Ab ins Tierheim

Aus DER RABE RALF Dezember 2022/Januar 2023, Seite 22

Warum man ein Tier adoptieren und nicht kaufen sollte

Hundezwinger im Tierheim Berlin. (Foto: Dirk Kobow/​Wikimedia Commons)

Jedes Jahr werden allein in deutschen Tierheimen etwa 350.000 Tiere abgegeben – von klassischen Haustieren wie Hunden und Katzen über Nager bis hin zu Exoten wie Schlangen und Spinnen. Sogar ungewöhnliche tierische Begleiter wie etwa Schweine sind dabei. Möchte man ein Haustier anschaffen, besteht also keine Notwendigkeit, sich ein Tier vom Züchter zu holen.

Pandemie der Tiere

Die Tierheime sind so brechend voll, dass viele von ihnen, auch das Tierheim Berlin, einen Aufnahmestopp verhängen müssen und nur noch Notfälle aufnehmen können. An diesem Zustand ist auch die Corona-Pandemie schuld, in der viele Menschen sich einen tierischen Begleiter fürs Homeoffice geholt haben, mit dem „Ende“ der Pandemie und der Wiederaufnahme der regulären Arbeit jedoch feststellten, dass sie nicht mehr genügend Zeit für das Tier haben, und dieses dann in die lokalen Tierheime gaben. Durch die Flut an neuen Tieren, die zumeist von legalen, aber auch von illegalen Züchter*innen kamen, wurden die bereits an ihren Grenzen arbeitenden Tierheime endgültig überlastet.

Verantwortungslosigkeit auf allen Seiten

Gleichzeitig werden in der Pandemie die Probleme und Fehlkonzeptionen bei der Tierhaltung sehr deutlich. In erster Linie wird sichtbar, dass viele Menschen sich Tiere ohne die nötige Weitsicht kaufen. Aus einem Impuls heraus wird zu Weihnachten oder ähnlichen Anlässen ein Tier angeschafft, ohne sich vorher mit dessen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Das Tier verkommt hierbei vom fühlenden Lebewesen mit eigener Persönlichkeit zum Objekt, das die eigenen Bedürfnisse befriedigen soll – um die Einsamkeit zu lindern, um als Geschenk einer Laune des eigenen Kindes nachzukommen, oder als schön anzusehendes Statussymbol. Letzteres ist ein Trend, der sich besonders bei Halter*innen von Qualzuchtrassen wie Mops, Chihuahua oder Pomeranian beobachten lässt, die nach dem Kindchenschema gezüchtet werden.

Das fehlende Bewusstsein für die Bedürfnisse der Tiere wird oft schon deutlich, wenn man Hundehalter*innen beim Gassigehen beobachtet. Nicht selten wird den Tieren keine Zeit gegeben, die Umgebung zu beschnuppern und das Revier zu markieren. Stattdessen wird egoistisch an der Leine gezerrt, bis sich das Tier dem Willen der haltenden Person beugt, ohne seinen für das Wohlbefinden notwendigen Verhaltensweisen nachgehen zu können. Auch weitere offensichtliche Fehler bei der Haltung sind zu beobachten, etwa Über- oder Untergewicht, aber auch Zittern bei kleinen Rassen, was oftmals Ausdruck einer nicht an das Tier angepassten Ernährung ist.

Zucht ist Geschäft

Diese Probleme wären aber zum großen Teil zu verhindern, wenn Züchter*innen nicht verantwortungslos handeln würden. Während in Tierheimen viel Wert darauf gelegt wird, dass Tiere sicher vermittelt werden und potenzielle Halter*innen den Bedürfnissen ihres neuen tierischen Begleiters gerecht werden, zählt bei privaten Züchter*innen, im Zoohandel oder im Internet in erster Linie das Geld. Die Tiere werden an jeden verkauft, der genug auf den Tisch legt, ihr Wohlergehen und ihre Zukunft sind zweitrangig. Gerade bei Tieren, die im Internet oder im Zoohandel gekauft werden, kommt es selten zu einem ernsthaften Verkaufsgespräch, was nicht zuletzt an den verwendeten Begrifflichkeiten sichtbar wird.

Junge Katze im Tierheim. (Foto: Thomas Park/​Unsplash)

Ein viel größeres Problem stellt jedoch die Zucht dar. Sie ist heute mehr als überflüssig und geht oft auf Kosten der Gesundheit der Tiere. Bei jährlich etwa 350.000 Neuzugängen in deutschen Tierheimen kann niemand behaupten, dass das passende Tier nicht dabei wäre. Zumal es auch noch eine Vielzahl seriöser Tierschutzorganisationen gibt, die Tiere vermitteln und potenziellen Halter*innen oftmals, genau wie Tierheime, schon eine grobe Einschätzung zu Persönlichkeit und Verhaltensmustern ihres zukünftigen Schützlings geben können – und auch darauf achten, dass die nötigen Voraussetzungen vorliegen, sich um ein Tier zu kümmern zu können. Züchter*innen tun dies meist nicht, vor allem weil es dem Geschäft schaden würde – die Tiere sind in erster Linie Ware. Ganz nebenbei wird die Situation in den Tierheimen weiter verschlimmert, da die verantwortungslos verkauften Tiere dort landen, wenn die Besitzer*innen ihnen nicht gewachsen sind.

Lebende Brutkästen

Ein weiterer Grund, Züchter*innen nicht zu unterstützen: Bei ihnen bleibt oftmals die Gesundheit der Tiere auf der Strecke. Besonders Tiere, die im Internet oder in Zoohandlungen angeboten werden, kommen oft aus schlimmsten Verhältnissen wie etwa illegalen Hundefarmen in Nachbarländern, bei denen die Muttertiere als lebende Brutkästen missbraucht und nur so weit versorgt werden, dass das Tier nicht stirbt. Auch Exoten, etwa Schlangen, sind meist illegal importierte Wildfänge, die teils Jahre in kleinen Plastikboxen in den Hinterzimmern von Zoohandlungen vegetieren, bis sie verkauft werden, obwohl diese Tiere ohnehin nicht artgerecht gehalten werden können.

In all diesen Fällen ist es nicht selten, dass Tiere binnen Monaten nach dem Kauf sterben, weil sie nicht ausreichend gesundheitlich versorgt wurden und schwer krank verkauft werden. Auch beim Impfschutz wird oft gelogen. Stressige Fahrten in dunklen Transportern sind ohnehin die Regel. Selbst bei „verantwortungsvollen“ Züchter*innen kommt es immer wieder vor, dass Tierschützer*innen aufdecken, wie Tiere unter katastrophalen Zuständen gehalten und gezüchtet werden, solange niemand hinsieht.

Verstecktes Leid

Selbst Züchterinnen, die sich an alle Vorschriften halten und auf die Gesundheit der Tiere zu achten scheinen, tun dies meist nicht wirklich – indem sie reinrassige Tiere züchten, die durch ihre körperlichen Merkmale für bestimmte Krankheiten und Probleme prädestiniert sind. Besonders offensichtlich wird das bei sogenannten Qualzuchten wie Widderkaninchen, Perserkatze oder Mops, doch auch manche besonderen Fellmuster und Farben, wie man sie beispielsweise von Australian Shepherds kennt, gehen mit erheblichen gesundheitlichen Folgen einher. Den Tieren werden Merkmale angezüchtet, die zwangsläufig gesundheitliche Probleme mit sich bringen und die Bezeichnung „gesund“ für diese Tiere hinfällig machen.

Justin Penzel 

Weitere Informationen: Tierheim Berlin, Hausvaterweg 39, Falkenberg (S7 Ahrensfelde + Bus 197), www.tierheim-berlin.de

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