Aus DER RABE RALF Oktober/November 2023, Seite 6
Wissenschaftliche Daten zeigen: Mähroboter sind eine große und wachsende Bedrohung für die Stacheltiere
Das Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin-Friedrichsfelde sammelt und dokumentiert seit einem Jahr Funde von Igeln mit Schnittverletzungen, die eindeutig auf Mähroboter zurückzuführen sind. Seit Beginn der Datensammlung durch Freiwillige von Igelauffangstationen sind mehrere Hundert dieser Fälle belegt. „Wir gehen zudem von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, da viele Tiere erst gar nicht gefunden oder gemeldet werden“, sagt die Biologin Anne Berger vom IZW, die die Sammlung wissenschaftlich begleitet. „Zudem berichten die Igelstationen, dass seit diesem Frühjahr ein Anstieg der Fälle um 30 bis 50 Prozent zu verzeichnen ist. Dies steht mutmaßlich mit den jährlich um 12 Prozent steigenden Absatzzahlen von Mährobotern in Zusammenhang.“
Gefährlich sind auch leichte Schnittverletzungen
Studien zeigen, dass – entgegen den Angaben vieler Hersteller – Mähroboter kleine Tiere wie Igel nicht erkennen können und bei ihnen meist schwere Verletzungen verursachen. Die Geräte werden nicht selten nachts und unbeaufsichtigt eingesetzt. „Für Igel ist diese Konstellation fatal, denn sie suchen nachts nach Nahrung, flüchten nicht, sondern rollen sich zusammen und warten so Gefahren ab“, erklärt Berger. „Werden sie von den Robotern überrollt und verletzt, suchen sie – wenn sie es noch können – lautlos Schutz in Hecken und Büschen, um nicht anderen Raubtieren aufzufallen, für die sie dann leichte Beute wären. Aber auch leichte Schnittverletzungen an Körperstellen, an denen das Tier sich nicht lecken kann, etwa im oberen Kopf- oder Rückenbereich, können später zu schweren Entzündungen oder zur Ablage von Fliegeneiern in den Wunden und somit, wenn unbehandelt, auch zum Tod führen.“
Die Bestände des Igels sind rückläufig. Im Jahr 2020 wurde der Igel auf die Vorwarnliste der bundesdeutschen Roten Liste gesetzt. Mähroboter verbreitern das Gefahrenspektrum für diesen Kleinsäuger um ein weiteres Risiko.
„Igelstationen sind überfordert“
An technischen Lösungen für ungefährlichere Mähroboter werde gearbeitet, man sei davon aber noch ein gutes Stück entfernt, sagt Berger. Die Last trügen derzeit die vielen ehrenamtlich arbeitenden Igelstationen, die verletzt aufgefundene Igel versorgen und pflegen. „Die Verletzungen haben in den letzten Monaten ein Ausmaß angenommen, das viele Stationen physisch, psychisch und finanziell überfordert“, so die Wissenschaftlerin. „Nicht wenige stehen kurz vor der Aufgabe, wenn nicht von politischer Seite Unterstützung kommt.“ Diese Unterstützung könne beispielsweise eine staatliche Übernahme der Tierarztkosten sein oder ein Verbot des Betriebs von Mährobotern während der Nachtstunden in der Bundesartenschutzverordnung. Zudem müsse Aufklärungsarbeit in Politik und Gesellschaft geleistet werden. Zu diesem Zweck hat sich im Mai die „Igel-Initiative BRD“ gegründet, ein Zusammenschluss von Igel-Fachleuten aus Praxis und Forschung, in der auch das IZW vertreten ist.
Steven Seet
Weitere Informationen: www.izw-berlin.de (Suche: Igel)
Studie (engl.): www.doi.org/10.3390/ani11051191