Bauen, bauen, bauen?

Aus DER RABE RALF Dezember 2018/Januar 2019, Seite 4

Für ein soziales und ökologisches Berlin kommt es darauf an: Wer baut was und für wen?  

Trotz jahrelanger Proteste bebaut der Inhaber der Hellweg-Baumärkte, Reinhold Semer, ein Biotop neben dem S-Bahnhof Yorckstraße in Schöneberg. (Foto: Elisabeth Voß)

Zweifellos fehlen Wohnungen in Berlin, das können alle bestätigen, die neu in die Stadt ziehen oder umziehen möchten. Genau genommen fehlen bezahlbare Wohnungen. Da liegt der Ruf nach Neubau nahe – aber ist es so einfach?

Aus den Antworten des Senats auf eine Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert (Linke) geht hervor, dass in Berlin seit zehn Jahren kontinuierlich immer mehr gebaut wird. 2006 wurden 3.162 Wohnungen neu errichtet, 2016 bereits 13.659 und 2017 sogar 15.669. Baugenehmigungen wurden viel häufiger erteilt, und Ende 2017 waren fast 60.000 Wohnungen genehmigt, aber noch nicht gebaut. Etliche Grundstücke werden mit Baugenehmigungen weiterverkauft, so dass hier auch von spekulativen Verzögerungen ausgegangen werden kann.

Der Anteil von Eigentumswohnungen im Neubau lag 2017 bei 30 Prozent. Bei den Mietwohnungen stiegen die Mieten für den Erstbezug in den letzten zehn Jahren um 65 Prozent und lagen 2017 laut Marktbericht der Immobilienbank DZ Hyp bei durchschnittlich 12,50 Euro netto kalt pro Quadratmeter. Sind das noch Wohnungen oder ist das schon Betongold? Aus marktwirtschaftlicher Sicht mag der Preisanstieg durch erhöhte Nachfrage logisch erscheinen. Wenn jedoch von einer erhöhten Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen ausgegangen wird, dann handelt es sich um ein weitgehendes Marktversagen, wenn diese Wohnungen nicht bereitgestellt werden.

Wohnen ist ein Menschenrecht

Ohnehin sind Wohnungen keine Ware wie jede andere, sondern das Recht auf Wohnen ist in den allgemeinen Menschenrechten und im UN-Sozialpakt festgelegt. Daher ist es überhaupt nicht egal, wer Wohnungen baut. Die verbliebenen sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen spielen eine wichtige Rolle, sind jedoch in ihrer privatrechtlichen Verfasstheit als GmbHs und Aktiengesellschaften auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Mit dem Mietenvolksentscheid, der 2015 begonnen wurde, sollten sie in Anstalten öffentlichen Rechts umgewandelt und auf Wohnraumversorgung statt Profit verpflichtet werden. Aus den Verhandlungen zwischen Volksentscheid-Initiative und Politik resultierte das Wohnraumversorgungsgesetz, das Anfang 2016 in Kraft trat. Zusammen mit der im April 2017 unterzeichneten Kooperationsvereinbarung wurden die landeseigenen Gesellschaften in ihren Mieterhöhungs-Möglichkeiten eingeschränkt.

2017 wurden nur 2.436 Wohnungen von öffentlichen Bauherren fertiggestellt. Die landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen ihre Bautätigkeiten intensivieren und gemäß Kooperationsvereinbarung ihren Bestand von bisher zusammen knapp 300.000 Wohnungen bis zum Jahr 2021 auf 360.000 erhöhen, wobei etwa die Hälfte neu gebaut, die andere Hälfte zugekauft werden soll. 50 Prozent der Wohnflächen müssen im sozialen Wohnungsbau errichtet werden, der jedoch mit Nettokaltmieten von anfangs durchschnittlich 6,50 Euro pro Quadratmeter nicht wirklich preiswert ist.

Konstruktionsfehler: Befristete Sozialbindung

Private Bauherren werden vom Senat im Rahmen der Kooperativen Baulandentwicklung verpflichtet, im Neubau 30 Prozent Sozialwohnungen zu errichten, wenn die gesamte Wohnfläche mindestens 5.000 Quadratmeter beträgt. Dafür gibt es Zuschüsse, und die geförderten Wohnungen können auch von städtischen Gesellschaften gebaut oder später von ihnen übernommen werden. Die Mietpreis- und Belegungsbindung besteht für 30 Jahre. Diese Befristung stellt einen grundlegenden Konstruktionsfehler dar, denn preiswerter Wohnraum wird auf Dauer benötigt, nicht nur vorübergehend. Berlin könnte sich ein Beispiel an Wien nehmen, wo zwei Drittel der Bevölkerung in Gemeindewohnungen oder im geförderten Wohnungsbau leben, der dort auf Dauer angelegt ist.

Die Genossenschaft Möckernkiez hat eine Siedlung mit 471 Wohnungen am Gleisdreieckpark errichtet – pro Quadratmeter müssen eine Einlage von 920 Euro und ein Nutzungsentgelt von durchschnittlich 11 Euro nettokalt gezahlt werden. (Foto: Elisabeth Voß)

Der Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen im privaten und 50 Prozent im öffentlichen Wohnungsneubau kann von den Vorhabenträgern nach Belieben angeordnet werden, es gibt keinerlei Auflagen, beispielsweise zur sozialräumlichen Mischung. So können geförderte Wohnungen in unattraktiveren Lagen angesiedelt werden, oder sie werden als Lärmschutzriegel zwischen Straßen oder Bahngleisen und den Gebäuden mit teureren Wohnungen gebaut.

Genossenschaften sind auf die dauerhafte Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum ausgerichtet (Rabe Ralf August 2018, S. 20). In der Berliner Neubau-Statistik werden sie jedoch nicht gesondert erfasst, sondern gehen in die Zählung privater Wohnungsunternehmen ein. Ihnen fehlen oft Grundstücke, um Wohnungen für weitere Mitglieder errichten zu können. Die rasant steigenden Preise für Bauland in Berlin – im Jahr 2017 um 77 Prozent – sind ein wesentlicher Grund dafür, dass Bauen immer teurer wird. Hinzu kommen eine erhöhte Nachfrage nach Bauleistungen und wachsende technische Anforderungen an Sicherheit und Energieeffizienz. Die reinen Baupreise in Berlin lagen im August 2018 um 7,1 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Um der Bodenspekulation Einhalt zu gebieten, werden öffentliche Grundstücke in Berlin in der Regel nicht mehr verkauft. Eine Initiative in Kreuzberg-Friedrichshain arbeitet an einem Eigentumsmodell zur dauerhaften Sicherung von städtischem Boden als Grundlage für bezahlbare Wohn- und Gewerberäume (Rabe Ralf Oktober 2018, S. 20).

Nachverdichtung um jeden Preis?

Die Nachverdichtung der Innenstadt ist ein konfliktreiches Thema. Vor kurzem wurde sogar die Bebauung des Tempelhofer Feldes wieder ins Gespräch gebracht. Angesichts des Klimawandels sind Grünzonen und Frischluftschneisen für die städtische Bevölkerung überlebenswichtig, insbesondere wenn die notwendige Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs nicht vorangebracht wird. Mehr Wohnungen – auch wenn sie flächensparend durch Aufstockungen oder Dachausbau entstehen – ziehen Infrastrukturen im sozialen, kulturellen und gewerblichen Bereich nach sich und verstärken den Verkehr nochmals.

Sowohl unter sozialen als auch ökologischen Aspekten kann Neubau nicht die einzige Lösung der Wohnungsfrage darstellen. Mindestens ebenso wichtig ist der Erhalt des Bestandes an bezahlbaren Wohnungen und der Schutz vor spekulativer Verwertung. Die Ausweisung von Milieuschutzgebieten ist immerhin ein Ansatz, wenngleich die Schutzwirkungen begrenzt sind. Notwendig wären bundespolitische Regelungen, beispielsweise eine wirksamere Mietpreisbremse oder die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Jedoch könnte auch regional mehr möglich sein, wenn die Wohnungsfrage stärker als bisher in die Entwicklung der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg einbezogen würde.

Auf dem Stadtforum „StadtUmland! Gemeinsam wachsen“ am 12. November 2018 stellte Jan Drews, Abteilungsleiter der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg, den aktuellen Stand des Landesentwicklungsplans vor. Im Siedlungsstern entlang der Bahntrassen von Berlin ins Umland gebe es Platz für mehr als eine halbe Million neue Wohnungen, mit der Regionalbahn etwa 45 Minuten von den Arbeitsmarktzentren in Berlin entfernt.

Vielleicht wäre ja ein Perspektivwechsel hilfreich, der die Wohnungsfrage einbettet in die größere Frage danach, wie Wohnen, Arbeit und Freizeit – das ganze Leben also – anders, regionaler und selbstbestimmter organisiert werden könnten, statt Schlafstädte im Umland und immer mehr Pendelverkehr zu produzieren?

Elisabeth Voß


 

Bundesimmobilien in guten Händen?

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – weder gute Vermieterin noch gute Arbeitgeberin

Protest gegen die BImA am Dragonerareal in Kreuzberg. (Foto: Elisabeth Voß)

Wem gehört Berlin? Einige Immobilien – Grundstücke, Gebäude und Kleingärten – befinden sich im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Bundesweit verfügt sie nach eigenen Angaben über fast 470.000 Hektar Grundstücksfläche und 36.000 Wohnungen. Die BImA wurde 2005 errichtet, untersteht dem Finanzministerium und hat den gesetzlichen Auftrag, nicht betriebsnotwendige Immobilien meistbietend zu veräußern.

Das hatte die BImA beispielsweise 2015 mit dem sogenannten Dragonerareal versucht, einem ehemaligen Kasernengelände hinter dem Rathaus und dem Finanzamt Kreuzberg an der Ecke Mehringdamm/Obentrautstraße. Den Zuschlag für das Grundstück erhielt damals Arne Piepgras, der es sogleich an einen globalen Investor weitergab. Wegen der Höhe des Kaufpreises von 36 Millionen Euro mussten auch Bundesgremien dem Verkauf zustimmen. Dem Bündnis „Stadt von Unten“ gelang es damals, gemeinsam mit dem Berliner Senat und dem Bezirksamt den Finanzausschuss des Bundesrats davon zu überzeugen, dem Verkauf nicht zuzustimmen. Piepgras, der kürzlich forderte, alle Berliner Kleingärten plattzumachen und die Flächen zu bebauen, hat bei der Europäischen Union eine Beschwerde dagegen eingelegt und beabsichtigt zu klagen. Mit seiner Klage auf Schadenersatz gegen den Regierenden Bürgermeister Müller und Finanzsenator Kollatz scheiterte er im November 2018 vor dem Berliner Landgericht.

BImA will Einfluss auf Immobilien in Berlin

Im Frühjahr 2017 wurde im Hauptstadtfinanzierungsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Bundesfinanzministerium vereinbart, dass Berlin das Dragonerareal im Tausch gegen einige Kulturgrundstücke von bundesweiter Bedeutung übertragen bekommt. Jedoch wurde die Übertragung bisher nicht vollzogen.

Im Juli 2018 wies „Stadt von Unten“ auf Details aus dem Übertragungsvertrag hin: „Demnach müssten 90 Prozent der Grundstücksflächen an landeseigene Akteure vergeben werden, während nur die verbleibenden 10 Prozent an Genossenschaften oder andere gemeinwohlorientierte Träger vergeben werden dürfen.“ Diese Beschränkung gilt ebenso für Erbbaurechte, was allem widerspricht, was bisher in langwierigen Partizipationsverfahren versucht wurde zu entwickeln.

„Stadt von Unten“ hatte von Anfang an gefordert: 100 Prozent Mietwohnungen, 100 Prozent Teilhabe, 100 Prozent wirklich soziale Mieten und 100 Prozent dauerhaft abgesichert. Mit einem solchen Modellprojekt sollen Privatisierungen ausgeschlossen werden. Da die landeseigenen Gesellschaften dafür nicht ausreichend Garantien bieten können, sollte ein „innovatives Eigentumsmodell“ entwickelt werden. Dem steht nun die vertragliche Auflage der BImA entgegen.

In einem anderen Fall klagt die BImA gegen das Land Berlin. Sie hatte 2015 drei Mietshäuser in der Großgörschen- und Katzlerstraße, im Milieuschutzgebiet Schöneberger Norden, zum Höchstpreis an eine private Gesellschaft verkauft. Daraufhin übte das Bezirksamt zugunsten des kommunalen Wohnungsunternehmens Gewobag sein Vorkaufsrecht aus. Die BImA ging gerichtlich dagegen vor und gewann in der ersten Instanz. Im Januar 2019 wird die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht stattfinden.

Verbilligter Verkauf für sozialen Wohnungsbau?

Angeblich soll sich die BImA-Verkaufspolitik nun ändern. Der Bundestag hatte im Juli 2018 im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung beschlossen, dass die BImA „Grundstücke im Wege des Direktverkaufs ohne Bieterverfahren unterhalb des gutachterlich ermittelten Verkehrswertes“ an die öffentliche Hand abgeben darf, wenn dies unmittelbar zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Genannt ist ausdrücklich der soziale Wohnungsbau als zulässiger Zweck einer verbilligten Grundstücksabgabe.

Vergleichbare Haushaltsregelungen gibt es bereits seit 2015, damals vor allem, um Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen. Diese Regeln wurden jedoch nur selten, in Berlin nie angewendet. Schon damals war ein Volumen von 100 Millionen Euro für die Gesamtsumme aller Preisnachlässe im Zeitraum der Verbilligungsrichtlinie angesetzt worden. Neu ist jedoch, dass Verbilligungen für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus nicht mehr in diesen Betrag eingerechnet werden, sondern unbeschränkt möglich sein sollen.

Der Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup (SPD) zeigte sich hocherfreut über die Neuregelung: „Es war lange überfällig, dass der Bund einen Schlussstrich unter die Praxis der Höchstpreisvergabe zieht.“ Seine Bundestagskollegin Lisa Paus (Grüne) dämpfte die Euphorie und wies darauf hin, dass im Haushalt 2018 rund 360 Millionen Euro Zuflüsse aus BImA-Verkäufen, jedoch nur 25 Millionen an Nachlässen für verbilligte Abgaben an die öffentliche Hand eingeplant seien.

In Berlin hat die BImA etwa 4.600 Wohnungen. Jahrelange Verhandlungen zur Übernahme durch das Land Berlin verliefen ergebnislos. In der Sundgauer Straße in Zehlendorf, wo die BImA große Teile ihrer Berliner Wohnungsbestände hat, gab es erhebliche Mieterhöhungen. Notwendige Sanierungen werden nicht durchgeführt, und wer deshalb die Zustimmung zur Mieterhöhung verweigert, wird von der BImA verklagt. Lisa Paus machte im Mai 2018 öffentlich, dass die BImA in den letzten zwei Jahren „gegen ihre Mieterinnen und Mieter 133 Gerichtsprozesse geführt“ habe – viele davon in Berlin.

„Ein Klima der Kälte“

Mitte Juni 2018 wendete sich der Hauptpersonalrat der BImA wegen problematischer Arbeitsbedingungen mit einem Hilferuf an den Vorstand des Unternehmens. Beschäftigte machten das Schreiben öffentlich und prangerten die Zustände im Klartext an: „Die größte Sparte Facilitymanagement klagt über ein Klima immer größer werdender Kälte und gleichzeitig über Kompetenzverlust, fehlende Personalkonzeption bis hin zur tatsächlichen Unfähigkeit, die übertragenen Aufgaben überhaupt noch inhaltlich bewältigen zu können.“ Schon vor Gründung der BImA habe die Bundesvermögensverwaltung keine Nachwuchskräfte mehr ausgebildet und Arbeitsverträge nur noch befristet abgeschlossen. Ein neues Vorstandsmitglied, der ehemalige Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums (BMI), Paul Johannes Fietz, habe „zuvor seinen Dienst in der inneren Abteilung Z des BMI wegen mehrfacher, gravierender Verfehlungen quittieren“ müssen.

Im Online-Portal Lobbypedia steht über Fietz: „Mitherausgeber des Anti-Abtreibungs-Buches ‚Auf Leben und Tod‘ sowie Autor der von Dominikanern gegründeten Zeitschrift ‚Die neue Ordnung‘. Im BMI war Fietz … zuständig für alle Neueinstellungen. Fietz soll Knotenpunkt eines konservativ-katholischen Netzwerks sein und die Einstellungspolitik des BMI weltanschaulich steuern.“ Für die BImA sitzt Fietz im Präsidium des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), einer Lobbyorganisation der Immobilienwirtschaft.

Elisabeth Voß

Weitere Informationen: www.stadtvonunten.de

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