Kleiner Park mit großem Potenzial

Aus DER RABE RALF August/September 2022, Seite 1

Wie der Wilmersdorfer Preußenpark zum Grünzug statt zur sterilen Eventkulisse werden kann

Im Preußenpark. (Foto: Peter Kuley/​Wikimedia Commons)

Nördlich des Fehrbelliner Platzes in Wilmersdorf, fünf Straßenblöcke südlich vom Kurfürstendamm, liegt der 118 Jahre alte Preußenpark. Vom Verkehrslärm umtost, an drei Seiten umgeben von großen Behördenbauten, hat dieser nur 55.000 Quadratmeter kleine Park schwere Zeiten mitgemacht, aber seine naturnahe Gestaltung mit Wäldchen, Wiesen und gewundenen Wegen immer noch bewahrt. Wie der Naturschutzbund vor einem Jahr dokumentierte, bietet er auch Lebensraum für eine erstaunliche Artenvielfalt – von der Bachstelze, die im Rasen pickt, über die Mönchsgrasmücke im dichten Gesträuch bis hin zu Turmfalken, Fledermäusen und Mauerseglern, die über dem Park nach Insekten jagen. Auch Fuchs und „Hase“ sagen sich dort buchstäblich gute Nacht. Die zahlreichen grasenden Kaninchen mitten in einem der urbansten Räume unserer Stadt sind ein beliebtes Fotomotiv für staunende Parkbesucher.

Umbaupläne des Bezirksamts

Doch nun schickte sich das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf an, diesem Kleinod den Garaus zu machen, gestützt auf einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) aus dem Jahr 2018. Im Nordwesten sollte der Park mit einer Marktplattform und einem Multifunktionsgebäude für einen Thai-Streetfoodmarkt bebaut werden. Der restliche Park sollte als Verzehrfläche für den Streetfoodmarkt „im Park“ dienen, von Landschaftsarchitekten in lauter Teilbereiche für definierte „Nutzergruppen“ aufgeteilt und in einen sterilen „Aktivitätspark“ umgestaltet werden: weitere Spiel- und Sportplätze, Boulebahn, Aussichtsplattform, Steinriegel, Betonrampe, „Liegemöbel“, verbreiterte Wegachse statt schmalerem, leicht geschwungenem Weg, alles schick betitelt wie aus einem Immobilienvermarktungsprospekt („Boulevard“, „Belvedere“). Tabula rasa fast für die gesamte Vegetation – ade Park der alten Schule.

Obwohl dieses Vorhaben nach Berechnungen der BLN – des Dachverbands der Berliner Naturschutzverbände – auch mit einer teilweisen oder fast vollständigen Versiegelung von rund 20 Prozent der Parkfläche verbunden wäre, sollte es ausgerechnet aus Fördermitteln zur Anpassung städtischer Räume an den Klimawandel mitfinanziert werden.

Ohne das Bundesnaturschutzgesetz und das Berliner Grünanlagengesetz zu beachten, hatte das Bezirksamt schon im vergangenen Herbst eine 1.200 Quadratmeter große Rasenfläche mit Baumaterial zuschütten und planieren lassen. Seit einem Jahr ist dort der Betrieb einer „provisorischen Streetfood-Marktplattform“ genehmigt – jeweils freitags bis sonntags, von April bis Oktober. Tausende „To go“-Konsumenten sollten damit in den Park gelockt werden, damit Wilmersdorf seinen Eintrag in den Reiseführern verteidigen kann. Proteste gegen die Parkzerstörung – etwa ein offener Brief vom 6. Juni 2021, in dem 67 Bezirkseinwohner zu einem Moratorium für die Umbaupläne aufriefen – verhallten in BVV und Bezirksamt ungehört.

Ökologisches Gegenmodell

Dann schaltete sich die BLN ein. Die „Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz“ mit ihren zwölf Mitgliedsverbänden verschaffte dem Naturschutzrecht Geltung und legte ein ökologisches Gegenmodell für den Preußenpark vor, das zugleich dem Klimawandel Rechnung trägt. Statt Parkverkleinerung, Rodung und Versiegelung sieht es vor, die Parkfläche zu vergrößern, indem umliegende Bürgersteigflächen, aber auch die angrenzende sechsspurige Brandenburgische Straße entsiegelt, bepflanzt und in den Park einbezogen werden.

Der Preußenpark mit der vorgeschlagenen Erweiterung nach Südwesten: Die Brandenburgische Straße wird entsiegelt. (Grafik: Yannick Kiesel)

Eine grüne Achse über die ruhige Barstraße südlich des Fehrbelliner Platzes soll den Preußenpark mit dem westlichsten Ausläufer des Volksparks Wilmersdorf, dem Fennseepark, verbinden und so einen „Wilmersdorfer Grünzug“ schaffen. Der Preußenpark wird so wieder zu einer naturnahen Grünanlage, die Vegetationsdichte wird durch schmalere Wege und das Pflanzen von Sträuchern und Bäumen erhöht, Dachregenwasser von den benachbarten Behördenbauten wird zur Bewässerung und Grundwasserneubildung in den Park geleitet. Der Thai-Streetfoodmarkt soll auf den bereits versiegelten Fehrbelliner Platz umziehen, wo an anderen Wochentagen bereits ein interkultureller Streetfoodmarkt stattfindet. Das Parkhausdach der Deutschen Rentenversicherung gegenüber dem Park könnte für Sport und andere Aktivitäten genutzt werden.

Neukölln macht es in der Hasenheide vor

Die Zeichen der Zeit stehen auf Klimaschutz, und das spricht für das Modell der BLN. Zufällig legte der Bezirk Neukölln fast zeitgleich ein ganz ähnliches Modell für den ebenfalls unter den Klimaveränderungen leidenden Volkspark Hasenheide vor und kündigte an, dass der jährliche Jahrmarkt „Maientage“ künftig auf eine bereits versiegelte Fläche außerhalb des Parks umziehen muss: Zu viel Schaden für die ohnehin schon gestresste Natur. Stattdessen nun Entsiegelung, Aufforstung, Regenwassereinleitung.

Im unlängst verabschiedeten Doppelhaushalt 2022/2023 für Berlin sind Fördermittel von 10 Millionen Euro im Jahr 2022 und 20 Millionen im Jahr 2023 vorgesehen, die durch die Bezirke seit Mitte Juli abgerufen werden können. Das bietet die große Chance für den kleinen Preußenpark, vom gefährdeten Kleinod zum Motor eines Entsiegelungsprojekts in prominenter Lage zu werden und dem im rot-grün-roten Koalitionsvertrag beschlossenen Entsiegelungsprogramm Leben einzuhauchen.

Jeannette Härle 

Weitere Informationen:
www.bln-berlin.de (Suche: Preußenpark)
www.initiative-preussenpark.de 

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