Kampf um Wasser vor den Toren Berlins

Aus DER RABE RALF Oktober/November 2023, Seite 3

Hinter dem Konflikt um den Leiter des Wasserverbands Strausberg-Erkner steht die zunehmende Wasserknappheit

Das Kundencenter des Wasserverbands Strausberg-Erkner befindet sich in Strausberg. (Foto: WSE)

Die mögliche Abwahl seines Vorstehers André Bähler hat den Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) gespalten. Der Verband sichert im östlichen Speckgürtel von Berlin die Versorgung mit Trinkwasser und die Schmutzwasserentsorgung für etwa 170.000 Menschen. Das Grundwasser wird aus dem Berliner Urstromtal gewonnen. Die Wasserreserven dort gelten als übernutzt. Kern des Konflikts in der Region ist die Verteilung der knappen Ressource Wasser.

Am 14. August leiteten sieben der 16 Bürgermeister im WSE-Gebiet einen Abwahlantrag gegen Verbandsvorsteher André Bähler offiziell in die Wege. Auch sie hatten den studierten Umwelttechnik-Ingenieur im März 2020 zum Verbandsvorsteher des WSE mitgewählt, doch um die Personalie gibt es seitdem anhaltende Konflikte.

Zwei Tage später war auch Bählers Stellvertreter Gerd Windisch von dem Abwahlbegehren betroffen. Windisch gilt als Befürworter der Führungsarbeit Bählers. Als kaufmännischer Leiter kümmert sich der 64-Jährige um die Finanzen des Wasserverbandes. Eine Abwahl würde den schon 2014 zum Stellvertreter gewählten Windisch – anders als seinen Chef – deshalb nicht von allen Tätigkeiten im WSE entbinden. Ziel der Abwahlbefürwortenden war es, die Leitungsspitze des Wasserverbandes vollständig neu zu besetzen.

„Keine spontane Entscheidung“

Eingereicht wurde der Antrag bei einer informellen Versammlung, einberufen von Gernot Schmidt (SPD), Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland. Er habe vorab von dem Abwahlwunsch nichts Konkretes gewusst, sagt Schmidt im Telefongespräch mit dem Raben Ralf. Der Abwahlantrag sei ohne seine vorherige Kenntnis eingereicht worden. Vielmehr habe er das Treffen einberufen, um „Konflikte zu lösen“, so der Landrat. Die unzureichende Wasserversorgung sorge für Unstimmigkeiten zwischen dem Wasserverband und einzelnen Kommunen. „Es gibt eine Spaltung des Verbandes und auch eine massive Unzufriedenheit“, so Schmidt gegenüber dem Raben Ralf. Zur Versammlung eingeladen hatte er WSE-Chef Bähler allerdings nicht.

Als Urheber der Abwahlforderungen gilt vielen der Bürgermeister der Gemeinde Schöneiche, Ralf Steinbrück (SPD). Dieser allerdings betont gegenüber dem Raben Ralf: „Ich bin nicht der Initiator, ich bin einer der Mitinitiatoren.“ Steinbrück weiter: „Das war keine spontane Entscheidung, sondern ist schon über einen längeren Zeitraum gewachsen.“ Auch Steinbrück verweist auf mangelnde Wasserreserven in den vom WSE verwalteten Gebieten als Konfliktursprung. „Der WSE steht vor großen Herausforderungen, Herr Bähler macht ja zu Recht darauf aufmerksam, dass die genehmigten Grundwassermengen in Zukunft nicht mehr ausreichen.“ Am 14. August unterzeichneten die Spitzen der Kommunen Strausberg, Fredersdorf-Vogelsdorf, Altlandsberg, Neuenhagen, Schöneiche, Grünheide und Gosen-Neu Zittau den Abwahlantrag.

Viel Wasser für Tesla

Erste Spekulationen über eine Abwahl Bählers hatte es schon in seinem ersten Amtsjahr gegeben. 2020 verweigerte der WSE unter Bählers Leitung die Zustimmung zu möglichen Bebauungsplänen in den Gemeinden des Verbandsgebiets. Aus den Mitgliederkommunen des Wasserverbands kam Kritik.

Bählers damalige Verweigerung gilt als Reaktion auf die Genehmigung der umfangreichen Trinkwasserlieferungen an die neue Tesla-Fabrik in Grünheide. Die allgemeine Wasserknappheit im Verbandsgebiet war bekannt und es drohte ganz offensichtlich eine Verschärfung. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen stimmten auf der WSE-Verbandsversammlung dennoch mehrheitlich für einen Wasserliefervertrag mit Tesla.

Landrat Gernot Schmidt spricht nun gegenüber dem Raben Ralf von weiteren Zuzügen in den vom WSE versorgten Gebieten. Er erklärt, dass die Städte und Gemeinden im Berliner Umland nach aktuellem Baurecht etwa durch bestehende Baulücken noch Potenzial für weitere 40.000 Menschen böten.

Abwahlbefürworter Steinbrück sieht die Probleme jedoch vor allem in der Kommunikation des WSE nach außen. „Mein Eindruck ist, dass die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, vor allem aber mit Kreis- und Landesbehörden gestört ist“, sagt Schöneiches Bürgermeister im Telefongespräch. Beispielsweise stehe derzeit aufgrund der fehlenden Trinkwassergenehmigung der Bau einer weiterführenden Schule in Schöneiche infrage. Ein personeller Wechsel in der WSE-Leitung könne die Probleme lösen. „Ich erhoffe mir, dass eine neue Verbandsspitze mit den zuständigen Kreis- und Landesbehörden wieder konstruktiv zusammenarbeiten kann.“ Ralf Steinbrück wünscht sich, dass der WSE Wasser aus anderen Regionen beziehen kann – als Maßnahme gegen den aktuellen Wassermangel.

„Abwahl ersetzt Problemlösung nicht“

Andere, wie Erkners Bürgermeister Henryk Pilz (parteilos), kritisieren den Abwahlantrag. Dieser könne „eine Lösung nicht ersetzen“, erklärt Pilz gegenüber dem Raben Ralf. Er befürwortet das aktuelle Management der Wasserversorgung, das langfristig gesehen sinnvoll sei. „Ich kann eine Veränderung in der Struktur nicht gutheißen, weil es die Daseinsvorsorge gefährden würde“, begründet Pilz seine Haltung. „Auf der Sachebene ist ganz klar, dass Herr Bähler die Interessen seines Arbeitsvertrages erfüllt.“

Auch die Grüne Liga Brandenburg spricht sich gegen das Abwahlverfahren aus. Landesgeschäftsführer Michael Ganschow erläutert: „Die Grüne Liga ist gegen die Abwahl, weil die Veränderung der Personalie die Grundwassersituation im Verbandsgebiet des WSE nicht ändern wird.“ Bähler sei seinen Aufgaben als WSE-Leiter bislang gewissenhaft nachgekommen, habe vor allem immer wieder auf die Wasserknappheit im Verbandsgebiet hingewiesen.

Nach Ganschows Beobachtung werden in dem Konflikt die eigenen Versäumnisse der Bürgermeister anderen, hier dem Verbandsvorsteher, zugeschrieben. So habe der Liefervertrag mit Tesla über anfänglich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser, dem die meisten der 16 Bürgermeister zugestimmt haben, zur jetzigen Wasserknappheit wesentlich beigetragen. Für diese Genehmigung trügen die Mitglieder der Verbandsversammlung die Hauptverantwortung.

Wasserscheue Landespolitik

Damit auch in Zukunft ausreichend Wasser zur Verfügung steht, müsse die Wasserversorgung im Landesentwicklungsplan und in den Regionalplänen verankert werden, sagt Ganschow. Die Gemeinden müssten dann ihre Bebauungsplanung nach den übergeordneten Plänen ausrichten. Dies sei jedoch von der SPD-geführten Landesregierung 30 Jahre lang versäumt worden. Die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser müsse als Teil der Daseinsvorsorge Priorität haben. Ganschow bemängelt, dass nur die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung öffentlich wahrgenommen werde, wenn es um hohe Wasserverbräuche geht. Er verweist auf die Landesstatistik, nach der heute in Brandenburg rund drei Viertel des geförderten Grundwassers für wirtschaftliche Aktivitäten verbraucht werden.

Auch die Belegschaft des WSE hat in einem offenen Brief Kritik an der möglichen Abwahl geübt. Parallel dazu startete ein Gemeindevertreter eine Online-Petition für eine Weiterarbeit der Verbandsleitung. 

Maja Schmidt

Ergänzung nach Redaktionsschluss: Der Abwahlantrag ist bei der Verbandsversammlung des WSE am 27. September gescheitert. Gegen den Geschäftsführer André Bähler stimmten nur vier von 16 Gemeindevertretern, gegen seinen Stellvertreter Gerd Windisch nur zwei. Außerdem gab es mehrere Enthaltungen. Laut einem Bericht des RBB waren auch rund 200 Gäste gekommen, darunter Naturschützer und WSE-Mitarbeiter. (red)

Weitere Informationen: www.wse-belegschaft.de

Zur Ausgaben-Übersicht


Copyright © 2009 - 2024 GRÜNE LIGA Berlin e.V. Landesverband Berlin - Netzwerk Ökologischer Bewegungen - Alle Rechte vorbehalten.