Aus DER RABE RALF August/September 2023, Seite 3
Report der Grünen Liga deckt perfides Geschäftsmodell des Kohlekonzerns EPH in Deutschland und Europa auf
Preisfrage: An welcher Stelle nimmt Tschechien den größten Einfluss auf die deutsche Politik? „Während der Verhandlungen zum Kohleausstieg hat EPH massiv versucht, das Ergebnis der Kohlekommission zu steuern“, sagt Radek Kubala von der tschechischen Nichtregierungsorganisation Re-set. Die „Energetický a Průmyslový Holding“ (EPH) mit Sitz in Prag ist einer der größten Fossilkonzerne Europas. 2021 erzielte der Konzern rund 19 Milliarden Euro Gewinn – zu einem nicht unerheblichen Anteil in Deutschland. Nach RWE ist EPH hierzulande der zweitgrößte Fossilkonzern – aber kaum jemand kennt ihn.
„Während wir viel über RWE, Uniper oder die Leag reden, hat die EPH kaum jemand im Fokus“, sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der Grünen Liga. Um das zu ändern, hat der ostdeutsche Umweltverband jetzt einen Report von Re-set aus dem Tschechischen übersetzt und veröffentlicht. „Es ist höchste Zeit, dass die europaweiten Geschäfte und Verflechtungen von EPH auch in Deutschland breit wahrgenommen werden“, findet Schuster. „Wenn jetzt nicht die Weichen gestellt werden, müssen am Schluss die Steuerzahler für die Beseitigung der Schäden aufkommen.“
Ein europäischer Oligarch
Es geht um die Rekultivierung der Braunkohle-Folgelandschaften. In den Bilanzen der Kohlekonzerne sind dafür Milliarden eingestellt. Die Grüne Liga – und nicht nur sie – befürchtet, dass sich EPH mit diesem Geld aus dem Staub machen wird.
Hinter EPH steckt Daniel Křetínský, einer der reichsten Menschen Europas. Er hält 94 Prozent an der Investmentgesellschaft, die Eigentümerin von EPH ist. Reich geworden ist Křetínský mit dem Erdgasgeschäft in der Slowakei. Aber auch in Frankreich, Großbritannien, Italien und Tschechien verdient der Oligarch mit dem Anheizen des Treibhauses Milliarden. In Deutschland stieg sein Konzern 2012 ins Braunkohlegeschäft ein und kaufte die Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag). 2013 kam das Helmstedter Braunkohlerevier mit dem Kraftwerk Buschhaus dazu.
2016 kaufte Daniel Křetínský das gesamte Lausitzer Braunkohle-Geschäft mit damals noch über 10.000 Beschäftigten. Um dieses loszuwerden, überwies der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der sich in Deutschland mit der Kohle verspekuliert hatte, damals knapp 2,7 Milliarden Euro auf Křetínskýs Konten. Geld, das für die Rekultivierung der Tagebaue in der Lausitz gedacht ist, die jetzt unter dem Namen Leag firmieren.
Sich den Kohleausstieg vergolden lassen
Kein Einzelfall: Der deutsche Fossilkonzern Uniper bezahlte EPH 2019 dafür, eines der größten Kohlekraftwerke Frankreichs zu übernehmen – obwohl der Kohleausstieg dort für das Jahr 2021 längst beschlossen war. Wegen des russischen Angriffskrieges läuft das Kraftwerk Émile-Huchet heute aber immer noch. In Deutschland wurde EPH dafür entschädigt, das Kohlekraftwerk Mehrum bei Hannover 2021 stillzulegen – heute läuft es wieder, ohne dass die Steuermillionen der Entschädigung zurückgezahlt wurden.
„Daniel Křetínský gehört zu den größten Kohlebaronen in Europa“, heißt es in der Studie. „Seine Strategie ist, die Schließung seiner Kohlekraftwerke aufzuhalten, öffentliche Mittel abzuschöpfen und den Kohleausstieg in den Ländern, in denen er tätig ist, zu verzögern.“ Zuletzt übernahm die EPH 2021 vom Eon-Nachfolger Uniper das Kohlekraftwerk Schkopau bei Halle, eines der gesundheitsschädlichsten Kraftwerke Deutschlands. Die EPH-Kohlekraftwerke mit ihrer Gesamtkapazität von aktuell 12.200 Megawatt stoßen mehr Treibhausgase aus als ganz Finnland, so der Report. Im Jahr 2021 war EPH für knapp 49 Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortlich – in der EU ist das Platz drei hinter dem polnischen Konzern PGE und der RWE.
Ausstiegs-Entschädigung als Spekulationsobjekt
Wenn andere Skrupel bekommen und aus fossilen Produktionsanlagen aussteigen – Daniel Křetínský ist zur Stelle. Um sich danach an den Steuerzahlern zu bereichern: Nach den Leag-Plänen sollte noch bis tief in die 2040er Jahre hinein Braunkohle verstromt werden, das 2020 beschlossene Kohleverstromungsbeendigungsgesetz sieht aber ein Ende für spätestens 2038 vor, was sich Křetínský mit 1,75 Milliarden Euro Entschädigung entgelten lässt – aus öffentlichen Mitteln. Der Report spricht vom „Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung“. Denn die Art, wie Křetínský sein Firmenimperium aufgebaut hat, lässt befürchten, dass er sich, sobald es nichts mehr zu holen gibt, aus dem Staub macht – etwa mit den angesparten Milliarden für die Rekultivierung der ostdeutschen Landschaften.
Russisches Erdgas sei „ein Huhn, das seit Jahren goldene Eier für Křetínskýs Firmen legt“, heißt es in dem Report. Die Einnahmen aus dem Gasgeschäft ermöglichten Investitionen „nach Hyänen-Art“ in Westeuropa. Eine der profitabelsten Tochtergesellschaften der EPH sei die slowakische Eustream, die als Betreiberin der Transgas-Pipeline die EU in Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen brachte. Trotz des russischen Angriffs liefert diese Pipeline auch heute noch russisches Erdgas – um die 250 Millionen Kubikmeter pro Woche. So, als hätte die Slowakei keine Sanktionen gegen Russland verhängt.
„Weder in Tschechien noch in Großbritannien, der Slowakei, Frankreich oder Deutschland ist Daniel Křetínský besonders sichtbar“, sagt Radek Kubala von Re-set, der auch den Report verfasst hat. Zwar leiste sich der Oligarch mit Sparta Prag und West Ham United zwei renommierte Fußballklubs, „aber das dient vor allem dem Saubermann-Image. Über Unternehmenspolitik gibt der EPH-Boss fast nie Interviews.“ Andererseits halte er sich ein Medienimperium, etwa die „Czech Media Invest“, der mehrere Zeitungen und Radiosender gehören, darunter die „tschechische Bild-Zeitung“ Blesk sowie mehrere französische Titel wie Elle oder das Nachrichtenmagazin Marianne. „Natürlich versucht Křetínský über diese Medien seine Interessen zu verfolgen“, sagt Kubala. Zudem habe er frühere Politiker als Lobbyisten verpflichtet, etwa Mirek Topolánek, Tschechiens Premierminister von 2006 bis 2009, der jetzt eine Talkshow in einem Fernsehkanal Křetínskýs moderieren wird.
„Oligarchisierung“ auch im Westen
Daniel Křetínský werde mit seinen Geschäftspraktiken „auf einem gesamteuropäischen Level zu einer Bedrohung für die Demokratie“, heißt es in dem Report. Sein Konzern befördere Energiearmut, wirtschaftliche Ungleichheit und die Zerstörung des Planeten. „EPH illustriert, wie in unseren Demokratien immer kleinere Eliten Macht an sich reißen“, sagt Radek Kubala und spricht von einer „Oligarchisierung der Gesellschaft“ auch im Westen. Křetínský sei eine „ernste Bedrohung der Zukunft“. Jetzt will EPH sogar die Stahlsparte von Thyssen-Krupp übernehmen, wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete.
Bei den deutschen Umweltverbänden ist die Sorge deutlich weniger abstrakt. „Die Hinterlassenschaften der Tagebaue werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen und Milliarden Euro kosten“, sagt René Schuster von der Grünen Liga. Für diese sogenannten Bergbaufolgekosten müssen eigentlich die Tagebaubetreiber einstehen. „Wir sehen den fortgesetzten Versuch, dass Daniel Křetínskýs Leag davon so viel wie möglich auf die Allgemeinheit abwälzt“, so Schuster.
Vier Tagebaue betreibt die Leag noch, allein für den Tagebau Welzow-Süd sind Nachfolgekosten in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro veranschlagt. „In der Bilanz der Leag sind dafür aber lediglich 215 Millionen Euro eingestellt“, erklärt Björn Ellner vom Naturschutzbund Brandenburg. „Der Rest soll aus jener Entschädigung kommen, auf die die Leag-Besitzer hoffen, wenn sie einem früheren Kohleausstieg zustimmen.“ Dann würden die deutschen Steuerzahler ganz legal die Kassen des tschechischen Milliardärs füllen.
Nick Reimer
Report und weitere Informationen: www.grueneliga.de/index/1396