„Das ist eine Kampfansage“

Aus DER RABE RALF April/Mai 2022, Seite 6

Schon wieder muss in Berlin Stadtgrün für neue Wohnblöcke weichen

Anwohner wehren sich. (Foto: Kaya Thielemann)

Vor Kurzem waren es die teils 40 Jahre alten Bäume gegenüber vom Bahnhof Jannowitzbrücke, nun sollen in Berlin-Plänterwald welche gefällt werden. Hier kämpfen Engagierte der Bürgerinitiative Plänterwald seit einem Jahr gegen ein geplantes Bauvorhaben der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ und für die Erhaltung des Stadtgrüns auf ihrem Hof. Hier sollen etwa 50 Bäume und weiteres Grün entfernt werden. Die Pflanzen dienen der Wohnsiedlung nicht nur bei der Kühlung der Wohnungen, sie sind auch ein funktionierendes Stück Stadtnatur, das auch zukünftigen Generationen als sozialer Begegnungspunkt nutzen sollte.

Die Anwohnenden fürchten aber nicht nur um das Stadtgrün – sie kritisieren das Bauvorhaben auch wegen des Drucks auf die soziale Infrastruktur. Schon jetzt würden Ärzte in dem Wohngebiet an ihre Grenzen stoßen und der Einzelhandel sei ebenfalls nicht ausreichend.

Ökologisch hat die Gegend viel zu bieten, die Infrastruktur weist bereits Mängel auf – beides wird sich mit dem Bauvorhaben verschlechtern.

(K)ein Kompromiss

Die Wohnungsnot in Berlin ist den Beteiligten der Bürgerinitiative (BI) durchaus klar. Deswegen erarbeiteten sie einen realistischen Kompromiss. In einem sogenannten „Letter of Intent“  – eine Grundsatzvereinbarung, die das Interesse an Verhandlungen bekunden soll – wurde die in der Anwohnerschaft entwickelte Idee für einen Grundstückstausch festgehalten. Der Vorschlag sah sogar 13 Wohnungen mehr als geplant vor. Diese Absichtserklärung wurde zwischen dem Bezirksamt Treptow-Köpenick und „Stadt und Land“ geschlossen.

Nachdem die Wohnungsbaugesellschaft dem Kompromiss also zunächst zustimmte, lehnte sie ihn kurz darauf unter Hinweis auf die höheren Kosten wieder ab – ein Schlag ins Gesicht für die Bürgerinitiative. Katja Brauer gehört zum Team der BI und ist besonders empört: Stadt-und-Land-Geschäftsführer Ingo Malter habe kompromissbereit gewirkt und sei in den Gesprächen sehr offen gewesen – deswegen war die Reaktion für viele nicht nachvollziehbar.

Zwar soll es einen Ausgleich für das entfernte Grün geben, hier ist die Wohnungsgesellschaft jedoch – wie in vielen anderen Aspekten des Vorhabens – wenig transparent. Es werden etliche Bäume gefällt, die Zahlen zu der geplanten Neupflanzung wechseln täglich. Katja Brauer verfolgt die Internetseite der Gesellschaft kontinuierlich und meint, dass die Angaben sich ständig ändern und man sich auf nichts verlassen könne.

Auch auf Bürgerfragen zur Perspektive von sozialer Infrastruktur und Einzelhandel hat Stadt und Land keine konstruktive Antwort: „Das Problem mit der fehlenden Nahversorgung durch den Einzelhandel können wir nicht lösen, da es ein wirtschaftliches Problem ist“, heißt es auf der Website. Die Planung weist tatsächlich viele ungeklärte Lücken auf.

„Fühlt sich nicht nach Demokratie an“

„Ich habe gelernt, dass Partizipation ein ganz wichtiges Element für Akzeptanz ist.“ So äußerte sich Bausenator Andreas Geisel (SPD) am 6. Januar in einem Interview mit der Berliner Morgenpost. Partizipation steht für Beteiligung, Teilhabe und Mitwirkung – ein essenzielles Grundprinzip einer Demokratie.

„Fühlt sich nicht nach Demokratie an“, stellt Julia Krstic jedoch mit Blick auf die Vorgänge rund um das Bauprojekt klar. Auch sie ist Teil der BI, die sich einst vor allem für Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung gründete. Die lauten Stimmen der Anwohnenden werden jedoch kaum gehört. Während der frühere Senator Sebastian Scheel (Linke) in Kontakt mit der BI stand, war von Geisel bisher kaum etwas zu vernehmen, ganz entgegen seiner Aussage über Partizipation. In einer Fragestunde im Abgeordnetenhaus, über die der RBB berichtet, äußert er sich erstmals öffentlich: „In städtischen Strukturen ist es relativ normal, dass man die Fassade des gegenüberliegendes Hauses sieht.“ An keiner Stelle kommt das Fällen der Bäume zur Sprache. Er sehe „keine objektiven Gründe“ für den Grundstückstausch, sagt Geisel. Es gebe daher keinen Anlass, das Bauvorhaben zu stoppen.

Ein Teil der Bäume ist noch zu retten

Inzwischen sind die ersten Bäume gefällt. Noch bleiben die Pflanzen des Orionshofs. Die Frustration vor Ort ist groß, aber auch die Motivation zum Weitermachen. Denn obwohl Stadt und Land sich nach eigener Aussage „bemüht, die vom Bau ausgehenden Belastungen für Mensch und Natur so gering wie möglich zu halten“, hält die Wohnungsbaugesellschaft dieses Prinzip bislang nicht ein. Sie stellt sich gegen die eigene Mieterschaft, und das möchten die Engagierten nicht ohne weiteres hinnehmen. „Das ist nicht mehr nur Enttäuschung, das ist eine Kampfansage“, heißt es bei der Initiative.

Die BI will am Ball bleiben und hofft, die weitere Nachverdichtung verhindern zu können. Im März und April gebe es weitere Sichtungstermine für das Bauvorhaben. Bis dahin wollen Katja Brauer und ihr Team die Tier- und Pflanzenwelt des Hofes dokumentieren, um die Artenvielfalt vor Ort deutlich zu machen. Sie machen klar: So schnell werden sie sich nicht kleinkriegen lassen.

Kaya Thielemann

Weitere Informationen: www.bi-plaenterwald.de

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