Ein Runder Tisch für den Schäfersee

Aus DER RABE RALF Februar/März 2019, S. 3

Was der Berliner Senat rund um den kleinen See in Reinickendorf vorhat, kann so nicht funktionieren

Dem Schäfersee unweit der Residenzstraße geht es lange nicht so gut, wie viele denken. (Foto: Ronald Kroth)

Der Park am Schäfersee in Berlin-Reinickendorf ist eine geschützte Grünanlage und ein Gartendenkmal. Der vor 90 Jahren angelegte Park mit Zugang von der Residenzstraße ist heute völlig übernutzt, die Grünanlagen sind ungepflegt und zertrampelt, die Tiere haben keine Rückzugsgebiete mehr. Wegen der Belästigungen durch den Bootsbetrieb, der nun auch noch auf 20 Boote aufgestockt werden soll, war im letztjährigen Frühjahr kein einziges Küken auf dem See zu sehen. Der 130 Meter lange Graben, der vor etwa 30 Jahren angelegt worden war, um die Schilfinsel vor Betreten zu schützen, ist völlig verlandet. Die Schilfinsel wird ständig von Menschen betreten, die dort campen, angeln oder auch feiern. Der Müll bleibt meist liegen.

Weil der 4,2 Hektar große See ein fließendes Gewässer zweiter Ordnung ist, untersteht er der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Im See befinden sich rund 70.000 Kubikmeter Schlamm, ab zweieinhalb Metern Tiefe gilt er als tot. Vor etwa fünf Jahren wurde der See teilentschlammt, 4.500 Kubikmeter Schlamm wurden entsorgt. Weil der Schlamm mit hoch toxischen Stoffen verseucht ist, kosteten Bergung und Entsorgung rund 1,8 Millionen Euro.

Nur eine Geschäftsstraße?

Seit 2015 gibt es das 230-seitige Gutachten „ISEK Residenzstraße“, das zur Umsetzung des Programms „Aktive Zentren Residenzstraße“ für die Senatsverwaltung erarbeitet wurde. ISEK steht für integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept. Innerhalb von zehn Jahren sollen etwa 23 Millionen Euro aus dem Programm und noch mal so viel aus anderen Mitteln für eine Attraktivitätssteigerung der Residenzstraße und anliegender Areale ausgegeben werden. Neben einer Neugestaltung des Franz-Neumann-Platzes, des Klemkeparks, des Kolpingplatzes und des Parks am Breitkopfbecken soll auch der Schäferseepark neu gestaltet werden. Erklärtes Ziel dieser Maßnahmen ist die Stärkung der Geschäftswelt in der Residenzstraße.

Dass der Schäferseepark ein beliebtes Naherholungsgebiet für etwa 30.000 Menschen ist, soll nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vor allem die extrem hohen Gewerbemieten im Bereich Residenzstraße dürften eine „gesunde“ Durchmischung von Geschäften jeglicher Art stark behindern. Die Bevölkerung in Reinickendorf-Ost weist einen relativ geringen Einkommensschnitt auf. Der starke Autoverkehr in der Residenzstraße – der Bundesstraße 96 – behindert zudem einen ungestörten Einkaufsbummel.

Ausgebaut werden soll der Gesundheits- und Pflegesektor. In der Stargardtstraße sollen die Freizeitstätte am Schäfersee, das Haus am See, die Bibliothek am Schäfersee und das „Vitanas Senioren Centrum“ in Zukunft ein „Kulturelles Band“ bilden.

Müll an der Uferböschung. (Foto: Anton Kulmus)

Anwohnerbelange achten

Es scheint dringend erforderlich zu sein, dass für eine Neugestaltung des Schäferseeareals eine Gesamtkonzeption entwickelt wird, die die Interessen aller Beteiligten aufnimmt. Vor allem müssen die Anwohner viel stärker berücksichtigt werden. Der Park muss in seiner Natürlichkeit erhalten bleiben und die wildlebenden Tiere müssen besser geschützt werden, so wie es die Gesetze vorschreiben. Gelder dürfen nicht nur deshalb ausgegeben werden, weil sie für ein Programm bewilligt wurden.

Drei wichtige Teilaufgaben sind – koordiniert und aufeinander abgestimmt – am Schäfersee zu erfüllen:

Gestaltung neu ausschreiben

Erstens muss die Gestaltung des Schäferseeareals neu ausgeschrieben werden, damit auch die Naturschutz-Vorschriften Berücksichtigung finden, zumal der Schäferseepark eine geschützte Grünanlage ist. Die Ausschreibung aus dem vergangenen Jahr ist rechtswidrig, weil sie die gesetzlichen Vorschriften zum Naturschutz nicht zum Gegenstand hatte.

Die Anwohner müssen stärker in die Planungen einbezogen werden. Es reicht bei Weitem nicht aus, sie für zweieinhalb Stunden vorzuladen, um ihnen 17 unbrauchbare Entwürfe zur Umgestaltung des Schäferseeparks zu zeigen. Geheimnistuerei schadet jeder Demokratie.

Retentionsanlage bauen

Zweitens müssen die riesigen Schmutzmengen, vor allem von der Residenzstraße, vom Schäfersee zurückgehalten werden. Eine Retentionsanlage (Lateinisch retinere: zurückhalten) ist dringend erforderlich. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass eine gelegentliche Teilentschlammung nicht ausreicht. Die Teilentschlammung vor fünf Jahren hat 1,8 Millionen Euro gekostet – für lediglich rund 4.500 Kubikmeter Schlamm. 70.000 Kubikmeter befinden sich noch im See. Wie unsinnig diese riesige Ausgabe von Steuergeldern war, zeigte sich im vergangenen Sommer: Anfang Juni kippte der See um. Etwa 300 Kilogramm tote Fische mussten entsorgt werden.

Weil es sich ursächlich um Dreck von den umliegenden Straßen handelt, der fast vollständig mit den Niederschlägen in den Schäfersee gespült wird, müssen die Mittel für eine Machbarkeitsstudie, für die Planung und für den Bau einer Retentionsanlage aus dem Programm „Aktive Zentren Residenzstraße“ kommen. Die Attraktivität der Gegend hängt auch von der Sauberkeit der Gewässer ab.

Ein Umweltbildungszentrum

Der dritte Punkt braucht etwas Erläuterung. Das denkmalgeschützte Gebäude der Bibliothek am Schäfersee soll von diesem Jahr an aus dem Residenzstraßen-Programm  und anderen öffentlichen Mitteln renoviert werden. Weil die zweijährigen Bauarbeiten nicht bei laufendem Betrieb erfolgen können, soll auf dem Gelände des Grünflächenamts zwischen Freizeitstätte und Haus am See, das weitgehend brachliegt, ein Ausweichgebäude aus Containern entstehen.

Nun fehlt aber in Reinickendorf-Ost ein Gesundheits- und Umweltbildungszentrum, vor allem für die umliegenden Schulen. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag von 2016 wird ausdrücklich für jeden Bezirk ein Umweltbildungszentrum gefordert. Mit einem solchen Zentrum könnten die Residenzstraße und umliegende Areale attraktiver werden, weil auch für alle anderen Schulen in Reinickendorf Bildungsangebote gemacht werden können. Weil das ungenutzte Grünflächenamts-Gelände einen direkten Zugang zum Schäferseepark hat, bietet sich anstelle der Containerlösung der Bau eines Gebäudes an, das nach der Nutzung durch die Bibliothek mit geringen Mitteln zum Gesundheits- und Umweltbildungszentrum umgestaltet werden kann. Das geplante „Kulturelle Band“ könnte so sinnvoll ergänzt werden. Dass den Schulen vielfach Ausstattungen für einen attraktiven Fachunterricht fehlen, ist bekannt. So sind die vor Ort aktiven Naturschützer vom NABU schon gefragt worden, ob sie für eine Grundschule Mikroskope beschaffen könnten.

Es ist dringend angeraten, dass möglichst bald ein „Runder Tisch“ gebildet wird, damit alle Beteiligten und Betroffenen zu möglichen Umgestaltungen mitreden können. Geheimnistuerei nutzt niemandem.

Anton Kulmus, Projektgruppe Schäfersee

Weitere Informationen: 
www.projektgruppe-schaefersee.de

www.berlin.nabu.de (Suche: Schäfersee)

Veranstaltungshinweis: Ganztägige Busexkursion zu ausgewählten Orten des Regenwassermanagements in Berlin am 6. April


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