Klein, aber oho

Aus DER RABE RALF Oktober/November 2017, Seite 5

Das Gänseblümchen – Heilpflanze des Jahres

Die zur Heilpflanze des Jahres gekürte Pflanze ist mit dem Löwenzahn sowie der Kamille verwandt und besonders bei Kindern, aber auch – aufgrund ihrer vielseitigen Verwendung – bei Erwachsen beliebt. Traut man einem Aberglauben, so sollte man zu Beginn eines Jahres drei Pflanzen dieser Art essen, um die restlichen Monate von Fieber, Zahnschmerzen und Augenbeschwerden verschont zu bleiben.

Das Gewächs ist eine der bekanntesten Pflanzenarten in Mitteleuropa und hat mit menschlicher Hilfe auch in Nord- und Südamerika und sogar Neuseeland Fuß gefasst. Hierzulande ist das von Gärtnern zum Teil als Unkraut angesehene Gänseblümchen so gut wie auf jeder Wiesenfläche anzutreffen. Und egal, ob Parkgelände, Garten oder Wegrand – die vier bis 15 Zentimeter große Pflanze blüht fast zu jeder Jahreszeit.


Unscheinbar und doch so vielseitig.
(Foto: André Karwath)

Zungen- und Röhrenblüten

Bellis prennis (so viel wie: die schöne Ausdauernde/Mehrjährige) ist eine ausdauernde, fast unverwüstliche krautige Pflanze, die in einer dichten Blattrosette über dem Boden dicht zusammen stehende Laubblätter ausbildet. Jede Blattrosette wiederum bringt von März bis November ununterbrochen aufsteigende, blattlose, meist fünf bis 15 Zentimeter lange Blütenstandsschäfte mit einzeln stehenden Blütenkörbchen hervor.

Wie für Korbblütler typisch, enthält der Blütenstand Hüllblätter, die einen bewimperten Rand besitzen. Die um die hundert im Zentrum des Blütenkörbchens stehenden gelben Hüllblätter bilden die zwittrigen, trichterförmigen Röhrenblüten, während die randständigen, weißen Wimpern die weiblichen, vier bis acht Millimeter langen, doppelreihig angeordneten Zungenblüten darstellen.

Das Blütenkörbchen richtet sich immer nach der Sonne aus und schließt sich abends sowie bei schlechtem Wetter. In wärmeren Monaten wird es gerne von Bienen, Hummeln, Fliegen und anderen Insekten angeflogen. Die dadurch stattfindende Fremdbestäubung kann der Pflanze allerdings auch zur Selbstbestäubung verhelfen, das heißt die einzelnen Blüten innerhalb eines Blütenköpfchens bestäuben sich gegenseitig. Danach entwickelt sich aus dem Fruchtknoten ein Nüsschen. Diese Achäne genannten Samen werden unter anderem durch Schütteln, zum Beispiel durch Regen, verbreitet.

Es heilt mich – es heilt mich nicht …

Das Gänseblümchen ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Denn die Röhrenblüten enthalten den oberflächenaktiven Pflanzenstoff Bayogenin aus der Gruppe der Saponine. Hinzu kommt, wie bei vielen Korbblütlern, der zu den Flavonoiden gehörende gelbe Pflanzenfarbstoff Apigenin. Außerdem wurden in den Blüten ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe und Schleim nachgewiesen.

Für Bellis perennis ergeben sich daraus – wie neuere Studien belegen – antioxidative, antimikrobielle und antihyperlipidämische Wirkungen. Das Gänseblümchen wirkt also blutstillend, harntreibend sowie schmerz- und krampfstillend. Es hilft bei Appetitlosigkeit, Husten, Erkältung, Verstopfung, Darmentzündung und Gicht. Auch Rheumatismus, Wassersucht, Ödeme sowie Nieren- und Blasensteine lassen sich mit dem Kraut behandeln.

Volksheilkundlich werden die Blüten des Gänseblümchens darüber hinaus als Heilmittel bei Hauterkrankungen, Kopfschmerzen, Schwindelanfällen und Schlaflosigkeit verwendet. Bekannt ist auch die Anwendung bei schmerzhafter oder ausbleibender Regelblutung. Wissenschaftlich ebenso unbelegt ist die blutreinigende Wirkung der Pflanze, weshalb sie früher oft für eine Frühjahrskur empfohlen wurde. In der Phytotherapie wird eine Tinktur aus der ganzen Pflanze einschließlich Wurzel verwendet.

Bewährt hat sich das Gänseblümchen auch in der Kinderheilkunde. „Eine Prise soll man jeder Mischung Kindertee beifügen“ empfahl der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle. Hilfreich seien die Blüten bei Schwächezuständen und Durchfall. Gänseblümchen kann man wahlweise als Tee (Aufguss), Tinktur oder Frischpflanze anwenden.

Am Ischtar-Tor und im Salat

Was die wenigsten wissen: Das Gänseblümchen eignet sich hervorragend für den Verzehr. Abgesehen von seiner Nutzung als Salat oder Salatbeilage schmeckt es genauso gut auf Brot. Und als Dekoration für Suppen oder als Pesto zubereitet, findet es nicht nur kulinarische Liebhaber. Die Knospen haben einen leicht nussigen und die geöffneten Blätter einen etwas bitteren Geschmack. Geheimtipp: Sauer eingelegte Blütenkörbchen sind ein guter Kapernersatz.

Die weite Verbreitung des Gänseblümchens und seine heilende Wirkung haben ihm bereits im Zweistromland Ruhm eingebracht. In Königsgräbern in Ur aus dem dritten Jahrtausend vor Christus wurde goldener Kopfschmuck mit Gänseblümchen als Verzierung gefunden. Und eine sehr alte 16-blättrige Form der Pflanze findet sich als Zeichen der mesopotamischen Planetengöttin Ischtar als häufigstes Element am Ischtar-Tor.
Früh zu Ehren kam das Gänseblümchen auch in Europa: Der französische König Ludwig IX. (1214–1270) nahm es zusammen mit der Lilie in sein Wappen auf. Dazu ließ er sich einen Ring mit einem geflochtenen Blütenkranz anfertigen.


1988 war das Blümchen auf einer Briefmarke der Färöer-Inseln abgebildet.(Foto: Arne List)

Konradsblume, Ringelrösslein, Gichtkraut

Eine so bekannte und weit verbreitete Pflanze wie das Gänseblümchen trägt natürlich viele volkstümliche Namen, die regional sehr unterschiedlich sein können. Häufig sind Maiblume, Marienblümchen, Maßliebchen, Morgenblume, Osterblume, Regenblume und Tausendschön, hinzu kommen noch Dialektvarianten. Daneben existieren weit über hundert regionale Trivialnamen, beispielsweise Konradsblume (Halle), Ringelrösslein (Erzgebirge), Gichtkraut (Hessen), Zeitlose (Graubünden) und Monale (Tirol).

Die Heilpflanze des Jahres wird in Deutschland seit dem Jahr 1990 gekürt, zunächst durch den Verband der Heilkräuterfreunde und nach dessen Auflösung vor 15 Jahren durch den Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus e.V. – oder kurz und bündig NHV Theophrastus. Der Verein setzt sich für die Verbreitung naturheilkundlichen Gedankengutes bei Jung und Alt ein und möchte durch die jährliche Titelvergabe auf Schätze der Natur und ihre sinnvolle gesundheitliche Nutzung aufmerksam machen.

Henrike Kolberg, Jörg Parsiegla

Gänseblümchen

Ein Gänseblümchen liebte sehr
ein zweites gegenüber,
drum rief‘s: „Ich schicke mit ‘nem Gruß
dir eine Biene ‘rüber !“

Da rief das andere: „Du weißt,
ich liebe dich nicht minder,
doch mit der Biene, das lass‘ sein,
sonst kriegen wir noch Kinder!“

Heinz Erhardt


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