Lieber gesund als gerecht? / Aufschwung beim Ökolandbau – Krise beim fairen Handel

Aus DER RABE RALF September 1996

Den Bio-Bauern gehört die Zukunft

… meint die Zeitschrift Öko-Test in ihrer Mai-Ausgabe:1

„Während in der konventionellen Landwirtschaft das Bauernsterben anhält, nimmt die Zahl ökologisch wirtschaftender Bauernhöfe stetig zu. Gegenüber 1991 hat sich die Zahl der Betriebe von 3444 auf 6006 fast verdoppelt. Dazu kommen noch mehrere hundert Betriebe, deren Eigentümer nicht in den Mitgliedsverbänden der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (AGÖL) organisiert sind.

Dagegen machten innerhalb der vergangenen fünf Jahre knapp 50.000 konventionelle Höfe pleite. Derzeit gibt es noch rund 550.000.

Zugenommen hat auch die Fläche, auf der in Deutschland ökologischer Landbau betrieben wird. Besonders der Verband Biopark, dessen Mitglieder in Ostdeutschland rund 100.000 Hektar bewirtschaften, trug dazu bei, daß die Gesamtfläche im Verlaufe der letzten fünf Jahre auf über 300.000 Hektar angestiegen ist. Sie hat sich damit vervierfacht. Möglich wurde diese Entwicklung unter anderem durch staatliche Förderprogramme, die die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft finanziell unterstützen. Außerdem trug die gestiegene Akzeptanz von Bio-Produkten beim Verbraucher zum Aufwärtstrend bei. Neue Umfragen belegen, daß inzwischen über die Hälfte der Deutschen Öko-Produkte nicht nur gut finden, sondern auch bereit sind, für gesunde Lebensmittel mehr zu zahlen.“ Die Bioladen-Branche verzeichnete 1995 Umsatzsteigerungen von ca. 9 %.

P.S.: Im Frühjahr mußte ein Naturkostladen am Ostkreuz (Berlin-Friedrichshain) schließen.

Krise bei der gepa

Die erwartete Umsatzsteigerung der größten Importfirma des ”Fairen Handels”, der gepa2, blieb im letzten Jahr aus. Die gepa hatte mit einem Wachstum von 10-15 % kalkuliert. Nach Angaben der Zeitschrift Publik-Forum soll die gepa das letzte Geschäftsjahr mit 1,5 Mio. DM Verlust abgeschlossen haben. (Der Umsatz hatte im Vorjahr ca. 55 Mio. DM betragen.) Zum 1. Juli wurden die gepa-Regionalstellen in Göttingen und Dresden geschlossen. Auch die Regionalstelle in Berlin-Karlshorst stand zur Disposition. Mittlerweile gibt es Verhandlungen zwischen gepa und der alternativen Importfirma El Puente (Hildesheim)3 über eine gemeinsame Nutzung des Berliner Lagers. Die Regionalstellen sind für viele Welt-Läden in einem größeren Gebiet die geeigneteste Möglichkeit, jederzeit an bestimmte Waren heranzukommen. Auch der in der Weltladen-Szene umstrittene Katalogversand soll überdacht und neu strukturiert, wenn nicht sogar im kommenden Jahr abgeschafft werden.

”Faire” Konkurrenz

Eine weitere Sanierungsidee der gepa ist die gänzliche Abschaffung von Regionalstellen – die Kunden sollen dann von VertreterInnen ”betreut” werden. Den Schwerpunkt bilden dabei die „kommerziellen Weltläden”, also Weltläden in privater Hand, sowie die GroßverbraucherInnen.

Die britische Schwesterorganisation der gepa, OXFAM, hat sich zudem vorgenommen, bis zum Jahre 2000 in jeder deutschen Großstadt eigene Läden zu eröffnen. Ein unfairer Wettbewerb? Die gepa muß sich den Marktgesetzen beugen, bezeichnete aber in einer Stellungnahme das sinkende Engagement von Dritte-Welt-Solidaritätsgruppen als Hauptursache für ihre Krise. Die Zahl der ehrenamtlichen VerkäuferInnen, die so typisch für diesen Handel sind, nimmt ständig ab, die Kosten der Laden- und Aktionsgruppen dagegen steigen. Die kalkulierten ”fairen” Endverkaufspreise reichen nicht mehr zur Kostendeckung aus. Den größeren Teil der Erlöse müssen die Läden für ihr Überleben verwenden. Mit einem Umsatzwachstum kann aber nicht gerechnet werden.

Der gepa ist wohl auch die TransFair-Kampagne ”auf den Fuß gefallen”, deren Mitinitiatorin sie war.4 Zwar steigt der Verkauf von Kaffee und anderen Produkten mit dem TransFair-Siegel – aber im Supermarkt schneller als im Weltladen. Die KritikerInnen in der Szene hatten also recht, als sie vor Jahren behaupten, eine weitere Kommerzialisierung des Alternativhandels gefährde die Idee der ”Aktion 3. Welt Handel”.5 Ein Hauptargument der gepa gegenüber der kritischen Szene war damals, daß sie sich in der Verantwortung sehe, höhere Erträge für die Projekte in der Dritten Welt zu erzielen.

Gerecht oder wirtschaftlich?

Immer war darauf verwiesen worden, daß „nur ein Modell“ des fairen Handels praktiziert werde. Ein Modell muß sich aber einer bestimmten (wirtschaftlichen) Situation anpassen; dies tat die gepa offenbar zu schnell und in die falsche Richtung.

Bleibt zu hoffen, daß die Verluste (auch für die ErzeugerInnen in der „Dritten Welt“) sich nicht so auswirken, daß in ein paar Jahren der ”faire Handel” nur noch ”Handel” um des Handels willen ist und sämtliche politische Forderungen dem ”fairen” Profit geopfert werden.

Empört hat viele ehrenamtliche Alternativhandels-AktivistInnen auch, daß das ”Sanierungsprogramm” geheim beschlossen und ihnen dann vorgesetzt wurde – ohne Möglichkeit der Mitarbeit, ohne Einspruchsmöglichkeiten, wo es doch gerade auch die Transparenz ist, die diese Art des Handels vom Kommerzhandel unterscheiden soll! Auf jeden Fall werden innerhalb der gepa viele ”faire” Arbeitsplätze abgebaut, was sicher auch zu einem Imageverlust für die beiden Hauptgesellschafter der gepa, der kirchlichen Hilfswerke MISEREOR und BROT FÜR DIE WELT, führen wird.

P.S.: Laut Öko-Test Mai 96 sind die gepa-Kaffeesorten ”Café Organico Naturland” und Nicaragua-Transfair „empfehlenswert“.

Stefan Schrom

1 Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Öko-Test-Verlages

2 siehe Teil 4, Okt. 95

3 siehe Teil 3, Juli 95

4 siehe Teil 6, Dez. 95

5 siehe Teil 1, Mai 95


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