Aus DER RABE RALF Februar/März 2023, Seite 26
„Die Klima-Monologe“ im Theater Heimathafen Neukölln zeigen, was Klimawandel wirklich heißt
„Die Bäume verdorren. Pflanzen können nicht mehr reifen.“ So beschreibt Qabale aus Kenia, wie der Klimawandel konkret in ihr Leben als Bäuerin in dem ostafrikanischen Land eingreift und dazu führt, dass ihre Lebensgrundlage wie auch die ihrer NachbarInnen vernichtet wird. Qabale ist eine von vier Personen, die bei den „Klima-Monologen“ im Theater Heimathafen Neukölln zu hören sind.
Neben ihr ist es der junge Klimaaktivist Daniyal aus Pakistan, der mit ansehen musste, wie sein Dorf von einem ausbrechenden Gletscher überschwemmt wurde. Da ist Ayla aus Pakistan, die sehr berührend berichtet, wie ein Zyklon ihr bisheriges Leben zerstörte. Viele ihrer Freundinnen und Nachbarn überlebten nicht.
Die Klimaereignisse der letzten Jahre, über die sie sprechen, haben in den hiesigen Medien nur für kurze Zeit Schlagzeilen gemacht und waren dann schnell wieder vergessen. Ich kann mich noch erinnern, dass die Klimakatastrophe in Pakistan in der „Taz“ mindestens einmal auf der Titelseite war und dass dort im Anschluss mehrere Reportagen über das Sterben und schwierige Überleben der Menschen in Pakistan zu lesen waren. In den Artikeln wurde betont, dass riesige Landstriche von den Überschwemmungen betroffen waren. Danach verschwanden der Zyklon und seine Folgen aus der Berichterstattung. Auch ich hatte ihn vergessen, bis ich durch den sehr eindringlichen Bericht bei den Klima-Monologen wieder daran erinnert wurde.
Ein kolonialer Blick, der bis heute wirkt
Hier wird noch einmal ein Phänomen deutlich, das in der Klimabewegung auch als „Klimakolonialismus“ bezeichnet wird. Es ist eben immer noch ein Unterschied, ob Menschen im globalen Norden oder im Süden von den Klimafolgen betroffen sind. Das liegt auch daran, dass der globale Süden schnell als Ort betrachtet wird, wo Tod, Gewalt und Zerstörung Alltag seien. Ein solches Denken ist ein Erbe des Kolonialismus.
Denn damit wird auch verdrängt, welchen Anteil die europäischen Eroberer daran hatten und noch immer haben, Tod und Terror in alle Welt zu tragen. Dabei soll hier nicht das Bild von harmonischen, idyllischen vorkolonialen Gesellschaften im globalen Süden gezeichnet werden. In aller Regel waren es ebenfalls Klassengesellschaften, in denen patriarchale und rassistische Unterdrückung herrschte. Doch die europäischen Eroberungen brachten noch mehr Gewalt und Terror über die kolonisierten Länder.
Ein Erbe des Kolonialismus besteht eben darin, dass die Folgen des vor allem von den Ländern des Nordens verantworteten Klimawandels für die Menschen im globalen Süden noch immer unterschätzt und ignoriert werden. Umso verdienstvoller, dass die Klima-Monologe in 120 Minuten vor allem zu Gehör bringen, was Menschen aus dem Süden zu sagen haben. Nur die Krankenschwester Leigh-Ann aus Kalifornien lebt im globalen Norden.
Leigh-Ann beschreibt eindringlich die Folgen der Waldbrände, die 2018 in einer kalifornischen Mittelstandsidylle, die auch noch „Paradise“ heißt, Tod und Verderben brachten. Über diese Feuerkatastrophe in den USA berichteten die internationalen Medien ausführlich. Gezeigt wurden herzzerreißende Bilder von Menschen, die nicht aus ihrem von Flammen bedrohten Haus evakuiert werden wollten, weil sie ihre Haustiere nicht zurücklassen konnten. Gerade weil die Klima-Monologe auch eine Stimme aus dem globalen Norden einbeziehen, wird deutlich, wie das koloniale Denken bis heute wirkt, auch in der Klimadiskussion.
Dokumentarisches Theater
Mit den Klima-Monologen setzt Regisseur Michael Ruf die Serie seines dokumentarischen Theaters fort, bei dem Stimmen der Ausgegrenzten, der Unterdrückten hörbar gemacht werden. In den „Mittelmeer-Monologen“ erzählen MigrantInnen, die die Überfahrt überlebt haben, von brutalen Küstenwachen und erinnern an die Mitreisenden, die die Fahrt durch die Todeszone vor der Festung Europa nicht überlebt haben. In den „NSU-Monologen“ kommen die Angehörigen der Opfer der Nazi-Terrorgruppe zu Wort, denen von an Anfang klar war, dass die Täter von rechts kamen, die aber nicht gehört und sogar selbst verdächtigt wurden.
Mit den Klima-Monologen wird nun ein globales Problem in den Mittelpunkt gerückt. Vielleicht hören wir dann genauer hin, wenn im Radio wieder eine kurze Meldung kommt, dass in Kenia erneut der Regen ausbleibt oder dass in Pakistan der Monsun besonders heftig ist.
Schon deshalb ist solch ein engagiertes Theater zu begrüßen. Doch die Frage bleibt: Was ist die Konsequenz, wenn die Aufmerksamkeit wächst? Nach den Aufführungen gibt es immer ein Gespräch mit AktivistInnen. Hier wird aber ein Problem deutlich. Denn auch sehr eindringliche Schilderungen der Klimafolgen lassen die Frage offen, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind.
Auch über die Ursachen reden
Denn inzwischen hat der moderne Kapitalismus die Erzählungen über die Klimakatastrophe und ihre Folgen in seine Diskurse eingespeist. Der breiten Bevölkerung wird dann ein Programm des Verzichts und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels ans Herz gelegt. Gleichzeitig hoffen Reiche mit einer Art Luxus-Arche-Noah den Folgen des Klimawandels zu entkommen. So gibt es schon Luxusprojekte beispielsweise in den Alpen, die genau darauf abzielen.
Stattdessen müsste sich die Diskussion darum drehen, wie eine Gesellschaft so gestaltet werden kann, dass alle Menschen auf der Welt ohne große Einschränkungen überleben können. Das heißt, es muss auch über Kapitalismus geredet werden. In der vorherrschenden Redewendung vom „menschengemachten Klimawandel“ steckt auch Ideologie. Hier wird suggeriert, am Klimawandel seien doch irgendwie alle Menschen schuld. Auch die Idee, dass individuelles Handeln und individuelle Konsumentscheidungen das Klima retten können, sollte als kapitalkonform erkannt und kritisiert werden.
Welche Folgen das haben kann, wird in den Klima-Monologen sehr gut deutlich: Der pakistanische Aktivist Daniyal hat schon in der Schule eine Umweltgruppe gegründet und macht sich heute Vorwürfe, dass er und seine Freunde sich mit ihren Aktivitäten auf die Schule konzentriert und nicht das gesamte Land mobilisiert haben. Statt solcher Selbstvorwürfe sollte sich der Kampf gegen die Verantwortlichen richten, die Menschen und Natur zerstören, und gegen die kapitalgetriebene Produktionsweise.
Die Klima-Monologe bieten dafür eine hervorragende Grundlage, weil sie das Ausmaß der Zerstörung und der Gewalt, die Menschen und Natur angetan werden, sehr konkret beschreiben. Es stellt sich nur die Frage nach wirksamen Handlungsmöglichkeiten, die möglichst viele Menschen einbeziehen.
Peter Nowak
Die Klima-Monologe
Buch und Regie: Michael Ruf
120 Minuten
Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Str. 141 (U7 Karl-Marx-Straße)
Eintritt 18,50/13/3 Euro
Spieltermine, Karten und weitere Informationen: Tel. (030) 220136980
www.heimathafen-neukoelln.de/die-klima-monologe