Lehmbau lernen und leben

Aus DER RABE RALF April/Mai 2023, Seite 3

In Schmetterlingshorst im Süden von Köpenick treffen sich Natur, Kultur und sinnvolle Arbeit

Schmetterlingshorst – durch gemeinschaftliches Engagement neu belebt.

Für die Falter aus aller Welt reicht ein einziger Raum: Mehr als 4.000 Schmetterlinge und andere Insekten umfasst die Ausstellung in Schmetterlingshorst. Erwachsene, Schul- und Kitagruppen kommen aus ganz Berlin, um sich die Exponate anzusehen. Für Andreas Joerdens ist der Raum aber auch aus einem anderen Grund interessant: Die Wände wurden vollständig mit Lehm verputzt. „Lehm gibt ein gesünderes Raumklima“, sagt Joerdens und streicht mit der Hand über die raue Wand.

Schmetterlingshorst liegt im Bezirk Köpenick, außerhalb des Berliner Stadtzentrums und auch ein bisschen außerhalb von Zeit und Raum. Parken ist in dem Wasserschutzgebiet nicht erlaubt und bis zur nächsten Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel sind es 20 Minuten zu Fuß. Wer den Weg hierher findet, schätzt die Natur, die Schlichtheit, die Abgeschiedenheit. Das Areal selbst bietet ausreichend Platz für viel Bewegungsdrang und den Wunsch nach Ruhe – es grenzt direkt an die Dahme, die an dieser Stelle Langer See heißt, gegenüber vom Strandbad Grünau auf der anderen Uferseite. Vor dem Hauptgebäude gibt es Sitzbänke, Tische, einen Sandkasten und Bobbycars für die Kleinen. Außerdem beleben ein Imbiss, ein Hühnerhof, ein Imker und ein Insektenhotel das Gelände: Dieser Ort lebt vom Engagement der Gemeinschaft, von seiner Geschichte und der ihn umgebenden Natur.

„Köpenicker Umwelttage“ im April 

In dieser Oase zwischen Wald und Wasser bietet Joerdens Kurse und Workshops zum Lehmbau an und bringt Interessierten die Lehmbauweise näher. Ihm geht es dabei auch um Grundsätzliches. „Wie wollen wir leben, also leben ohne Beton“, bringt es Joerdens auf den Punkt. Auch während der „Köpenicker Umwelttage“, die vom 17. bis 23. April in Schmetterlingshorst stattfinden, bietet er Einführungen in die Lehmbautechniken an. Seine Workshops werden von Häuslebauern, Architektinnen, Zimmerern und Studierenden besucht. „Da treffen sich ganz bewusst Leute, die auf der Suche sind, etwas zu ändern, mit den Händen“, sagt Joerdens.

Andreas Joerdens bietet Lehmbaukurse an.

Etwas ändern wollen – das hat für ihn auch einen tieferen Sinn. Joerdens, der in Bonn geboren wurde und seit 1987 in Berlin lebt, prägt ein Bewusstsein aus einer Zeit des aktiven politischen Widerstands: 1979 begann er sich als Umweltschützer in der AKW-Bewegung zu engagieren. „Vor den 80ern, in der Zeit als die Grünen gegründet wurden, hat mich das auch erreicht, auch das Thema Kriegsdienstverweigerung hat uns polarisiert“, sagt Joerdens. Er studierte Sozialarbeit, beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit mit Gemeinwesenarbeit, „also mit der Frage, was ist uns gemein“, und arbeitete später als Sozialarbeiter auch auf Baustellen. Dann sattelte er um und wurde Maurermeister. „Die Bautätigkeit hat mir viel mehr Ruhe gegeben, auch als Mensch“, sagt er. „Lehmbau hat mir Ruhe und Kraft gegeben.“

Traditionsreicher Ort

Die großen politischen Revolten von einst sind heute Bestandteil der Geschichtsbücher. Aus Joerdens‘ Sicht ist Wandel aber notwendiger denn je: „Wie kriegen wir die Leute dazu, etwas zu ändern?“, fragt er. Heute zeigt er interessierten Menschen unter anderem, wie sich Wände mit Lehm verputzen lassen, wie Lehmsteine selbst hergestellt werden können, wie sich Stroh und Jute als Baustoffe verwenden lassen und warum es sich überhaupt lohnt, mit ökologischen Materialien nachhaltig zu bauen. Lehm gehört dazu, denn es ist eine Ressource, die immer wieder verwendbar ist. „Ich ermächtige die Leute dazu, etwas selbst zu tun“, sagt Joerdens, der auch Mitglied in der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ist.

Wer zu Joerdens‘ Lehmbau-Kursen anreist, begibt sich auch in die beschauliche Welt in Schmetterlingshorst. Die Geschichte dieses traditionsreichen Ortes reicht weit zurück: Ursprünglich befand sich hier die Schmetterlingssammlung von Johannes Bittner, die er im Jahr 1900 hierhin umgesiedelt hatte. Die Ausstellung fand positive Resonanz unter den Besuchern, die auch von außerhalb der Stadt anreisten. Ein Ausschank und ein Imbiss kamen später hinzu, und als Bittner im Jahr 1904 noch die Genehmigung für eine Dampfanlegerstelle erhielt, konnte die Ausflugsgaststätte auch von der gegenüberliegenden Seite des Langen Sees erreicht werden.

Deutschlands größte Schmetterlingssammlung befindet sich hier. (Fotos: Sandra Diekhoff)

In den folgenden Jahrzehnten war der Schmetterlingshorst nicht nur Ausflugsziel von Besuchern, sondern die Gaststätte war auch Veranstaltungsort für Konzerte – und zwar täglich. 1943 wurde das Gebäude durch Bomben stark beschädigt. Vier Jahre später begannen die Arbeiten zum Wiederaufbau. Bald war das Areal wieder für Besucher zugänglich, bis die Gaststätte 1992 dichtmachte. Ende der 90er Jahre befand sich das Objekt aufgrund von Vandalismus und Verfall bereits in einem desolaten Zustand.

Sanieren mit Azubis

Seit 2005 betreibt der Bezirkssportbund Treptow-Köpenick den Schmetterlingshorst. Umfangreiche Arbeiten waren nötig, um das verwahrloste Gebäude wieder zu errichten, sodass das Gelände seither als gemeinnützige soziokulturelle Einrichtung genutzt werden kann. Bis heute erfährt das Areal kontinuierliche Veränderung, denn die Arbeiten werden fortgeführt. Seit August 2019 etwa sanieren die Auszubildenden des Oberstufenzentrums Bautechnik 1, der Knobelsdorff-Schule, das Haus. Sie haben Elektroleitungen erneuert, Toiletten repariert, Abwasserleitungen neu verlegt, Fundamente erneuert und Lehmputz verarbeitet – auch unter Anleitung von Joerdens, der zwanzig Jahre lang als Ausbilder an der Knobelsdorff-Schule tätig war. Seit vier Jahren bietet er zusätzlich die Lehmbau-Workshops in Schmetterlingshorst an. Damit bringt er anderen nicht nur das Lehmbauwerk näher, sondern er trägt dazu bei, dass Schmetterlingshorst ökologisch saniert wird. So wird das Gebäude zwar als Schulungsort genutzt, aber die Räumlichkeiten werden auch selbst mit Lehm verputzt und ausgestaltet – so eben jener Raum, der die Schmetterlingsausstellung beherbergt. Auch die Anlegestelle ist nach 30-jähriger Unterbrechung wieder in Betrieb: Seit 2020 legen die Fahrgastschiffe der Stern- und Kreisschifffahrt wieder in Schmetterlingshorst an.

Sandra Diekhoff

Weitere Informationen: www.schmetterlingshorst.de

Anfahrt: von S-Bhf. Köpenick oder Mahlsdorf mit Tram 62 oder von Grünau mit Fähre F12 bis Wendenschloß, dann 20 Minuten Fußweg

17.-23. April: 2. Köpenicker Umwelttage

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