Aus DER RABE RALF April/Mai 2018, Seite 23
Die Energiewende zerstört unsere Umwelt, sagen die Autoren des Sammelbandes „Geopferte Landschaften“
Deutschland wird seine selbst gesetzten Klimaschutzziele verfehlen, wenn die neue Bundesregierung keine radikalen Maßnahmen ergreift. Es gibt also Grund, über die Energiewende zu streiten. Ob der vor einem Jahr erschienene Sammelband „Geopferte Landschaften – Wie die Energiewende unsere Umwelt zerstört“ ein fruchtbarer Beitrag zu dieser Debatte ist, soll hier erörtert werden.
Die zwanzig – ausschließlich männlichen – Autoren rechnen mit der Energiewende ab, wobei der Klimawandel nicht weiter thematisiert, aber auch nicht in Frage gestellt wird. Viele Beiträge werfen berechtigte Fragen auf, wie den Konflikt zwischen den erneuerbaren Energien und dem Landschafts- und Artenschutz. Umfangreich stellt Erich Gassner das Konfliktfeld dar, das vom Schutz der Kulturlandschaft über die Öffentlichkeitsbeteiligung bis zu Genehmigungsbedingungen und -praxis bei Windkraftanlagen reicht.
Ebenfalls ein wichtiges Thema der erneuerbaren Energien ist der Ressourceneinsatz für ihren Ausbau. Es bringt jedoch wenig, ihn isoliert von den Ressourcen für andere Energiequellen zu betrachten – und ohne den Aufwand für den Abbau der Anlagen und die Entsorgung der Endprodukte jeweils ins Verhältnis zu setzen.
Ästhetische Gesichtspunkte, wie sie beispielsweise Johannes Müller-Franken in „Trauerarbeit eines Malers“ anspricht, sind diskussionswürdig, selbst wenn es keine allgemeingültigen Maßstäbe für Ästhetik und Schönheit gibt.
Niko Paech behandelt in „Mythos Energiewende“, einem der lesenswerten Beiträge des Buches, das Scheitern des „Traums vom rückstandslosen, grünen Wachstum“ und fragt berechtigterweise, ob es gelingen kann, ökologische Fragen mit technologischen Mitteln zu lösen. In der Tat werden Einsparerfolge oft durch sogenannte Rebound-Effekte und durch ständig neue technische Entwicklungen wieder zunichtegemacht. Deshalb ist die Wachstumslogik durchaus in Frage zu stellen.
Viele der Artikel argumentieren, dass eine Energiewende mit dem Ziel, den Klimawandel aufzuhalten oder wenigstens zu bremsen, auf Basis der erneuerbaren Energiequellen Biogas, Photovoltaik und insbesondere Windkraft unmöglich ist. Mit ganz wenigen Ausnahmen, wie Niko Paech, bleiben die Autoren sinnvolle alternative Ideen schuldig. So hinterlässt die Lektüre den Eindruck, man hätte die Energieversorgung mit Atomenergie und irgendwie sauberer Kohle und Gas weiterführen sollen.
Insgesamt ist das Buch weniger ein Debattenbeitrag im Rahmen der Energiewende als eine Streitschrift gegen die erneuerbaren Energien, die Windkraftgegnern Argumentationshilfen liefert.
Denkanstöße und Ärgernisse
Für jemanden, der von der Notwendigkeit einer gelingenden Energiewende überzeugt ist, enthält das Buch einige Denkanstöße. Allerdings erzeugt die Lektüre des Buchs eine große Unlust, mit den Autoren darüber ins Gespräch zu kommen. Das mag an der Überwältigungssprache liegen, die vielen Artikeln eigen ist: Da werden „friedliche Felder durch Solar‚parks‘ verwüstet“, Windenergieanlagen sind „Subventionspropeller“ und „gigantische Industrieanlagen“, mit denen „einige wenige auf Kosten von Mensch und Natur viel Geld verdienen“ – um nur einige Beispiele zu nennen.
Den Gegnern der eigenen Ansichten wird ein quasi-religiöser Glaube an die Energiewende unterstellt, ebenso Blindheit für die Tatsache, dass es mit der Energiewende im Stromsektor nicht getan ist. Das ist ein argumentativer Pappkamerad, denn nicht nur im Wärmebereich gibt es durchaus Anstrengungen, auch den Verkehrssektor haben die Verfechter der Energiewende als ein schwer zu erreichendes, aber unabdingbares Handlungsfeld erkannt – und niemand glaubt, dass die Energiewende einfach ist.
Daneben gibt es noch einige kleinere Ärgernisse. Die Wiederholung der gleichen Argumente in mehreren Artikeln, zum Beispiel die ständige Unterstellung von Verquickungen zwischen Wirtschaft, Umweltverbänden und Politik sowie von Profitmacherei, ermüdet. Aus den Artikeln einiger Autoren spricht sehr viel persönliche Enttäuschung über frühere Weggefährten. Dies wie auch der teils überbordende Gebrauch des nicht näher definierten Wortes „wir“ („… wie wir schon seit 2000 Jahren wissen könnten“) strengt an.
Im Ganzen wird deutlich, dass sich das Buch „Geopferte Landschaften“ an die von der Meinung der Autoren bereits Überzeugten richtet.
Almuth Tharan
Georg Etscheit (Hrsg.):
Geopferte Landschaften
Wie die Energiewende unsere Umwelt zerstört
Heyne Verlag, München 2017
368 Seiten, 16,99 Euro
ISBN 978-3-453-20127-9
Die Rezension erschien zuerst in den „Themen und Informationen“ des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (www.ufu.de)