„Unkräuter“ und ihre Fähigkeiten

Aus DER RABE RALF Juni/Juli 2021, Seite 6

Brennnessel, Giersch oder Spitzwegerich bereichern den Speiseplan von Mensch und Tier

Große Brennnessel in „Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz“, Gera 1885 (Zeichnung: Otto Wilhelm Thomé)

Jeder kennt „Unkräuter“. Im Frühling und Sommer sprießen sie und suchen sich ihren Weg in den Gärten, Wiesen und Wäldern. Für manch einen vielleicht ärgerlich – für den, der schon auf den Geschmack gekommen ist, eine Bereicherung auf dem Speiseplan. Was Unkraut genannt wird,  sind ja eigentlich Wildkräuter und letztendlich auch nur Pflanzen, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewachsen sind. Dabei sind viele von ihnen nicht nur essbar, sondern auch noch lecker und sehr gesund.

Nicht gleich weghacken

Nicht nur für uns Menschen sind sie eine Bereicherung durch ihre Reichhaltigkeit an Mineralstoffen, Vitaminen und heilsamen Pflanzenstoffen. Auch unsere kleinen Insektenfreunde freuen sich über die stehengelassenen Pflänzchen, die für sie ein reiches Nahrungsangebot bereithalten. Statt gleich nach Hacke oder Spaten zu greifen, schauen wir uns also mal die nützlichen Seiten unserer beständigen heimischen Flora an.

Bereits Hildegard von Bingen – Äbtissin, Kräuterkundlerin und eine der ersten Wissenschaftlerinnen ihrer Zeit – setzte sich vor 900 Jahren mit der Behandlung und Entstehung von Krankheiten auseinander und brachte die medizinischen Traditionen des Mittelalters mit dem Heilkräuterwissen der Volksmedizin zusammen.

Schon 150 Gramm Vogelmiere liefern den gesamten Tagesbedarf an Vitamin C, Eisen und Kalium. Spitzwegerich, der vom Geschmack leicht an Champignons erinnert und sich auch gut gedünstet oder im Salat macht, hilft als Heilpflanze gegen Husten und lindert Insektenstiche. Der lästige Giersch kann zu Pesto verarbeitet oder als Gemüse gekocht werden und hat außerdem eine entzündungshemmende Wirkung.

Vielseitige Brennnessel

Neben ihrer wehrhaften Eigenschaft ist die Brennnessel schon seit Jahrtausenden für ihre heilenden Wirkungen und als Kulturpflanze bekannt. Sie hat einen ungewöhnlich hohen Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen wie Kalium, Kalzium und Eisen sowie Karotinoiden und Eiweißen. Brennnesselblätter mit ihrem würzig-spinatartigen Geschmack (siehe Rezept S. 24) lassen sich einfach wie Spinat dünsten. Brennnesseltee wirkt harntreibend und regt den Stoffwechsel an. Wer das Wildgemüse roh essen will, kann einfach mit einem Nudelholz darübergehen, die Härchen brechen dann und brennen nicht mehr. Auch die Samen sind essbar, sie lassen sich schnell in der Pfanne rösten und machen sich mit ihrem leicht nussigen Geschmack toll über Salat.

Für heimische Falter wie Tagpfauenauge, Admiral und Kleiner Fuchs dient die Große Brennnessel als Raupenfutterpflanze, aber auch andere Insekten und Vögel lieben die Brennnessel. Blühende Wildpflanzen wie Giersch, Löwenzahn, Gänseblümchen und Wald-Sauerklee locken viele Wildbienenarten, Käfer, Schwebfliegen und Falter an einen reich gedeckten Tisch.

Sammelregeln beachten

Wer Wildkräuter sammelt, sollte sich an ein paar kleine Regeln halten. Grundsätzlich gilt: Nur so viel nehmen, dass sich die Pflanze wieder regenerieren kann. Die Population an einem Ort darf also nie komplett abgeerntet werden. Am besten ist es, mit einem scharfen Messer zu ernten, so kann sich die Pflanze am schnellsten wieder erholen. Mitgenommen werden sollte nur, was sich auch sicher bestimmen lässt, am besten mit einem Pflanzenführer aus dem Buchladen oder einer Bestimmungs-App. Werden diese wenigen Punkte beachtet, sollte der Wildkräuterernte nichts mehr im Wege stehen.

Wer den Insekten helfen will, muss also nicht immer extra etwas anpflanzen, sondern kann auch einfach mal nichts tun. Mehr zum Insektenschutz sowie einen Wettbewerb um die insektenfreundlichsten Berliner Minigärten, eine Pflanze der Woche und noch vieles andere gibt es im Projekt „Das summende, brummende Fensterbrett“ der Grünen Liga. Es wird von der Senatsumweltverwaltung gefördert.

Marielle Kittmann

Weitere Informationen:
www.fensterbrett.grueneliga-berlin.de 

Buch: Elisabeth Westphal, „Wildkräuter“, Rabe Ralf und Packpapierverlag 2020, 208 Seiten, 16 Euro, erhältlich bei der Grünen Liga Berlin, im Buchhandel oder beim Verlag

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