Aus DER RABE RALF Februar/März 2019, S. 14/15
Ärzte und Wissenschaftler warnen vor Gesundheitsrisiken durch die neue 5G-Technologie
Seit es Mobilfunkgeräte für jedermann gibt, fragen sich besorgte Verbraucher, wie gefährlich Mobilfunkstrahlung für die menschliche Gesundheit ist. Immerhin umgibt uns diese Strahlung tagtäglich an nahezu jedem Ort. Spätestens mit der Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G ab 2020 wird der Streit zwischen Kritikern und Beschwichtigern erneut entbrennen. Dabei stehen sich – nicht verwunderlich – Ärzte, Verhaltensforscher, Verbraucherschützer auf der einen und Hersteller sowie Anbieter dieser Technik auf der anderen Seite gegenüber.
Diese Konstellation sollte man immer vor Augen haben, wenn man die Frage nach dem Nutzen dieser Anwendung stellt. Denn der Mobilfunk ist ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. So werden die Mobilfunkumsätze für 2018 nach Angaben des Statistikportals Statista weltweit auf insgesamt 1.321 Milliarden US-Dollar geschätzt. Und man kann davon ausgehen, dass diese bedeutende Marktmacht und deren wachsendes Marktpotenzial die Objektivität klinischer Studien in nicht geringem Ausmaß beeinflussen.
Schneller, höher, weiter
Mobilfunk gibt es nicht erst seit dem Siegeszug von Handy und Smartphone. Denn per Definition steht der Begriff Mobilfunk ganz allgemein für den Betrieb von beweglichen Funkgeräten. Und dazu zählen auch in Fahrzeuge eingebaute Wechselsprechgeräte (etwa Taxifunk) und viele weitere Anwendungsbereiche, zum Beispiel mobile Funkrufdienste, Telemetrie, Schifffahrts-Funkdienste und Amateurfunk, die nicht ortsgebunden sind.
Seit den 1950er Jahren gibt es in der Bundesrepublik auch öffentliche Mobilfunknetze. In den frühen Netzen A (1958 bis 1977), B (1972 bis 1995) und C (1986 bis 2000) der ersten Generation (1G) funktionierte mobiles Telefonieren noch mit analoger Sprachübertragung. Sie waren allesamt nicht auf eine breite Vermarktung ausgelegt.
Mit dem D-Netz (ab 1992) und dem E-Netz ein Jahr später starteten DeTeMobil und E-Plus in die digitale Mobilfunkära, die neben der klassischen Telefonie jetzt auch die mobile Datenübertragung möglich machte – dank dem GSM-Standard (Global System for Mobile Communications) für volldigitale Mobilfunknetze (2G), der auch heute noch als der am weitesten verbreitete Mobilfunkstandard gilt. In Deutschland ist das 2G-Netz nahezu flächendeckend verfügbar.
Der 3G-Mobilfunkstandard UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) steht für Netze der dritten Generation und ermöglicht, verglichen mit GSM, noch einmal deutlich höhere Datenübertragungsraten. Da der Vorgänger vor allem Telefonie und das Versenden von Kurznachrichten förderte, begann das Zeitalter des mobilen Internets erst wirklich mit der dritten Generation. Durch eine neue Funkzugriffstechnik (Wideband CDMA) ermöglicht UMTS das gleichzeitige Senden und Empfangen mehrerer Datenströme und somit Übertragungsraten bis zu 384 Kilobit pro Sekunde (kBit/s).
Noch schnelleres Surfen mit LTE und 5G
Der Mobilfunkstandard der vierten Generation ist LTE (Long Term Evolution), die derzeit schnellste Technologie auf dem Markt. Sie basiert auf der UMTS-Infrastruktur und weist eine deutlich höhere Bandbreite als ihre Vorgänger auf: Die Übertragungsraten liegen bei 150 Megabit pro Sekunde (MBit/s), sie können mit den Erweiterungen LTE-Advanced und LTE-Advanced Pro durch Trägerbündelung (Carrier Aggregation) aber auch das Doppelte bis Vierfache erreichen.
Die Latenz- oder Pingzeit, also die Zeitspanne zur Übertragung eines Datenpakets, beträgt nur 20 bis 50 Millisekunden.
Vor allem in ländlichen Regionen ist LTE von großer Bedeutung und wird häufig als Ersatz für einen herkömmlichen DSL-Internetanschluss genutzt. Damit können mobil sogar Anwendungen wie beispielsweise Streams oder größere Downloads problemlos ausgeführt werden.
Und im nächsten Jahr sollen nun gar die ersten 5G-Netze in Betrieb gehen. Dann sollen beim mobilen Surfen Übertragungsraten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde (GBit/s) möglich sein, das ist 26.000-mal mehr als bei UMTS. Und das bei noch geringerer Latenzzeit von weniger als einer Millisekunde. Die 5G-Technologie wird auch als „Internet der Dinge“ vermarktet, also das Vernetzen von allem mit allem – Beispiele sind Smart Home oder autonome Kraftfahrzeuge.
Der Haken an der Geschichte: 5G funktioniert nur mit einem höherfrequenten Netz bei entsprechend dichtem stationären Antennen- beziehungsweise Mastenabstand. Selbst wenn vorhandene Masten von Vorgängertechnologien durch eine Art Update genutzt werden können, würde das Ganze immer noch auf eine Vervielfachung der heutigen Zahl von Masten hinauslaufen – und damit auch auf eine enorme Erhöhung der Strahlenexposition.
Bedenken weggewischt
Bereits mit der Einführung des LTE-Standards um 2010 nahmen bei vielen Verbrauchern die gesundheitlichen Bedenken gegenüber der neuen Funktechnologie zu: Wieder neue Masten? Noch mehr Strahlen? Hersteller und Anbieter der Technologie reagierten mit dem Kleinreden der Verunsicherung. Abgesehen von einem gewissen Suchtpotenzial der Nutzung von Smartphones – laut Pinta-Studie der Bundesregierung (2013) immerhin bis zu drei Prozent der Anwender – und gelegentlich auftretenden Haltungsschäden durch die typische Kopf-nach-unten-Bewegung gebe es keine Gesundheitsrisiken. Alle relevanten europäischen Strahlenexpositionsgrenzwerte würden weit unterschritten. In Deutschland seien die Grenzwerte für elektromagnetische Felder überdies in Paragraf 26 der Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) geregelt. Und zwar derart, dass sie nach aktuellem Kenntnisstand keinerlei nachhaltigen negativen Einfluss auf Menschen hätten.
Eine oft verwendete Angabe für Endgeräte, wie Smartphones oder Tablets, ist der sogenannte SAR-Wert (spezifische Absorptionsrate). Der Wert wird in Watt pro Kilogramm (W/kg) gemessen und sagt aus, in welchem Maß elektromagnetische Felder auf ein Gewebe einwirken und dieses erwärmen. Die biologische Wirkung der Endgeräte wird derzeit also lediglich auf die Wärmebildung reduziert. Der gültige Grenzwert beträgt übrigens zwei Watt pro Kilogramm für die Nutzung von Handys und Smartphones am Kopf sowie von Tablets am Körper. Immerhin, Verbraucher können anhand des SAR-Werts Endgeräte vergleichen und sich im Zweifelsfall für das „gesündere“ entscheiden.
Mobilfunk und Krebsrisiko
Kann die elektromagnetische Strahlung von Endgeräten Krebs verursachen? Große Studien zu diesem Thema, darunter eine dänische Kohortenstudie (2001 und 2011) mit mehr als 420.000 Personen und die bislang größte Langzeitstudie „Interphone“ (2010) mit mehr als 12.000 Teilnehmern aus 13 Ländern, zeigten kein erhöhtes Krebsrisiko.
„Unklar“ allerdings sind nach Einschätzung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) die Ergebnisse bei sehr intensiver Handynutzung. „Bei Nutzern von Mobiltelefonen, bei denen sich aus den Befragungen eine Gesamtnutzungsdauer von mehr als 1.640 Stunden abschätzen ließ, wurde sowohl für Gliome (häufigste Hirntumore bei Erwachsenen, d. Red.) als auch für Akustikusneurinome (Tumore des Hörnervs) ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko errechnet“, heißt es beim BfS. Eine biologisch-medizinische Erklärung für diese Beobachtungen gebe es nicht. Grund dafür seien unter anderem nicht nachvollziehbare Antworten der Mobiltelefonnutzer mit der höchsten Gesamtnutzungsdauer zur Nutzungshäufigkeit. Andere Ursachen für die Beobachtungen seien daher nicht auszuschließen. Überzeugend klingt anders.
Immerhin, das BfS hält weiterführende Untersuchungen zur Langzeitnutzung von Endgeräten für notwendig. „Forschungsbedarf besteht weiterhin bei Kindern, da sie empfindlicher sein könnten und wesentlich länger als die heutigen Erwachsenen Handys nutzen werden. Zudem ist bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen, dass zwar seit Jahren die Strahlungswerte der Handys sinken, aber der Umfang der Handynutzung deutlich zunimmt und sich darüber hinaus die Art der Nutzung ändert, das heißt neue Mobiltelefone werden nicht mehr nur zum Telefonieren genutzt.“
Neue und besser abgesicherte Aussagen erhoffen sich Experten und Verbraucherschützer zum Beispiel von den derzeit international realisierten Studien „Moby-Kids“ und „Cosmos“. Während die erste mit deutscher Beteiligung die Auswirkungen der Handynutzung auf junge Menschen zwischen 10 und 24 Jahren untersucht, ist die zweite als epidemiologische Langzeitstudie angelegt. Sie wird in Großbritannien, Dänemark, Schweden, Finnland und den Niederlanden durchgeführt und bezieht auch andere mögliche Erkrankungen außer Hirntumoren ein.
Vorsorge ist besser
Einen Schritt weiter im Sinne von Vorsorge geht ein im September 2017 veröffentlichter internationaler Wissenschaftler-Appell, der vor den Gesundheitsrisiken durch den Mobilfunkstandard 5G warnt. Er empfiehlt ein Moratorium für die Einführung dieser Technologie, bis mögliche Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vollständig durch industrieunabhängige Wissenschaftler erforscht wurden. Weiterhin fordert der Appell die Festlegung von neuen, sicheren „Grenzwerten für die durch kabellose Kommunikation verursachte maximale Gesamtexposition“ und einen vorrangigen Ausbau der kabelgebundenen digitalen Telekommunikation.
„5G wird die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern im Hochfrequenzbereich stark erhöhen, indem es zu GSM, UMTS, LTE, WLAN und so weiter, die bereits für die Telekommunikation genutzt werden, hinzukommt“, heißt es in dem Appell. Dabei sei längst erwiesen, dass hochfrequente elektromagnetische Felder für Menschen und die Umwelt schädlich sind.
Die mittlerweile 244 Unterzeichner des Appells, darunter viele Ärzte, verweisen auf die Tatsache, dass „zahlreiche aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen gezeigt haben, dass sich elektromagnetische Felder auf lebende Organismen bereits bei Intensitäten auswirken, die weit unterhalb der meisten internationalen und nationalen Grenzwerte liegen“. Zu den Auswirkungen gehörten ein erhöhtes Krebsrisiko, Zellstress, eine Zunahme schädlicher freier Radikaler, Genschäden, strukturelle und funktionelle Veränderungen im Fortpflanzungssystem, Lern- und Gedächtnisdefizite, neurologische Störungen sowie negative Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden von Menschen. Und die Schädigungen beträfen bei Weitem nicht nur den Menschen. Es gebe zunehmende Hinweise auf schädliche Auswirkungen bei Pflanzen und Tieren.
Bereits in der „Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF-bedingter Beschwerden und Krankheiten“ der Europäischen Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM) ist von „starken Hinweisen“ die Rede, wonach der langfristige Aufenthalt im Wirkungsbereich hochfrequenter elektromagnetischer Felder (HF-EMF) „ein Risikofaktor bei Krankheiten wie bestimmten Krebsarten, Alzheimer sowie männlicher Unfruchtbarkeit ist“. Zu den häufigen Symptomen von bereits heute vielfach registrierter elektromagnetischer Hypersensibilität gehören den Umweltmedizinern zufolge „Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Depression, fehlende Energie, Erschöpfung und grippeartige Symptome“.
Jörg Parsiegla
Weitere Informationen: Diagnose-Funk e.V.