Berliner Klimaschutzprogramm – besser als erwartet

Aus DER RABE RALF April/Mai 2018, Seite 7

Abgeordnetenhaus beschließt umfassendes Konzept zur CO2-Reduzierung in Berlin

Vor zwei Monaten hat das Abgeordnetenhaus das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) verabschiedet. Damit soll die Hauptstadt bis 2050 klimaneutral werden. Das Programm enthält Leitlinien von der Abfallwirtschaft bis zum Waldumbau. Eine erste Vorlage war bereits 2016 vom rot-schwarzen Senat erarbeitet worden, doch die CDU hatte so viele Änderungswünsche, dass es damals nicht mehr zu einer Verabschiedung kam.

Das gab der neuen rot-rot-grünen Koalition jetzt die Möglichkeit, dem Klimaschutzprogramm eine deutliche eigene Handschrift zu geben. Das Programm fällt nun etwas pointierter aus, wie Georg Kössler, Klimaschutzexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus, betont: Die Beschlussempfehlung enthielt 60 Änderungsanträge von Rot-Rot-Grün. Dazu gehört zum Beispiel die Aktualisierung des Klimaziels auf den Stand des Pariser Klimaabkommens mit seinem 1,5-Grad-Limit. Damit soll das Land Berlin nun seine CO2-Emissionen bis 2050 nicht mehr um 80 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 reduzieren, sondern um 95 Prozent – „über die gesetzlichen Vorgaben hinaus“, wie es jetzt im Klimaschutzprogramm heißt.

„Wir können jetzt zum Praxislabor der Energiewende werden“, sagt Kössler, „und die öffentliche Verwaltung hat dabei eine Vorreiterrolle.“ Klimaschutz werde mit dem neuen Programm zum zentralen Kriterium der Bauplanung. Verkehrsprojekte müssten sich ab sofort an ihrer Klimawirkung messen lassen. Ein weiterer Bauabschnitt der Stadtautobahn A100 sei damit zum Beispiel gestorben.

Seit vielen Jahren wird in Berlin auch über den Konflikt zwischen energetischer Gebäudesanierung und dem Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Verdrängung gestritten. „Die soziale Frage ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig“, meint Michael Efler, Klimaschutzexperte der Linksfraktion. „Wir haben es geschafft, Nachbesserungen im Bereich der Warmmietenneutralität zu erreichen“, hebt er hervor. Unterm Strich soll nun die Dämmung von Wohnhäusern die darin zur Miete Wohnenden nicht mit zusätzlichen Kosten belasten.

Gemeinsam mit anderen Gruppen demonstrierte die Grüne Liga Ende Februar vor dem Bundestag für einen schnellen Ausstieg aus der unverantwortlichen Kohleverstromung und für das Klimaschutzziel 2020. (Foto: Uwe Hiksch)

Fernwärme ohne Steinkohle, mit immer weniger Erdgas

Das Bündnis Kohleausstieg Berlin betont in seiner Bewertung des Energie- und Klimaschutzprogramms vor allem die Notwendigkeit, auch aus der Steinkohle auszusteigen. Nachdem es im Entwurf noch großen Verbesserungsbedarf gegeben habe, hätten die im Abgeordnetenhaus beschlossenen Änderungen die Klimapolitik in der Hauptstadt konkreter und anspruchsvoller gemacht. Trotzdem werde der Senat bald nachlegen müssen. Spätestens nach der Fertigstellung der Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg, die für Anfang 2019 geplant ist, hält das Bündnis eine Neufassung des Klimaschutzprogramms für nötig, um die Zukunft der Berliner Fernwärmeversorgung zu bestimmen und den Kurs einer konsequenten Dekarbonisierung einzuschlagen.

Die Zukunft der Fernwärme ist für das Bündnis das Orakel der Berliner Energiepolitik. Für eine konsequent klimagerechte Wärmeversorgung dürfe der Kohleausstieg nicht durch den Bau neuer Gaskraftwerke begleitet werden. Doch auch die überarbeitete Fassung des Klimaschutzprogramms geht immer noch von einem steigenden Gasverbrauch aus und hält an der Nutzung von Erdgas für die Fernwärmeversorgung sogar über das Jahr 2050 hinaus fest. „Der Kohleausstieg ist auch ohne einen höheren Gasverbrauch machbar“, sagt Oliver Powalla vom Bündnis Kohleausstieg Berlin. „Dafür muss die Effizienz der Berliner Fernwärme deutlich gesteigert und ihr Absatz insgesamt reduziert werden. Die Schlüsselfrage ist, ob es in Berlin gelingt, energetische Sanierungen wirksam zu planen und sozial zu gestalten.“
„Sobald die Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg fertiggestellt ist, muss der Senat einen Abschaltplan für die Berliner Steinkohlekraftwerke aufstellen“, fordert Powalla. Dieser Plan sollte auch einen CO2-Grenzwert für die Fernwärme beinhalten. „Berlin wird sein CO2-Budget nur einhalten, wenn die Politik gegenüber Vattenfall Emissionsstandards und damit auch fixe Endpunkte für seine veralteten Steinkohlekraftwerke gesetzlich festlegt“, so der Bündnisvertreter.

Endlich Solarenergie auf öffentlichen Dachflächen

Insgesamt ist das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm für die Jahre 2017 bis 2021 viel mehr Zuckerbrot als Peitsche. Unter den rund 100 Maßnahmen, bei denen es um Stromsparen, energetische Sanierung, Verkehrsvermeidung und bewussteren Konsum geht, sind auch viele Kampagnen und Anreize durch Förderprogramme. Echte Sanktionierungsmechanismen, um klimaschädliche Entscheidungen zu stoppen, gibt es dagegen nicht. Was nicht heißt, dass keine weitreichenden Ideen im Klimaschutzprogramm stehen.

So ließe sich zum Beispiel ein Viertel des Berliner Strom- und Wärmebedarfs durch Solarwärme und Solarzellen erzeugen. Deshalb sollen in den nächsten Jahren alle geeigneten Dachflächen öffentlicher Gebäude zur Erzeugung von Solarstrom genutzt werden. Wo das nicht von öffentlicher Seite geschieht, sollen Berliner Bürgerinnen und Bürger, etwa im Rahmen eines Vereins, diese Flächen pachten dürfen, um dort Solaranlagen zu installieren. Das ist doch ein kleiner Lichtblick auf dem Weg zum Ziel einer 100 Prozent erneuerbaren Energieversorgung für Berlin.

Jochen Mühlbauer

Weitere Informationen:
www.berlin.de/senuvk
www.kohleausstieg-berlin.de/240


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