Erbse – die neue Avocado

Aus DER RABE RALF August/September 2020, Seite 8

„Superfood wächst überall“, hieß es im vierten Workshop der Bildungsreihe „So is(s)t die Welt“

Auf dem Workshop wird gezeigt, wo heimisches „Superfood“ wächst. (Foto: Anke Küttner)

Açaí, Goji-Beeren, Chia-Samen, Ingwer- und Kurkuma-Shots, Avocado, Mandeln und Quinoa. Sogenanntes Superfood ist schon länger ein Trend. Diese besonderen Nahrungsmittel sollen gesund sein, schlank machen und für eine ausgewogene Ernährung sorgen. Doch wie schon die meist exotischen Namen verraten, haben sie auch lange Transportwege hinter sich und hinter der Öko- und Gesundheits-Werbung verstecken sich oft Umweltsünden.

Im vierten Workshop ihrer Bildungsreihe „So is(st) die Welt“ geht die Grüne Liga Berlin der Sache genauer nach. Die Veranstaltung kann trotz der Corona-Beschränkungen stattfinden – unter freiem Himmel im Botanischen Volkspark Blankenfelde. 16 Menschen jeden Alters sind gekommen.

Eingestimmt werden sie durch einen Vortrag von Meike Fienitz. Die Mitautorin des Buches „Super Local Food“ gibt ihr spannendes Fachwissen weiter, bevor es mit Ernährungsberaterin Elisabeth Westphal auf eine Kräuterwanderung gehen soll, um selbst lokales „Superfood“ zu finden.

Superfood als Marketingstrategie

Die Buchautorin beschäftigt sich schon länger mit Superfood – und vor allem mit der Frage nach der Nachhaltigkeit der vielen Angebote. Das gab auch den Anstoß zum Buch. Meike Fienitz beginnt ihren Vortrag mit der Frage ans Publikum, welches Superfood am liebsten gegessen wird. Häufiger genannt werden Brennnessel, Banane, Avocado, Ingwer und Kürbis.

Interessant ist, dass es keine allgemein anerkannte Definition für Superfood gibt. Am nächsten kommt dem noch das recht ungenaue Kriterium, dass ein Lebensmittel viele Nährstoffe enthält. Der Begriff Superfood entstammt einer Marketingstrategie für Bananen-Werbung. Eine Milch-Bananen-Diät sollte eine gesundheitsfördernde Wirkung haben – wobei sich später herausstellte, dass eine entsprechende Studie fehlerhaft war: Der Grund für die Genesung vieler Menschen war stattdessen, dass diese kein Gluten zu sich nahmen.

Neben dem Superfood-Klassiker Avocado nennt Meike Fienitz auch Quinoa als Beispiel für sogenanntes Greenwashing. Quinoa sieht zwar wie ein Getreide aus und verbreitet sich auch so, ist aber näher verwandt mit Spinat und Mangold. Es wird oft als glutenfreier Getreideersatz verwendet. Die Kulturpflanze stammt aus den Anden und gilt als nährstoffreiches Lebensmittel durch ihren hohen Anteil an Kalzium, Magnesium, Eisen, Kupfer, Zink, Eiweiß und Omega-6-Fettsäuren.

Das klingt erst mal super, doch 90 Prozent der Quinoa in unseren Supermarktregalen stammen aus Bolivien und Peru. Importierter Weizen verdrängte dort Quinoa als Grundnahrungsmittel. Die Bauern in den Anden suchten nach neuen Absatzmärkten, weil in dem speziellen Hochgebirgsklima sonst nicht viel wächst. Seit etwa 30 Jahren wurde für Quinoa international geworben – aufgrund der Inhaltsstoffe. Die Exportzahlen stiegen, es kam zu einem Aufschwung in der Landwirtschaft, die Anbauflächen wurden ausgeweitet.

Doch neben den langen Transportwegen hatte das auch in den Anbaugebieten negative Folgen. Brachzeiten wurden nicht eingehalten, wodurch der Boden weniger fruchtbar wurde. Zunehmend mangelte es an Dünger. Andere Länder züchteten die Quinoa weiter, sodass sie sich in anderen Klimazonen und im industriellen Stil anbauen lässt. Das gefährdet nun das Einkommen vieler südamerikanischer Kleinbauern. Wer Quinoa konsumiert, sollte deshalb darauf achten, dass sie biologisch und fair produziert wurde und von Kleinbauern aus den Anden stammt – oder auf Alternativen wie lokal angebaute Hirse umsteigen.

Guacamole aus Erbsen

Guacamole, der mexikanische Dip mit Avocado, ist auch bei uns sehr beliebt. Doch mit ihrer miesen Ökobilanz fällt die Avocado durch – durstig, belastet, weitgereist. Auf den Dip verzichten muss man trotzdem nicht: Die Erbse ist ein ausgezeichneter Ersatz.

Zutaten:

300 g Erbsen (2 Tassen)
½ Zwiebel
2 Knoblauchzehen
½ Chilischote oder eine Prise Chiliflocken
½ Zitrone
Salz, Pfeffer
evtl. 1-2 EL Wasser

  1. Die Erbsen in Wasser abkochen und abgießen. Zwiebel und Knoblauchzehen schälen und in kleine Stücke schneiden.
  2. Die Chilischote kleinschneiden. Je nachdem, wie scharf man es mag, die Kerne entfernen.
  3. Die halbe Zitrone auspressen. Erbsen, Zwiebeln, Knoblauch, Chilischoten und Zitronensaft zusammengeben und sämig pürieren.
  4. Das Püree mit Salz und Pfeffer abschmecken. Falls es zu dickflüssig ist, etwas Wasser hinzugeben.
  5. Die fertige Guacamole in eine Schüssel geben und zum Beispiel mit Brot, Gemüse oder Tortilla-Chips servieren.

Tipp: Wer mag, kann auch zwei kleine Strauchtomaten und Koriander dazugeben.

Giersch statt Goji

Das Superfood nicht weitgereist sein muss, zeigt Elisabeth Westphal. Die langjährige Ökomarktleiterin der Grünen Liga Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit einheimischen Kräutern und anderen Pflanzen, die reich an Nährstoffen sind und denen eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen wird. Als Pilz- und Kräutersachverständige führt sie Kräuter- und Pilzwanderungen durch und hat mit dem Raben Ralf und dem Packpapierverlag ein Wildkräuterbuch herausgebracht (siehe S. 25). Gemeinsam mit ihr spazieren die Workshop-Teilnehmer durch den Botanischen Volkspark und halten immer wieder an, um verschiedene Blüten und Blätter zu sammeln, zu probieren und etwas über die Nutzung zu erfahren. Elisabeth Westphal empfiehlt, täglich zwei Tassen rohe oder eine Tasse gekochte Blätter und Kräuter zu konsumieren. Zunächst solle man mit weniger anfangen, damit sich der Magen daran gewöhnen kann.

Kräuterfachfrau Elisabeth Westphal. (Foto: Anke Küttner)

Das dauerblühende Gänseblümchen ist ein schmackhaftes Beispiel. Es hält Frost aus und wächst schnell nach. Wichtige Inhaltsstoffe sind Vitamin C, Saponine, Schleim- und Gerbstoffe. Dadurch regen Gänseblümchen den Stoffwechsel an, ähnlich wie Chiasamen. Der Geschmack der Blüten ist leicht nussartig, die Blätter haben eine feine säuerliche Note. So eignen sich die kleinen Blumen gut im Kartoffelsalat, zu Pilzen oder im Obstsalat.

Etwas seltener zu finden ist Giersch. Das Kraut enthält wie die Gojibeere viel Vitamin C und zusätzlich noch Eisen, Kupfer, Mangan und Titan. So kann es gegen Rheuma, Gicht und Arthritis helfen – und ein zerquetschtes Blatt, auf einen Insektenstich gelegt, lindert den Schmerz. Mit seinem feinherben Geschmack passt Giersch gut in herzhaften und süßen Speisen wie in Salaten, zu Tomaten, Kartoffeln, Quark, Knödeln oder Äpfeln.

Und für diejenigen unter uns, die den Stadtwiesen, Parks und Wäldern nicht vertrauen, gibt es einen einfachen Tipp für die Fensterbank. Dort kann praktisch jedes Gemüse oder Kraut wachsen und als Keimling auf dem Butterbrot oder im Salat verzehrt werden. Auch das ist super – und kein weitgereistes Food auf großem Fuß.

Paula Rinderle

Das Projekt wird gefördert von Engagement Global im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums.


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