widerstehen. Denn gesund sind sie nicht, zumindest dann nicht, wenn die Naschereien zur alltäglichen Angewohnheit werden.
Dass Zucker ein wichtiges Thema ist, wird allein dadurch klar, dass in Deutschland durchschnittlich 30 Kilogramm Zucker pro Person und Jahr gegessen werden. Am Tag sind das ungefähr 86 Gramm oder mehr als 28 Stück Würfelzucker.
Aber woher kommt Zucker eigentlich? Was für Zuckersorten gibt es? Wie werden sie hergestellt? Ist die Herstellung fair und nachhaltig? Diese Fragen versuchte die Grüne Liga Berlin kürzlich bei einem öffentlichen Workshop mit Vorträgen und Diskussionen zu klären.
Eingeleitet wurde die Nachmittagsveranstaltung durch eine Umfrage, welche Zuckersorten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für nachhaltig halten. Zur Auswahl standen verbreitete Süßungsmittel wie Rohrzucker oder Kristallzucker, aber auch alternative wie Birkenzucker, Apfeldicksaft oder Ahornsirup. Die Frage sollte dann später weiter diskutiert werden.
Neues altes Laster
René Spierling vom Kuratorenteam der Dauerausstellung „Alles Zucker!“ im Deutschen Technikmuseum machte die Teilnehmer mit dem Zucker aus der Sicht eines Biologen vertraut und erzählte auch einiges über die Geschichte des süßen Stoffs.
Es gibt viele verschiedene Arten von Zucker, zum Beispiel Milch-, Trauben- oder Fruchtzucker. Honig galt lange als das süßeste Mittel und wurde erst spät durch den Haushaltszucker ersetzt. Dieser wird aus Rüben oder Zuckerrohr hergestellt.
Zuckerrohr stammt aus Ostasien. Zur Gewinnung des Zuckers wurde es in Ost- und Südasien zunächst nur gepresst. Vor 1.400 Jahren erfand man dann eine Methode, bei der der Saft eingekocht und in eine Zuckerhut-Form gegossen wird. Der Sirup tropfte ab, und in der Form blieben Kristalle zurück. Der Vorgang wurde mit dem abgetropften Sirup wiederholt. Das wird als „affinieren“ bezeichnet (von französisch affiner, reinigen). Aus „raffinieren“ (von raffiner, verfeinern) leitet sich die Bezeichnung „Raffinade“ für den weißen, feinkörnigen Zucker ab.
In früheren Jahrhunderten wurden für den Zuckerrohranbau und für die Herstellung von Rum, der ein Nebenprodukt der Zuckerherstellung ist, Menschen versklavt und als Waren getauscht. Erst in der Folge von Sklavenaufständen und dem Merkantilismus kam die Herstellung von Zucker auch nach Europa. In Deutschland wurden verschiedene Formen der Zuckergewinnung getestet, darunter auch Zucker aus Ahornbäumen. 1747 entdeckte Andreas Sigismund Marggraf die Möglichkeit, Zucker aus der Runkelrübe zu gewinnen. Die Zuckerrübe hat sich dann in Deutschland für den Anbau durchgesetzt. Heute ist der Zuckerrübenanbau mechanisiert, aber früher war er schwere Handarbeit, vor allem mit der Hacke.
Auf die Frage, was guter und was schlechter Zucker ist, lässt sich keine klare Antwort geben. Als guter Zucker gelten jedoch alle Kohlenhydrate mit einem Energiegehalt von ungefähr vier Kilokalorien pro Gramm. Wichtig bei der Ernährung ist ein ausgewogenes Verhältnis aus raffiniertem Zucker, braunem Zucker, Rohrzucker, Saccharose, Frucht- und Traubenzucker. Da Zucker kein essenzielles Nahrungsmittel für den Körper ist, ist der Umgang und die Menge eine Entscheidung, die individuell getroffen werden muss.
Regenwald-Abholzung für Zuckerrohr
Im Vortrag von Kurt Damm ging es vor allem um den Zucker-Weltmarkt, um Bio-Ethanol, um Anbau und Ernte von Zucker in Brasilien und deren Auswirkungen.
Brasilien war lange der weltgrößte Zucker-Exporteur, bevor das Land von Indien überholt wurde. Der Zucker wird dort aus Zuckerrohr gewonnen. Die Arbeit auf den brasilianischen Plantagen wurde früher von afrikanischen Sklaven ausgeführt und ist auch heute noch ein schlecht bezahlter Beruf mit extremen Arbeitsbedingungen. Für die Ernte werden die Zuckerrohr-Pflanzen mit Benzin übergossen und angezündet, um die Blätter zu entfernen. Die restliche Arbeit erledigen die Landarbeiter mit Macheten. Für die Neubepflanzung wird ein Zuckerrohr in den Boden gelegt, aus dem dann neue Sprösslinge wachsen. Zwanzig Prozent des geernteten Zuckerrohrs werden für die Neupflanzung verwendet.
Aus dem größten Teil der Zuckerrohrernte wird nicht Zucker, sondern Ethanol hergestellt. Für einen Liter Ethanol werden mehr als 2.100 Liter Wasser benötigt, und das, obwohl in vielen Teilen Brasiliens großer Wassermangel herrscht. Da die Flächen nach dem häufigen Monokultur-Anbau kaum noch Nährstoffe enthalten, werden viele Agrarchemikalien verwendet. Darunter sind Ackergifte, die in der EU nicht zugelassen sind.
Brasilien ist heute das einzige Land, das noch große unbebaute Flächen zur Verfügung hat. Doch der Boden im Amazonasbecken hat nur eine dünne Schicht Humus und ist zum Zuckerrohranbau nicht geeignet. Trotzdem werden große Flächen Regenwald gerodet, um dort Zuckerrohr anzupflanzen.
Peanut Butter Cookies – Erdnuss-Kekse
Florence Howells, eine französische Konditorin, half den Teilnehmern des Workshops, verschiedene süße Naschereien zu backen. Ziel war es, die Backwaren ohne industriellen Zucker zu süßen und verschiedene Süßungsmittel auszuprobieren. Zum Beispiel bei diesen Erdnuss-Keksen.
Zutaten für etwa 25 Kekse
75 g Reismehl
10 g Natron
175 g Vollrohrzucker
1 Prise Salz
gemahlene Vanille
325 g Erdnussmus (nicht Erdnusscreme, die Palmfett und Zucker enthält)
80 g Apfelmark (nicht Apfelmus, das gezuckert ist)
- Alle trockenen Zutaten in eine Schüssel geben und vermischen.
- Erdnussmus und Apfelmark dazugeben und rühren, bis ein gleichmäßiger Teig entsteht.
- Aus dem Teig kleine Bällchen formen und diese auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen.
- Wenn weiche Cookies gewünscht sind, die Bällchen vor dem Backen eine Stunde kühl stellen.
- Die Teigbällchen im vorgeheizten Ofen bei 180 Grad (Ober-/Unterhitze) etwa acht Minuten backen.
- Nach dem Backen die Cookies etwa zehn Minuten auskühlen lassen, damit sie fester werden.
Superfood
Beim nächsten Forum der Grünen Liga Berlin soll es um sogenanntes Superfood gehen – Nahrungsmittel mit tatsächlichen oder angeblichen Gesundheitswirkungen. Es wird wieder spannende Vorträge geben, und es wird Superfood vorgestellt, das regional und leichter zu besorgen ist. Anschließend wird wieder gemeinsam gekocht.
Paula Rinderle
Das Projekt „Food Diaries“ wird von Engagement Global im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums gefördert.