Häuser ohne Profit

Aus DER RABE RALF August/September 2021, Seite 21

Was lange währt … die Stadtbodenstiftung ist gegründet

Wandtafel des Protests am Neuköllner Reuterplatz. (Foto: Stadtbodenstiftung)

Nach drei Jahren intensiver Diskussionen und Vorarbeit wurde im März dieses Jahres endlich die Stadtbodenstiftung gegründet. Sie möchte das bewahren und neu schaffen, „was in den jeweiligen Nachbarschaften benötigt wird: leistbarer Wohnraum, gewerbliche, soziale oder kulturelle Nutzungen – von Nachbarschaftszentren über Gewerbehöfe bis zu Gemeinschaftsgärten“. Um das zu erreichen, sollen Grund und Boden dauerhaft dem profitorientierten Markt entzogen werden.

Wesentlich für die neue Stiftung ist die Möglichkeit der Demokratisierung, wie Gründungsvorständin Sabine Horlitz betont: „Mit der Stadtbodenstiftung wollen wir Möglichkeiten der Mitbestimmung über städtischen Boden und seine Nutzungen aufzeigen, die auch für staatliches Verwaltungshandeln Beispiele liefern können.“ Ihr Vorstandskollege André Sacharow kündigt an: „Wir werden Boden als Gemeingut vergesellschaften, um für Nachbarschaften wichtige Orte zu sichern und alternative Möglichkeiten zu schaffen!“

Die Stiftung orientiert sich am Modell der „Community Land Trusts“, die vor allem in den USA und in Großbritannien bekannt sind. Im Oktober 2018 hatte Sabine Horlitz im Raben Ralf bereits darüber berichtet, wie nachbarschaftliche Selbstverwaltung mit dem speziellen Eigentumsmodell der Community Land Trusts vor Bodenspekulation und Verdrängung schützt. In der gleichen Ausgabe erschien ein Artikel der Autorin dieses Beitrags über „Neues kommunales Eigentum“.

Sozialbindung durch Erbbaurecht

Kennzeichnend für Community Land Trusts und für die Stadtbodenstiftung ist die eigentumsrechtliche Trennung eines Grundstücks von dem darauf befindlichen Gebäude. Der Boden bleibt im Eigentum der Stiftung, das Gebäude wird von den NutzerInnen erworben oder neu errichtet. Das kann eine Genossenschaft sein, ein Projekt des Mietshäuser Syndikats (Rabe Ralf August 2017, S. 20) oder irgendeine andere Organisationsform der BewohnerInnen oder auch gewerblichen MieterInnen. Mit einem Erbbaurechtsvertrag wird sichergestellt, dass sich die Nutzung dauerhaft an den ursprünglich vereinbarten Zielsetzungen orientiert. Eine Privatisierung ist ausgeschlossen.

Solche Erbbaurechtsverträge schließt auch das Land Berlin ab – besonders seit grundsätzlich keine öffentlichen Grundstücke mehr verkauft werden sollen –, aber auch Kirchen oder Stiftungen. Viele selbstverwaltete Hausprojekte haben in einer solchen Vertragskonstruktion als Erbbaurechtsnehmende das Eigentum an den von ihnen genutzten Gebäuden übernommen, während das Eigentum am Grundstück bei den Erbbaurechtsgebenden verbleibt. Im Erbbaurechtsvertrag zwischen den beiden Vertragsparteien wird vereinbart, wofür und auf welche Weise die Gebäude zu nutzen sind, beispielsweise für soziale Wohnzwecke. Bei Zuwiderhandlungen kann es zum „Heimfall“ kommen, das bedeutet, dass die Gebäude wieder an die GrundstückseigentümerInnen zurückfallen, gegen eine angemessene Entschädigung.

NachbarInnen entscheiden mit

Eine Besonderheit der Stadtbodenstiftung ist die Einbeziehung der Nachbarschaft in wesentliche Entscheidungen. Während der Stiftungsvorstand die Geschäfte führt, werden strategische Entscheidungen im Kuratorium getroffen. Es besteht aus maximal 13 Personen: je vier Mitglieder aus dem Kreis der NutzerInnen und aus der Nachbarschaft, drei ExpertInnen oder Personen des öffentlichen Lebens, eine StifterIn und eine VertreterIn einer öffentlichen Körperschaft, sofern diese die Stiftung substanziell unterstützt hat. Das Kuratorium beruft den Vorstand und entscheidet über den Erwerb von Grundstücken und über die Vergabe von Erbbaurechten. Ein Verkauf von Grundstücken ist grundsätzlich nicht vorgesehen und nur in Ausnahmefällen möglich.

Die ersten Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder wurden von der Gründungsinitiative ernannt. Bisher gibt es kein Projekt und daher auch weder NutzerInnen noch Nachbarschaft. Für die Aufbauphase gehören dem Kuratorium neun Personen an, die nach Angaben der Stiftung nach und nach durch gewählte RepräsentantInnen der vorgesehenen Gruppen ergänzt und ersetzt werden sollen. Zukünftige Kuratoriumsmitglieder werden vom Stiftungskomitee gewählt, das entsteht, sobald 15 Personen einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt haben, dem vom Vorstand stattgegeben wurde. Das Komitee ist praktisch die Mitgliederbasis der Stiftung, die auf mehrere Hundert Menschen anwachsen kann. Beteiligen kann sich, wer einer von drei Gruppen angehört, die in der Stiftungssatzung genauer beschrieben sind: erstens direkte oder indirekte VertragspartnerInnen der Stiftung (beispielsweise MieterInnen), zweitens diejenigen, die sich einem Projekt der Stiftung nachbarschaftlich verbunden fühlen, und drittens StifterInnen, die einen Mindestbetrag beigesteuert haben. Vorgesehen sind ein- bis zweimal jährlich stattfindende Sitzungen des Stiftungskomitees, bei dessen Entscheidungen jede der drei Gruppen eine gleiche Anzahl Stimmen bekommt.

Immobilien anders bewirtschaften

Es gibt in Deutschland keine wirklich gut geeignete Rechtsform für ein gemeinschaftlich getragenes Vorhaben, das demokratisch organisiert ist und gleichzeitig einen wirksamen Schutz vor Privatisierungen bieten würde. So haben die Entscheidung für die Stiftung und die Details ihrer Ausgestaltung einige Zeit gebraucht, denn Stiftungen sind meist recht undemokratisch. Eine Stiftung hat keine AnteilseignerInnen, sondern sie gehört sich selbst und ist dauerhaft an den Stiftungszweck gebunden, der von den GründungsstifterInnen festgelegt wird. Oft sind es Vermögende, die Stiftungen gründen und damit nach eigenem Gutdünken mehr oder weniger Gutes tun.

Bei der Stadtbodenstiftung war es anders. Sie wurde nach intensiven Diskussionen, an denen viele stadtpolitisch Aktive beteiligt waren, von fast 150 Leuten gegründet, die ein Startkapital von gut 160.000 Euro aufgebracht haben. Das ist ein Anfang, denn angesichts der Berliner Immobilienpreise ist das nicht viel Geld. Weitere ZustifterInnen werden gesucht, die Geld oder auch Immobilien in die Stiftung einbringen. Aktuell führt die Stadtbodenstiftung Gespräche mit den EigentümerInnen eines Grundstücks in Kreuzberg, die bereit sind, mit einer Teil-Schenkung auf eine spekulative Gewinnsteigerung beim Verkauf zu verzichten. Auch über ein Grundstück in Lichtenberg wird verhandelt.

Die Stadtbodenstiftung wird langsam wachsen und kann keine schnellen Antworten auf die drängenden Wohnungsprobleme Berlins geben. Sie hat jedoch das Potenzial, an einzelnen Hausprojekten beispielhaft zu zeigen, wie eine Immobilienbewirtschaftung funktionieren könnte, die sich nicht am Markt und an der Erzielung von Gewinnen orientiert und die gleichzeitig von einem breiten Demokratieverständnis getragen wird, das über den Kreis der NutzerInnen hinausgeht. Ob sich das so realisieren lässt und wie breit eine Einbeziehung der Nachbarschaft  gelingt, wird die Erfahrung zeigen.

Elisabeth Voß

Weitere Informationen: www.stadtbodenstiftung.de

Erwähnte Beiträge zum Weiterlesen: „Neues kommunales Eigentum: Beginnt eine bodenpolitische Wende in Berlin?“ von Elisabeth Voß und „Community Land Trusts: Nachbarschaftliche Selbstverwaltung gegen Bodenspekulation und Verdrängung“ von Sabine Horlitz, Der Rabe Ralf Oktober/November 2018, S. 20/21

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