Bauernprotest

Aus DER RABE RALF Februar/März 2024, Seite 1/4

Traktordemos, Blockaden und falsche Freunde: In der Landwirtschaft geht es um mehr als die Agrardiesel-Kürzungen

Bei der „Wir haben es satt“-Demonstration im Januar in Berlin. (Foto: Johann Thun)

Massive Bauernproteste haben das Land erschüttert. Den Landwirten geht es nicht nur um die Kürzungen beim Agrardiesel. Der kleinen und mittleren Landwirtschaft in Deutschland (wie auch anderswo) geht es beschissen. Die Erträge stimmen nicht, der Klimawandel wird zur Bedrohung, es gibt zu viel Arbeit und entsetzlich viel Bürokratie für zu wenig Geld.

Wer macht gerne unzählige Überstunden in einer Landschaft, in der immer mehr Spaziergänger mit immer mehr Freizeit immer alles besser wissen? Die Kinder wollen die Höfe nicht übernehmen und die Landwirtschaft hat ein schlechtes Image, das durch die Blockaden nicht besser wird. Investoren haben Ackerland als Finanzanlage entdeckt. Die Kauf- und Pachtpreise sind enorm gestiegen und für viele Landwirte schlicht nicht mehr bezahlbar (Rabe Ralf Oktober 2023, S. 16). Immer verzweifelter versuchen die Betroffenen, mit Dünger, Gift, Wachstum und Protest gegen eine internationale Konkurrenz anzugehen, die auf gigantischen Feldern mit in Europa verbotenen Giften und billigen Arbeitssklaven arbeiten kann.

Der Aufhänger für die Proteste waren die Kürzungen bei den klimaschädlichen Subventionen für Agrardiesel. Das haben CDU und CSU mal wieder genial gemacht. Sie klagten erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht und die Ampel hat jetzt 60 Milliarden weniger im „Klima- und Transformationsfonds“. Auch so lässt sich die Energiewende bekämpfen. Da freute sich die FDP, die als „Opposition in der Regierung“ jede Gelegenheit nutzt, um den Klimaschutz zu verzögern, und auch die AfD lachte sich ins Fäustchen. Und dann strich die Regierung unter anderem die Subventionen für den Agrardiesel und löste heftige Bauernproteste aus.

Subventionsregeln bevorzugen Großbetriebe

Dabei ließen sich die klimaschädlichen Subventionen auch gerechter kürzen. „Klein- und Nebenerwerbsbetriebe erhielten im Wirtschaftsjahr 2020/21 im Durchschnitt eine Erstattung von 874 Euro auf die gezahlte Energiesteuer für ihren Dieselverbrauch“, schreibt das Fachmagazin Agrarheute, Großbetriebe „kamen hingegen durchschnittlich auf eine Steuererstattung von 26.620 Euro. Wer viel Diesel verbraucht, zahlt umso mehr Energiesteuer und erhält einen entsprechend höheren Betrag erstattet.“

Ein steuerbefreiter Sockelbetrag von 5000 Euro für Agrardiesel, der vor allem kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben nutzen würde, wäre ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit, Klimaschutz und gegen die Verwandlung der Landwirtschaft in eine Agrarfabrik. Doch mit der Regierungspartei FDP ist es nicht möglich, so etwas durchzusetzen.

Landwirtschaftsfeindliche Globalisierung

Haben die kleinen und mittleren Landwirte mit AfD, CDU, CSU und FDP die richtigen Freunde und mit SPD, Grünen und der Umweltbewegung die richtigen Gegner?

Die AfD leugnet den Klimawandel, der die Landwirtschaft besonders stark trifft. Und sie ist gegen die zukunftsfähigen Energien, von denen gerade die Landwirtschaft profitiert.

CDU, CSU und FDP reden zwar gern von der Unterstützung der kleinen und mittleren Landwirtschaft. Doch welche politische Farbe hatte die Mehrzahl der Bundeslandwirtschaftsminister, als hierzulande jeder zweite landwirtschaftliche Betrieb starb? CDU, CSU und FDP waren und sind die stärksten Lobbyisten der landwirtschaftsfeindlichen Globalisierung und der großen Agrarfabriken.

Es ist peinlich für SPD und Grüne, dass sie heute das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen unterstützen, das der einheimischen Landwirtschaft massiv schaden wird. Die mächtigen Agro-Chemie-Konzerne und die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Bauernverbänden haben nur ein vorgeschobenes Interesse an kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben. Sie träumen und realisieren den zerstörerischen Traum von der großen, global aufgestellten Agrarfabrik.

Umgelenkte Wut

Agrarfabrikbesitzer, marktradikale Politiker, Pestizidhersteller, Lobbyisten, Saatgutmonopolisten, Landmaschinenhersteller und Großgrundbesitzer nutzen die Wut der kleinen Landwirte für ihre eigenen Interessen. Sie wollen die globale Agrarfabrik. Die auf falsche Ziele gelenkte Wut der Bauern erinnert ein wenig an die gelenkte Wut der „kleinen Leute“ beim Brexit in England. „Take back Control“ war ihr Slogan, aber die Kontrolle zurückgewonnen haben Konzerne und Milliardäre auf Kosten der Normalverdienenden. Die gezielt gelenkte Wut der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe wird ihre Abschaffung beschleunigen und der großen Agro-Chemie-Lobby nutzen.

Die kleine und mittlere Landwirtschaft hat allen Grund, unzufrieden zu sein. Manche falschen Freunde der Bauerndemos wollen aber auch einen rechten Umsturz der Demokratie und tragen erfolgreich die Kulturkämpfe aus den USA nach Europa. Und der Staat muss sich fragen, ob alle, die Straßen blockieren – Klimaschützerinnen oder Landwirte –, vor dem Gesetz gleich sind, wie es im Grundgesetz steht.

Bäuerliche Landwirtschaft ist nachhaltig

Auch die Naturschutzbewegung wurde bei den Bauernprotesten teilweise heftig kritisiert. Doch sie ist nicht der Feind der kleinen und mittleren Landwirtschaft in Deutschland. Die Umweltbewegung zählt zu den letzten Verbündeten der kleinen und mittleren, naturnäheren, nachhaltigen und somit auch moderneren und zukunftsorientierten Landwirtschaft. Wir müssen den Wachstumswahn stoppen, den Traum von der globalen Agrarfabrik beenden und die Globalisierung menschengerecht und nachhaltig gestalten. Dazu brauchen wir, nicht nur beim Agrardiesel, eine andere, neue Agrar- und Subventionspolitik, die nicht allein die Interessen der großen deutschen Agrarfabriken und der Investoren bedient. Und die Landwirtschaft braucht gute Preise für gute, umweltschonend erzeugte Produkte. Mit den falschen Freunden der Protestaktionen ist das nicht zu machen.

Axel Mayer

Weitere Informationen: www.abl-ev.de und www.mitwelt.org


Mit zweierlei Maß

Von legitimem Protest und Doppelmoral – Kommentar

Ein Klimaaktivist ist kein Bauer. (Foto: Ferdinand Uhl/Flickr, CC by-nc-sa 2.0)

Kaum ein Thema polarisierte in den letzten Wochen so stark wie die „Bauernproteste“. Der Haushaltsplan der Bundesregierung sah eine Kürzung der landwirtschaftlichen Subventionen vor, was Landwirt*innen in ganz Deutschland auf die Straße und in Traktorkolonnen nach Berlin trieb. Die Forderung: die unverantwortlichen Kürzungen zurücknehmen und politische Rahmenbedingungen für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft schaffen.

So weit, so gut.

Die Proteste bekamen viel Unterstützung in Gesellschaft und Politik – allerdings auch von weit rechts. Rechtsextreme Gruppierungen versuchten immer wieder, die Proteste zu unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. In den vergangenen Wochen distanzierten sich immer mehr Bäuer*innen und Verbände von der Unterstützung aus dem rechten Spektrum. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbands Joachim Rukwied betonte wiederholt, dass rechte und andere radikale Gruppierungen auf den Demonstrationen unerwünscht seien, und verurteilte die Gewaltbereitschaft einiger Landwirte scharf. Doch das braune Problem bleibt, und über den konkreten Umgang mit rechtsextremem Gedankengut wird kaum gesprochen.

Dass die Proteste ausgerechnet von Rainer Wendt, dem umstrittenen Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Zuspruch bekommen, ist vor diesem Hintergrund wohl kaum überraschend. Im Interview mit der Bild-Zeitung zog Wendt ein erstes Fazit: „Alle Versuche, unsere Landwirte zu kriminalisieren und in die rechte Ecke zu schieben, sind gescheitert.“ Er unterscheidet den „ordnungsgemäßen, demokratischen Protest“ von der „kriminellen Willkür“ durch die Aktivist*innen der „Letzten Generation“. Damit verharmlost er die Realität der Proteste, denn was an einer Ampel am Galgen, dem Bedrängen von Politiker*innen, Umsturzfantasien und Reichsadlern demokratisch sein soll, bleibt fraglich.

Der Vergleich mit der Letzten Generation wird auch in den sozialen Netzwerken immer wieder aufgegriffen. Diejenigen, die am lautesten gegen die „Klimakleber“ hetzten, jubelten nun den Treckerblockaden zu. Obwohl sich die Protestformen in vielen Aspekten ähneln, scheint die Wahrnehmung bei vielen eine gänzlich andere zu sein. Vielleicht sollte die Letzte Generation in Zukunft vermehrt auf Traktoren setzen, um sich vor Durchsuchungen, Polizeigewalt und Präventivhaft zu schützen.

Lenja Vogt

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