Résumé zum traurigen Jahrestag
Am 11. März diesen Jahres beging man weltweit den fünften Jahrestag der Natur- und Atomkraftwerkkatastrophe von Fukushima – in Gedenken an die tausenden bedrohen und Überlebenden. Vor fünf Jahren erschütterte ein Seebeben der Stärke 9,0 die Küste vor den Atomkraftwerken (AKW) Fukushima Daiichi und Fukushima Daini. Zehntausende Menschen verloren ihr Leben, hunderttausende wurden obdachlos und wurden daraufhin umgesiedelt. Der durch das Seebeben ausgelöste 14 Meter hohe Tsunami überrollte förmlich die AKWs an der Ostküste Japans. Beide wurden zerstört – im AKW Fukushima Daiichi im Reaktorgebäude 3 kam es zur dreifachen Kernschmelze – dem schlimmsten Atomkraftwerkunfall seit Tschernobyl 1986. Durch die radioaktive Wolke, die sich daraufhin ausbreitete, musste die dort ansässige Bevölkerung fluchtartig ihre Heimat verlassen. Zudem trat ungehindert radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik – die Auswirkungen waren noch an der Westküste der USA zu spüren. Bis heute ist unklar, wie viel radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik und ins Grundwasser gelangt ist. Japans Regierung verharmloste zudem die Auswirkungen der Radioaktivität und gefährdete so die Gesundheit der Bevölkerung. Sowohl die Bevölkerung als auch Wissenschaftler bemängelten den unzureichenden Tsunamischutz. Erst 2007 wurde der 5,7 Meter „hohe“ Damm fertig gestellt. In Japan sind über 10 Meter hohe Tsunamis nichts Ungewöhnliches – in den letzten 500 Jahren gab es 16 Tsunamis, die höher als 10 Meter waren. Warum also, war der Damm nur 5,7 Meter hoch?
Japans Dekontaminierungsprogramm
Seit dem GAU in Fukushima setzt die japanische Regierung verstärkt auf ihr Dekontaminierungsprogramm. Dieses besagt, dass die Oberflächenerde in der Sperrzone um die AKWs abgetragen und in schwarzen Müllsäcken gesammelt wird. Inzwischen gibt es Berichte, über gerissene Müllsäcke. Die verseuchte Erde kann so auf jeden Fall nicht dekontaminiert werden und stellt somit auch die Effektivität des Dekontaminierungsprogramms in Frage. Außerdem gestalten sich die Dekontaminierungsarbeiten in der Sperrzone schwierig, da 70 Prozent der Sperrzone aus bergigem Wald besteht. Das bedeutet, dass bei jedem Sturm oder Regen neue Radioaktivität in die Wohngebiete kommt. Die alles entscheidende Frage bleibt aber weiterhin: Wohin mit dem ganzen verseuchten Material? Bisher ist noch keine Lösung in Sicht und es wird vermutlich auch noch Jahrzehnte brauchen, bis ein halbwegs sicherer Ort gefunden wird. Die Menschen in der Region leiden schon vier Jahre nach dem GAU unter Gesundheitsschäden. Man geht von mindestens 20.000 Kindern aus, die an Schilddrüsenkrebs erkrankt sind oder erkranken werden. Der weitaus größere Teil der durch die Radioaktivität hervorgerufenen Krebserkrankungen wird sich laut Dr. med. Alex Rosen, Vorstandsmitglied der atomkritischen Ärzte-Organisation IPPNW, erst in den nächsten Jahren zeigen. Es wird, wie in Tschernobyl, auch zu einem Anstieg der am Down-Syndrom Erkrankten kommen. Eine ganze Generation wird unter den Folgen der Reaktorkatastrophe leiden müssen.
In Japan gingen nach dem Reaktorunfall in Fukushima hunderttausende auf die Straße und forderten einen Atomausstieg. Zuerst schien ihnen ein Erfolg gelungen zu sein, da die japanische Regierung alle AKWs vorläufig vom Netz nahm. Nun werden alle AKWs wieder hochgefahren und durch den Klimavertrag von Paris auch noch gerechtfertigt, ja befürwortet, da man im Klimavertrag aufgefordert werde, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. So bleibt die Atomkraft in Japan, trotz aller historischen und jüngsten Atom-Katastrophen sowie aller gesundheitsschädlichen und langfristigen Schäden, die erstbeste Wahl zur Energieerzeugung.
Im März dieses Jahres betonte Kaoru Kobayashi, Bürgermeister von Fukushima,
die Stadt selbst habe sich zum langfristigen Ziel gesetzt „nicht auf die Atomkraft angewiesen“ zu sein.
Das Risiko strahlt weiter
30 Jahre nach Tschernobyl wissen wir, dass es natürlich auch in jedem anderen Technologie-Land zu Reaktorkatastrophen mit schrecklichen Folgen für die Bevölkerung und für die Natur haben kann. Auch nahe der deutschen Grenze stehen zwei AKWs in Belgien, Reaktor Doel3 und Reaktor Tihange 2, die laut einer großen Berliner Tageszeitung „schwerwiegende Störfälle“ aufweisen. Ebenfalls wurden in diesen beiden Reaktoren bereits 2013 tausende feiner Haarrisse entdeckt, die nicht reparierbar sind. Dennoch hielten diese Risse die belgische Atomaufsichtsbehörde Fanc nicht davon ab, die beiden AKWs wieder hochzufahren und bis 2025 weiter zu betreiben. So nehmen sie das wachsende Risiko eines Zwischenfalls in Kauf, ja sie beschwören es nahezu herauf.
Nicht nur in Japan, sondern auch weltweit gingen Millionen Menschen auf die Straße, um den Ausstieg aus der Risiko-Technologie der Atomkraft auszusteigen. In Deutschland beschloss die Regierung unter Frau Merkel den viel beachteten Atomausstieg sowie die Energiewende bis 2022. Zurzeit sind wir aber von beidem noch weit entfernt – denn es sind immer noch acht AKWs in Deutschland am Netz. Somit bleiben wir weiterhin zweitgrößter Atomstromproduzent der EU. Das Besorgniserregende ist, dass das jüngste dieser AKWs 28 Jahre „jung“ ist und dementsprechend auf einem geringen technischen Stand ist. Das Risiko von technischen Pannen beziehungsweise unregelmäßigen Vorfällen steigt mit dem Alter der AKWs, sodass die Gefahr von unvorhergesehenen Zwischenfällen in AKWs über unseren Köpfen, wie das Damoklesschwert, schwebt. Hinzu kommt, dass CDU und CSU die Brennelemente-Steuer Ende 2016 abschaffen wollen – den AKW-Betreibern würde man so ein fünf Milliarden Euro Steuergeschenk machen und ihnen für die restlichen Jahre ein profitables Geschäft garantieren. Die Stromkonzerne gingen gegen die Steuer vor dem Europäischen Gerichtshof vor und scheiterten mit ihrer Klage. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bewertet dieses Signal als eine „mögliche Verlängerung der Atomsteuer bis zum Betriebsende des letzten deutschen Atomkraftwerks“. Diese Steuer darf nicht abgeschafft werden – ansonsten wird die Atomkraft in ihren letzten Zügen auch noch bezuschusst.
Daher muss die Bundesregierung endlich zählbare Fortschritte im Atomausstieg und der Energiewende präsentieren – hin zu dezentralen erneuerbaren Energien, zu intelligenten Stromnetzen und neuen Konsummustern.
Konstantin Petrick
Weitere Informationen:
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