Event-Location Grunewald

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2018, Seite 3

Am Teufelsberg zeigt sich, ob Berlin im Naturschutz vorankommen will

6 von 187 Seiten im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag behandeln „aktiven Natur- und Umweltschutz“. Das Naturschutzgesetz soll „zügig umgesetzt“ werden. An anderer Stelle heißt es, man wolle „besondere Orte Berlins attraktiv weiterentwickeln“. Unter 13 lokalen Schwerpunkten der Senatspolitik mit gesamtstädtischer Bedeutung gibt es nur einen, der ganz zum Arbeitsbereich „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ gehört: „Die Koalition strebt an, den Teufelsberg in Zusammenarbeit mit den Berliner Forsten, freien Trägern des Naturschutzes und der kulturellen Arbeit als Erinnerungs- und Naturort öffentlich zugänglich zu machen.“

Der Koalitionsvertrag gilt von 2016 bis 2021. Dieses Jahr ist also ein guter Zeitpunkt, um eine kritische Zwischenbilanz der Senatsbemühungen auf dem Sektor „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ zu ziehen – und der Teufelsberg ist dafür der bestgeeignete Ort. Seit 1996, als der Berliner Senat dieses Kernstück des Grunewalds an Private verkaufte, setzt sich das „Aktionsbündnis Teufelsberg“, ein Zusammenschluss aus Naturschutzverbänden, Bürgervereinen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Kreisen, beharrlich für drei Kernforderungen ein:

1. Rückerwerb des Areals für die Stadt Berlin,
2. Öffnung für kostenfreien Zugang zur Erholungsnutzung für alle,
3. Wiedereingliederung in das Landschaftsschutzgebiet Grunewald.

Anfang dieses Jahres gab es einen Lichtblick: Die „Grunewaldschutzverordnung“, gültig seit dem 12. Januar, erfüllt endlich die dritte Kernforderung des Aktionsbündnisses. Ein wichtiger Schritt der zuständigen Senatsumweltverwaltung unter Senatorin Regine Günther – der aber nur wirken kann, wenn die nötigen weiteren Schritte folgen. Die Bereitschaft dazu ist bisher nicht deutlich genug erkennbar.

Die Ruine der US-Abhörstation steht mitten im Wald. (Foto: Hartmut Kenneweg)

Lukratives illegales Gewerbegebiet

Ohne die Präsenz und Handlungsbereitschaft der Behörden bleibt die neue Schutzverordnung leider nur ein Papiertiger. Denn die Verbote und Gebote der Verordnung könnten Natur und Landschaft zwar ausreichend schützen – aber nur, wenn sie konkretisiert und gegenüber den Ansprüchen der Eigentümer des Teufelsberg-Plateaus durchgesetzt werden. Eine Personalstelle für diesen Zweck wurde von der Fachbehörde „Berliner Forsten“ beantragt, aber nicht bewilligt.

Ungeklärt bleibt deshalb, ob der durch zahlende Besucher verursachte starke Kraftverkehr auf den Berg („Alles unsere privaten Gäste, also Anlieger“) durch Eigentümerrechte gedeckt ist oder ob die Zufahrt als Waldweg abgesperrt werden kann. Die rege Bautätigkeit in den planungsrechtlich wieder zum „Wald“ gewordenen Ruinen müsste im Landschaftsschutzgebiet ganz unterbunden werden, die Eigentümer dürften sich dann nicht mehr auf „Bestandsschutz und Erhaltungsinvestitionen“ berufen.

De facto besteht auf dem Berg ein lukratives illegales Gewerbegebiet mit Jahresumsätzen in der Größenordnung von einer Million Euro. Auch große Firmen zahlen gut, um mit ihren Gästen Partys im Ambiente des morbiden Ruinencharmes zu feiern – alles „private Gäste“. Als Rechtfertigung für solche unverantwortbaren Zustände im Landschaftsschutzgebiet dient die alternative „Street-Art“-Szene, die hier lange geduldet wurde und jetzt sehr erfolgreich vermarktet wird. Anders als in Industriebrachen sind solche Aktivitäten im Zentrum eines Erholungswaldes und Schutzgebietes strikt abzulehnen. Die Eigentümer haben Leitungen für Wasser und Elektrizität beantragt. Braucht eine Waldfläche im Landschaftsschutzgebiet diese Infrastruktur?

Die hier angedeuteten Konflikte zeigen, dass die meisten Probleme durch die papierne Existenz einer Schutzverordnung noch nicht beseitigt, ja nicht einmal gemildert werden.

Hohe Gewinne – Senat schaut weg

Das Aktionsbündnis Teufelsberg hat ein Konzept für die Zukunft des Gipfelplateaus ausgearbeitet. Es sieht – wie 1950 geplant – die landschaftliche Gestaltung des Berggipfels vor und wird auf der Internetseite des Bündnisses dargestellt und erläutert. Realisierbar wird es erst, wenn Kernforderung 1 – Rückerwerb des Areals – erfüllt ist. Zwar haben 2014 alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses sowie der damalige Stadtentwicklungssenator und heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller und auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen dies befürwortet und beschlossen, die Eigentümer sind jedoch nicht verkaufswillig.

Während das Grundstück mit erloschenem Baurecht, als „Wald“ nach forstlichen Kriterien bewertet, nahezu wertlos ist, erzielen die Eigentümer hier hohe Gewinne. Die Preisfindung ist deshalb das Hauptproblem für den Rückerwerb. Solange der Senat und die Berliner Verwaltungen dulden, dass mit illegaler Gewerbetätigkeit hohe Umsätze erzielt werden, kann es keine Einigung über einen „vernünftigen“ Kaufpreis geben.

Schwierige Verhandlungen

Eine Widmung des Teufelsbergplateaus als frei zugänglicher Erholungsschwerpunkt – Kernforderung 2 – setzt komplizierte Verhandlungen mit vielen Beteiligten voraus: Berliner Forsten als ausführende Behörde, freie Träger des Naturschutzes (zum Beispiel Mitgliedsorganisationen des Aktionsbündnisses), auch Akteure für Kultur – weil es sich um einen Ort der Erinnerung handelt. Inwieweit der Ort denkmalwürdig ist, muss die Denkmalschutzbehörde entscheiden. Auch sind Bereinigungs-, Sicherungs- und Gestaltungsmaßnahmen zu finanzieren.

Die federführende Umweltverwaltung kann jedenfalls nicht allein handeln, sondern nur in Abstimmung mit den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Finanzen und Kultur und den nachgeordneten Stellen sowie dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf mit seinen Gremien und Behörden. Das ist keine einfache Aufgabe. Resultate gibt es bisher nicht. Anfragen zwischen Januar 2017 und März 2018 erbrachten immer nur Hinweise auf laufende Abstimmungsgespräche.

Kommt der Naturschutz unter die Räder?

Als Senatorin Günther am 12. März in der Berliner Urania die Ziele ihrer Politik erläuterte, wurde deutlich: In der Umweltverwaltung stellt derzeit die Verkehrspolitik den einseitigen Schwerpunkt dar. Die Umweltsenatorin räumte ein, dass es deshalb zu Verzögerungen auf anderen Feldern im Zuständigkeitsbereich ihres Hauses komme; man stehe ja ganz am Anfang der Legislaturperiode.

Dieser Darstellung der Senatorin ist zu widersprechen. Die Bürger dürfen von ihrer Regierung erwarten, dass nach einem Viertel der Legislaturperiode der Zuständigkeitsbereich einer Verwaltung vollständig und gleichmäßig abgedeckt wird. „Mut zur Lücke“ ist hier die verkehrte Parole.

Fazit: Im Politikfeld „Naturschutz und Erholungsvorsorge“ sind Umsetzungsdefizite der Koalition unübersehbar. Trotz einiger anerkennenswerter Fortschritte wie der Grunewaldschutzverordnung ist keinesfalls feststellbar, dass das Naturschutzgesetz „zügig umgesetzt“ wird. Die Behandlung des Teufelsbergs als Kristallisationsort des gesamten Politikfeldes lässt nur den Schluss zu, dass noch außerordentlich viel zu tun ist. Ein „ökologischer Aufbruch für Berlin“, wie ihn der Koalitionsvertrag verspricht, müsste ganz anders aussehen.

Hartmut Kenneweg

Weitere Informationen:
www.aktionsbuendnis-teufelsberg.de
Tel. (030) 8133442


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